Bundesliga "Wir wachsen und wir fallen zusammen"
Das Interview führte Ricardo Da Silva Campos
Borussia Mönchengladbach ist froh, dass der Kontrakt von Abwehrchef Dante bis 2014 verlängert wurde. Der 27-jährige Brasilianer spielt seit drei Jahren für die Fohlen und ist mit seiner voluminösen Haarpracht und seinem freundlichen Auftreten längst zum Publikumsliebling im Borussia-Park avanciert. Zuletzt war es für den Verein immer schwerer, den Leader zu halten. Doch jetzt könnten die Ambitionen des fleißigen Verteidigers, international spielen zu wollen, bei der momentan auf Platz drei stehenden Borussia am Saisonende zur Realität werden.
Im Interview mit t-online.de spricht der Lockenkopf über das Breno-Drama, das Geheimnis des Kollektivs, über Mario Gomez, und warum er Trainer Lucien Favre als "Junkie" bezeichnet.
Nach der Pleite in Freiburg heißt der Gegner am kommenden Spieltag Bayer Leverkusen. Was muss im Team verbessert werden?
Dante: Gegen Leverkusen wollen wir einiges anders machen. Aber es wird nicht leicht, denn Bayer hat ein großes Team mit vielen guten Spielern, und sie sind auch in der Champions League gut aufgestellt. Igor de Camargo fällt bei uns ja leider aus, doch das wird auch die Gelegenheit für seinen Ersatzmann sein. Wer auch immer stürmt, er wird umso mehr motiviert sein. Schnell in Führung gehen, das würde erst einmal helfen.
Momentan steht Gladbach auf dem dritten Platz. Wo wollen Sie mit der Mannschaft am Ende der Saison hin?
Ich will natürlich alles! (lacht) Am liebsten Meister werden und in der Königsklasse mitspielen, ist doch klar. Aber wir wissen auch, dass die Bundesliga eine sehr starke Liga ist und die Konkurrenz niemals schläft. Ich habe schon am Anfang der neuen Saison gesagt, dass mein Ziel 40+ ist, sprich alles über 40 Punkte wäre toll. Erst wollen wir die Klasse halten, dann kommen weitere Projekte und Ziele dazu, Schritt für Schritt. Alles andere erhöht nur den Druck, das bringt nichts.
Wie ist eigentlich Ihr Verhältnis zu Trainer Lucien Favre? Sprechen Sie Deutsch mit ihm?
Ja, vor allem, wenn er vor der Mannschaft spricht. Persönlich unterhalten wir uns auch auf Französisch. Das kann ich momentan einfach besser als Deutsch, genau wie er. Da geht es dann um exakte Details, komplexe Taktikanweisungen, usw. Favre spricht sehr viel mit den Spielern, er ist ein Kommunikations-Junkie! Er spricht alles unverblümt an, Lob und Kritik, alles kommt auf den Tisch. Das schätzen wir alle sehr an ihm.
Gladbachs Manager Max Eberl wollte Sie nicht gehen lassen, obwohl viele attraktive Vereine Sie verpflichten wollten: Bayern, Lyon, Sevilla, Valencia. Warum sind Sie doch geblieben?
Ich glaube, das war eine groß angelegte Konzeptsache. Eberl und Favre haben mir ganz deutlich gemacht, dass sie mich unbedingt behalten und für keinen Preis der Welt weggehen lassen wollen. Alle sagten, es sei besser für das gesamte Team, wenn ich bleiben würde. Und ich bin froh, dass ich meinen Vertrag hier bis 2014 verlängert habe. Ich habe viele Berg- und Talfahrten in Gladbach erlebt. Heute ist alles viel stabiler, routinierter. Ich bin froh, diese Erfahrung gemacht zu haben und hoffe, dass das so bleibt. Ich bin gespannt, wohin die Reise mit Gladbach am Ende der Saison noch führt. Momentan sieht es ja auch international sehr gut aus. Aber es ist ein langer Weg, und den wollen wir gemeinsam erfolgreich beschreiten.
Vorher haben Sie ja schon in Brasilien, Frankreich und Belgien gespielt. Mal auf den Fußball bezogen – worin liegen die Unterschiede?
