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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Und jetzt kommen die Top-Gegner Dortmunds Pulverfass droht zu explodieren
Den Saisonstart hat der BVB verpatzt, die Fans pfeifen die Mannschaft bereits nach drei Spieltagen aus. Doch wer trägt die Schuld an dem Desaster?
Dort, wo die sie vor rund drei Monaten noch gefeiert wurden, wo der Name ihres Trainers Edin Terzić durch das Stadion hallte, wo sich der Klub in einer seiner schwersten Stunden als Einheit präsentierte, da standen sie am vergangenen Freitag wieder, die Spieler von Borussia Dortmund. Diesmal pfiffen die Fans. Ein lautstarkes, gellendes Pfeifkonzert dröhnte durch den Signal Iduna Park. Grund dafür waren die 90 Minuten zuvor. Oder besser gesagt die 45 Minuten zuvor.
Denn zur Halbzeit hatte der BVB noch gegen den Bundesliga-Aufsteiger aus Heidenheim mit 2:0 geführt. Doch im zweiten Durchgang waren die Dortmunder eingebrochen, hatten erst den Anschluss und dann den Ausgleich kassiert. Die zweite Enttäuschung der jungen Saison. Denn schon am 2. Spieltag, beim 1:1 in Bochum, hatte es der BVB verpasst, gegen einen Außenseiter drei Punkte einzufahren.
Die Quittung für die Leistungen gab es nun vor der "Gelben Wand", wie die Fankurve des BVB genannt wird. Trainer Edin Terzić zeigte sich enttäuscht vom Fehlstart seiner Mannschaft: "Wenn wir damit nicht aufhören, wird es sehr schwer sein, irgendwann mal was zu feiern."
Dabei kamen dem 40-Jährigen auch die Erinnerungen an den Moment hoch, als seine Spieler Ende Mai von den Fans trotz der verpassten Meisterschaft gefeiert wurden. "Wir haben gespürt, wie weh es tut, wenn man es am Ende nicht schafft, das aufzuholen, was in der Hinrunde liegengeblieben ist", so Terzić. "Wir haben uns deshalb vorgenommen, dass wir diesmal gut starten, dass wir nicht so viele Punkte liegen lassen, um nicht wieder eine Aufholjagd starten zu müssen. Und jetzt passiert uns das wieder."
Doch woran liegt es, dass der BVB erneut in den Startlöchern einer Saison stecken bleibt? Und vor allem: Wer trägt dafür die Verantwortung?
Terzićs Plan geht nicht auf
Klar ist zunächst einmal, dass vor Terzić einiges an Arbeit liegt. Denn der Vollblut-Borusse hat es noch nicht geschafft, die Mannschaft nach dem Meisterschafts-Drama im Mai wieder vollends in die Spur zu bringen, geschweige denn sie weiter zu formen.
Dabei gilt Terzić als Taktikfuchs, der grundsätzlich eine klare Spielidee verfolgt: hohes Tempo, schnelle Doppelpässe, gefährliche Bälle zwischen und hinter die gegnerischen Abwehrreihen. Zu erkennen war davon in den ersten Saisonspielen aber nur wenig. Terzićs Plan geht aktuell sogar gegen schwach eingeschätzte Gegner nicht auf.
"Haller ist außer Form, das Mittelfeld hat keine Konstanz und Durchschlagskraft, und die Defensive lässt viel zu viele Chancen zu", analysierte zuletzt Sky-Experte Lothar Matthäus und kritisierte die Art und Weise, wie der BVB aktuell seine Spiele bestreitet. "Das ist doch nicht der Anspruch von Borussia Dortmund. Und es kann nicht nur daran liegen, dass die verspielte Meisterschaft am letzten Spieltag der Mannschaft einen Knacks verpasst hat." Ein klarer Seitenhieb gegen Terzić, dessen Spielphilosophie sowie der Aufarbeitung der Vizemeisterschaft mit seinem Team.
Mannschaft nicht fit: Aufsteiger rennt dem BVB davon
Dazu kommt, dass der Coach sein Team nicht auf ein entsprechendes Fitnesslevel gebracht hat. Für einen Verein, dessen Selbstverständnis mit dem Meisterschaftskampf einhergeht, ein absolutes No-Go.
Gegen Heidenheim zerfiel der BVB am Ende regelrecht, hätte sich auch nicht beschweren dürfen, wenn der Aufsteiger die Partie sogar komplett gedreht hätte. "Wir brauchen diejenigen, die bereit sind, ein paar Meter mehr zu machen als der Gegner", sagte Heidenheims Bereichsleiter Sport, Robert Strauß, vor Saisonstart zu t-online über Spieler, die der Aufsteiger in seinen Reihen wissen will.
