Bundesliga Power-Shopper Magath erwacht zu neuem Leben
Eine Kolumne von Jonny Giovanni
Muss man sich Sorgen machen um Felix Magath? Fern ist die Erinnerung an jenen glorreichen Sommer 2007, als er für den VfL Wolfsburg gleich 17 Mal auf dem Transfermarkt zuschlug. Erst sechs neue Spieler hat der VfL für die neue Saison akquiriert, von denen einige wie Stürmer Srjdan Lakic bereits vor dem neuerlichen Regiment von Deutschlands berühmtesten Trainer-Manager verpflichtet wurden. Allein in der letzten Winterpause holte Magath für Schalke 04 fast so viele Spieler wie bislang diesen Sommer: fünf (von denen vier bereits wieder weg sind).
Angesichts der Passivität seines Maestros war es schon fast folgerichtig, dass der VfL im Pokal nicht mal einen Viertligisten bezwingen konnte. Ein Gutes immerhin hatte die Pleite bei Red Bull Leipzig – sie hat Magath aufgeweckt. "So können wir nicht in die Bundesliga starten, es wird auf jeden Fall etwas geändert": Das klingt doch schon wieder viel mehr nach ihm.
Verwendung für ein paar Nationalspieler
Zwar operiert Magath dieses Jahr unter erschwerten Bedingungen. Nach dem kostspieligen Abenteuer Dieter Hoeneß (kurz zur Erinnerung: Wolfsburg, in der Endabrechnung stolzer Tabellen-15., war letzte Saison der Bundesligist mit den höchsten Transferausgaben) stellt VW keine Blankoschecks mehr aus. Indes hat Magath schon öfter bewiesen, dass seine Importkünste auch im Billig-Segment funktionieren. Wer sonst hätte es schon geschafft, den 34-jährigen Juventus-Ersatzspieler Hasan Salihamidzic ablösefrei nach Wolfsburg zu locken.
Magaths Ankündigung, bis zum Einkaufsstopp am 31. August verstärkt tätig zu werden, ist vor diesem Hintergrund vor allem ein Hoffnungsschimmer für die Ladenhüter des Transfermarkts. Wer wie er vor einem halben Jahr sogar Angelos Charisteas und Ali Karimi aus dem Ruhestand holt, der sollte allemal Verwendung etwa für ein paar ehemalige deutsche Nationalspieler haben. Gleich deren fünf sind momentan zu haben, wie die "Süddeutsche Zeitung" vorige Woche auflistete.
Das bisschen Kicken kann Magath schon noch beibringen
Im Tor dieses Kleinteams steht der zuletzt bei Sporting Lissabon die Bank wärmende Timo Hildebrand, Magaths früherer Keeper in Stuttgart. Legt man die Karimi/Salihamidzic-Formel zugrunde (beide spielten unter Magath bei Bayern) sollte dieser Transfer also schon mal keine Probleme geben. Ähnlich praktisch ist die Lage bei Andreas Hinkel. Auch den von Celtic Glasgow freigestellten Außenverteidiger kennt Magath aus gemeinsamen Tagen bei den "Jungen Wilden" in Stuttgart, er hat ihn damals sogar groß herausgebracht.
Hinkel verlor sein an sich gutes Standing in Schottland durch einen Kreuzbandriss, aber was soll da erst David Odonkor sagen? Wegen permanenter Verletzungen kam der Flügelstürmer in fünf Jahren Betis Sevilla gerade einmal auf 40 Erstliga- und 11 Zweitligaspiele; meistens wurde er dabei nur eingewechselt. Bei der legendären körperlichen Ausbildung unter Magath sollte jedoch bald Schluss sein mit den Wehwehchen, zudem bringt "Leichtathlet" Odonkor ja prinzipiell ein willkommenes Leistungsprofil mit: Er läuft und läuft und läuft. Das bisschen Kicken dazu könnte ihm der ehemalige Weltklasseregisseur Magath schon noch beibringen.
Herausforderungen Hitzlsperger-Wechsel
Keine direkten Argumente für eine Anstellung in Wolfsburg finden sich hingegen bei Gerald Asamoah; auch wenn nicht bekannt ist, wie es um den aktuellen Stamm-DJ in der VfL-Kabine steht. Magath jedenfalls scheint – ob fußballerisch oder musikalisch – nicht so viel von dem Stürmer zu halten, nach einem gemeinsamen Jahr in Schalke ließ er ihn vorigen Sommer zu St. Pauli ziehen. Mit seinen Einsätzen dort verbesserte Asamoah immerhin den Bundesligarekord für die meisten Auswechslungen (130). Vielleicht könnte er mit diesem Spezialtalent seinen Platz bei Magath finden – als idealer Sündenbock, wenn es weiterhin nicht laufen sollte beim VfL.
Bleibt der kurioseste, weil unverständlichste Problemfall: Thomas Hitzlsperger. Der Mittelfeldmann hat bei West Ham United eine bärenstarke Rückrunde gespielt, machte jedoch von seiner Ausstiegsklausel Gebrauch, als die Londoner dennoch abstiegen. Vielleicht hätte er damit lieber noch gewartet, andererseits durfte er dank seines guten Rufs auf der Insel natürlich darauf vertrauen, in der Premier League unterzukommen. An sich will er in England bleiben, doch Herausforderungen haben Magath noch nie abgeschreckt. Womöglich ließe sich Hitzlsperger umstimmen.
Ballacks Transferkoordinaten passen
Im zentralen Mittelfeld besteht beim VfL Wolfsburg besonders dringender Bedarf, und wer weiß schon, wen Magath sonst noch aus dem Regal ziehen wird. Hätte er ihn nicht selbst rausgeschmissen, man würde ihm glatt den Kauf von Diego zutrauen. Für eine etwas defensivere Variante gibt es allerdings auch noch einen Kandidaten, der perfekt ins Shopping-Raster passt. Zwar ist er momentan nicht direkt vereinslos, aber doch zumindest irgendwie heimatlos.
Michael Ballack also könnte kaum etwas Besseres passieren, als von seinem Leverkusener Martyrium erlöst zu werden. Für einen 34-jährigen Führungsspieler alter Prägung hat man offenbar keine echte Verwendung mehr. Die ganze Bundesliga ist dem Jugendwahn verfallen, nur Felix Magath wehrt sich standhaft. Wie vorige Saison bei Raúl, könnte er auch Ballack zu einem leuchtenden Karriereherbst verhelfen. Die Transferkoordinaten passen perfekt: Auch mit dem Capitano hat Magath schon in München zusammengearbeitet, und bei seinen Chefs würde er offene Türen einrennen; VW wollte Ballack schon vorigen Sommer unbedingt verpflichten. Wenn es also gut läuft, könnte ihn Magath als Sonderbuchung aus seinem Budget outsourcen – und parallel munter weiter shoppen.