In Brasilien wird viel auf technische Fertigkeiten geschaut, auch wenn du Abwehrspieler bist. Die Disziplin ist auch wichtig, aber diese solltest du eigentlich mitbringen. Einen so hohen Stellenwert wie in Deutschland hat sie aber nicht. In Frankreich ist alles sehr streng, es gibt strikte Anweisungen, und es wird vor allem auf die körperliche Fitness geachtet. Hinzu kommt das taktische Spielverständnis, das du aufsaugen musst wie ein Schwamm. In Belgien laufen die Uhren etwas langsamer. Alles ist lockerer, aber nicht weniger professionell. In Deutschland gibt es das Gesamtpaket, da hast du von allem etwas: Physis, Psychologie, Disziplin und Technik. Das gefällt mir.
Dante, Sie sind jetzt fast 28 Jahre alt. Ist denn auch die brasilianische Nationalmannschaft immer noch ein Thema für Sie?
Klar ist das immer noch ein ganz großer Traum für mich, auch wenn es vielleicht schwer zu realisieren sein wird. Ich muss einfach immer noch mehr an mir, an meiner Technik, meinem Antritt und meinem Stellungsspiel arbeiten. Ich bin jedenfalls auch mit 28 Jahren noch top motiviert, um es in die Selecao zu schaffen.
Haben Sie einen Lieblingsspieler in der Selecao?
Eindeutig Neymar. Der hat schon jetzt unglaublich viel drauf, seine Technik ist einmalig, so einen hat man natürlich gerne im Team. Aber auch er muss körperlich noch zulegen. Für ein großes Turnier muss er ja über mehrere Spiele gehen, und er wirkt sehr schmächtig. Dafür ist er aber sehr schnell, daher kommen viele Verteidiger erst gar nicht richtig an ihn ran. Das wird ein großer Spieler!
Was war bei der Copa America mit Brasilien los?
Brasilien steht vor einer großen Veränderung. Das Team macht gerade einen Generationswechsel durch. Viele ältere Spieler wollen den jüngeren einfach Platz machen. Das wird immer deutlicher. Die Basis im Team steht noch lange nicht, der Trainer probiert noch vieles aus. Etliche Spieler müssen sich auch noch aufeinander abstimmen, die meisten sind ja quer über den Globus verteilt. Viele spielen in Europas Topklubs, andere sind in der Heimat geblieben. Das Problem hat aber nicht nur die Selecao.
Ist das Team schon bereit für die WM 2014?
Definitiv nicht. Es ist immer noch unklar, ob ein Lúcio oder ein Ronaldinho beim Turnier mitwirken werden. Doch bis 2014 wird sich alles einpendeln, da bin ich sicher. Es wartet ja genug Qualität auf ihren Einsatz. Gerade im technischen Bereich sind die Brasilianer top besetzt, die Abwehr festigt sich allmählich, das Mittelfeld baut sich so langsam auf. Und vom Angriff brauchen wir ja eigentlich nicht zu sprechen. Andere Teams sind momentan aber schon weiter als wir, das spürt man.
Welche Teams denn? Wie sieht es zum Beispiel mit den Chancen des DFB-Teams bei der EM 2012 aus?
Deutschland gefällt mir sehr gut. Der junge Kader hat sich schon erstaunlich gut eingespielt, Löw kann auf mehreren Positionen variieren, da er sehr gute Spieler auch auf der Bank hat. Die Truppe spielt mitreißend, hat ein großes technisches Know-how und wird sicherlich um den Titel bei der EM mitspielen. Sie wird diesmal auch Spanien Paroli bieten können. Die DFB-Elf gehört mit zu den stärksten Mannschaften des Turniers.
Mal zurück zur Bundesliga. Wer gehört eigentlich zu Ihrem brasilianischen Freundeskreis?
De Camargo ist ein sehr guter Freund, mit Anderson Bamba, der jetzt für Eintracht Frankfurt spielt, habe ich auch ein gutes Verhältnis. Aber auch Renato Augusto von Leverkusen schätze ich sehr. Filipe Santana vom BVB gehört dazu, und auch zu Breno vom FC Bayern habe ich immer mal Kontakt.
Apropos Breno: Was sagen Sie zu den aktuellen Geschehnissen um seine Person?
Ich war sehr traurig, als ich die Geschichte von Breno gehört habe. Ich habe sehr an ihn gedacht, ihn unterstützt, für ihn gebetet und mir Sorgen gemacht. Ich hoffe, dass er so schnell wie möglich auf den Platz zurückkehrt und zeigen kann, was für ein Talent er ist.
Im Gegensatz zu Breno haben Sie aber bereits viel Anerkennung als Verteidiger in Deutschland erhalten. Sie gelten zudem als absoluter Team-Leader. Die Fans wählten Sie 2009/10 zum besten Verteidiger der Liga. Was bedeutet Ihnen das, und was ist Ihr Geheimnis?