Dass der Bundesliga-Neuling mehr solcher Akteure besitzt, als ein arrivierter Champions-League-Kandidat, zeigte sich am Freitag: Während der BVB in der Schlussphase der Partie nur noch hinterherhechelte, war der FCH topfit. Am Ende spulten die Gäste satte sechs Kilometer mehr ab, als die Borussen. Ein Armutszeugnis.
Die strapaziöse USA-Reise in der Vorbereitung hat dem Team offenbar mehr Kräfte geraubt, als sich die BVB-Verantwortlichen eingestehen wollen. Fatal, wenn man bedenkt, dass die harten Wochen mit Champions-League-Fußball unter der Woche in der Hammer-Gruppe mit PSG, Milan und Newcastle noch gar nicht begonnen haben.
Aufgeblähter BVB-Kader in der Defensive zu dünn besetzt
Neben Spielidee und Teamfitness wirft aber vor allem das abgelaufene Transferfenster Fragen auf. Die Abgänge von Jude Bellingham und Raphaël Guerreiro wiegen offensichtlich schwerer als das Dreigespann Terzić, Watzke und Sportchef Kehl es erwartet haben. Dass die beiden Leistungsträger nicht so einfach zu ersetzen sind, wäre aber durchaus einzukalkulieren gewesen. Mit ihnen verließen 41 Scorerpunkte aus der vergangenen Spielzeit den BVB.
Nun steht Edin Terzić ein aufgeblähter Kader zur Verfügung, der irrwitziger Weise an einigen Stellen zu dünn besetzt ist. Denn während der BVB sich noch mit spielerischen Altlasten wie zum Beispiel Torgan Hazard rumschlägt, stehen jeweils nur drei Innen- sowie drei Außenverteidiger im Kader.
Ramy Bensebaini war dabei noch nicht die erhoffte Verstärkung. Terzićs Wunschspieler Felix Nmecha, der den BVB 30 Millionen Euro kostetet und gesellschaftspolitisch mehr als umstritten ist, konnte ebenfalls noch nicht überzeugen. Auch Marcel Sabitzer kam bisher nur bedingt in Tritt.
Niclas Füllkrug haben die Schwarz-Gelben derweil als Back-up für Haller verpflichtet. Doch der Ex-Bremer ist aktuell DFB-Stürmer Nummer eins und war vergangene Saison Torschützenkönig der Bundesliga. Ein Ersatz-Angreifer sieht anders aus. Die Konstellation könnte noch für Zündstoff sorgen. Zumal die Chancen von Top-Talent Youssoufa Moukoko auf Einsatzzeiten nicht steigen dürften und er sich über fehlendes Vertrauen von Terzić beklagte.
Watzkes Jobgarantie für Terzić bringt ihn selbst in Bedrängnis
Dass der Kader ungünstig zusammengestellt ist, müssen sich Terzić, Watzke, Kehl gemeinsam ankreiden lassen. Die Stimmung beim Trio gilt teilweise sogar als angespannt. Immer wieder ist man sich uneinig.
Beispiel: Edson Álvarez von Ajax Amsterdam sollte im Mittelfeldzentrum zum Königstransfer avancieren. Kehl war sich mit dem Mexikaner schon einig. Doch Terzić legte sein Veto ein, stärkte den zwischenzeitlich auf der Verkaufsliste stehenden Emre Can und machte diesen sogar zum Kapitän. Und das, obwohl Can in dreieinhalb Jahren beim BVB erst im letzten halben Jahr vollends zu überzeugen wusste.
Der jetzige Kader ist also vor allem auch Terzićs Team. Unter der schützenden Hand von Watzke scheint dessen Job sicher zu sein. "Wir gehen die nächsten Jahre den Weg mit Edin Terzic. Punkt, aus!", hatte der BVB-Macher noch vor wenigen Wochen verkündet. Eine voreilige Jobgarantie, die den BVB unnötig in Bedrängnis bringt und den Druck auch auf Watzke erhöht.
So brodelt es weiter beim BVB. Die Mannschaft hat einen Erfolg bei der Auswärtspartie in Freiburg nach der Länderspielpause demnach bitter nötig. Kurz darauf reist der BVB nämlich schon zum Champions-League-Spiel nach Paris. Das Pulverfass Dortmund droht zu explodieren. Dass es soweit kommen konnte, haben sich Mannschaft und Verantwortliche selbst zuzuschreiben.
- sport1.de: "Knall-Gefahr beim BVB!"
- bild.de: "Die Wahrheit über die Dortmund-Krise"
- sportschau.de: ""Komplett die Struktur aufgegeben" - Frustration nach BVB-Fehlstart"
- Mit Material der Nachrichtenagentur dpa
- Eigene Recherche