Ich bin sehr stolz und dankbar, dass mich die Fans so toll annehmen und mich mögen. Das motiviert mich immer noch. Mein Geheimnis? Ich denke eigentlich nie alleine an die Figur Dante, sondern ich spiele für das Kollektiv. Die Mannschaft ist nur so stark wie ihr schwächstes Glied, und jeder kann mal einen schlechten Tag haben. In diesem Fall musst du eben für den anderen einspringen und doppelt so viel arbeiten. Ich habe viel Erfahrung gesammelt, in vielen europäischen Ligen. Und mein größter Vorteil ist meine mentale Stärke.
Einige Spieler wie Bamba Anderson, Matmour, Idrissou oder Friend sind ja mittlerweile zu Eintracht Frankfurt in die 2. Bundesliga abgewandert. Und die Borussia wäre in der letzten Saison fast abgestiegen. Hat das Team jetzt mehr oder weniger Qualität?
Wenn ein Spieler oder mehrere weggehen, heißt das nicht unbedingt, dass die Mannschaft automatisch schlechter wird. Ebenso wird ein Team nicht unbedingt besser, wenn neue Spieler verpflichtet werden. Wenn Spieler gehen, müssen die anderen mehr zusammenwachsen, wenn neue kommen, müssen diese sich erst integrieren. Wir haben uns jedenfalls sehr gut entwickelt, jeder einzelne von uns. Wir wachsen und fallen zusammen.
Stichwort fallen: Wer ist denn Ihr Lieblings-Gegenspieler in der Bundesliga?
Mario Gomez vom FC Bayern. Ich habe sehr viel Respekt vor ihm und bin immer extra motiviert, wenn ich gegen ihn spiele. Er ist in Deutschland momentan der Superstürmer, aber ich sage mir jedes Mal: 'Gegen mich triffst du heute nicht, mein Freund'. Ich finde, er ist mit der stärkste Angreifer, den Deutschland derzeit hat.
Und wem stehen Sie nicht so gerne auf den Füßen?
Gegen Papiss Demba Cissé vom SC Freiburg zu spielen, ist der Horror. Der Typ hört einfach nicht auf zu laufen! Er gibt immer alles, und er ist wirklich schwer zu stoppen. Leider lamentiert und meckert er auch viel, das zeigt aber auch seinen Willen. Ein harter, kantiger Stürmer eben.
Was sind Sie generell für ein Typ? Wie würden Sie Ihren Charakter beschreiben?
Ich bin ein umgänglicher Typ, aber wenn ich arbeite, dann nur hochprofessionell. Ohne Ausnahme. Ich spreche zudem sehr viel mit meinem Team. Ich sage immer, wenn mir etwas nicht passt, oder wenn etwas gut funktioniert. Darum möchte ich auch mein Deutsch kontinuierlich verbessern, weil ich gerade auch den jungen Spielern gerne Tipps und Anweisungen gebe, ihnen etwas mit auf den Weg geben will.
Haben Sie Schwächen?
Schwächen hat Jeder. Anfangs haperte es bei mir beispielsweise mit der Konzentration. Ich war oft etwas abgelenkt, gerade von den neuen Eindrücken, der Sprache, den Leuten, usw. Mittlerweile bin ich immer voll konzentriert, fast wie im Tunnel. Hinzu kommt, dass ich täglich meinen rechten Fuß trainiere. Ich möchte als Linksfuß auch mit rechts gut schießen können und mehr Sicherheit haben. Mein Erfolgsrezept ist definitiv meine Neigung zur Selbstkritik. Wenn du besser werden willst, musst du vor allem an dir selbst arbeiten. Selbstkritik ist alles.
Dante, sind Sie mittlerweile auch mental in Deutschland angekommen?
Mittlerweile habe ich mich sehr gut angepasst. Auch meine Familie macht sprachliche Fortschritte, das war mir von Anfang an sehr wichtig. Ich bin nicht der Typ, der herkommt, um sich auszuruhen. Ich bin für Integration, will die Sprache lernen, auf Deutsch kommunizieren können. So kann ich mein Umfeld besser kennenlernen und fühle mich auch von anderen besser verstanden.
Letzte Frage: Meinen Sie, Ihre Lockenpracht muss auch am Ende dieser Saison wieder dran glauben?
(lacht) Nein, diesmal lasse ich mich auf eine derartige Rasier-Wette nicht ein, denn die Borussia wird nichts mit dem Abstieg zu tun haben.