WBC-WM im Schwergewicht Chisora verpasst Klitschko eine schallende Ohrfeige
Dereck Chisora hat beim Wiegen vor dem WM-Kampf im Schwergewicht in München gegen Vitali Klitschko für einen Eklat gesorgt: Der Herausforderer aus England verpasste dem WBC-Weltmeister aus der Ukraine bereits nach wenigen Sekunden eine schallende Ohrfeige mit der Rechten und beschimpfte den 40-Jährigen fortwährend obszön. Anschließend kam es zu einem Tumult zwischen beiden Lagern mit Geschubse und Drohungen.
Chisora war Klitschko beim Stare down mit dem Gesicht nahe gekommen. Die beiden Kontrahenten stießen mit den Köpfen zusammen, woraufhin Chisora Klitschko die flache rechte Hand ins Gesicht klatschte. Klitschko musste sich offensichtlich schwer beherrschen, um nicht zurückzuschlagen. Stattdessen strafte der Champion den respektlosen Gast mit einem eisigen Blick ab. "Der hat nicht alle Tassen im Schrank", sagte Klitschko. "Die Abrechnung erhält er im Ring". Nach einem hitzigen Wortgefecht verließ Chisora eilends die Szenerie. Zuvor wurde der Weltmeister mit 110,5 Kilogramm gewogen, Chisora brachte 109,4 Kilo auf die Waage. (Sehen Sie die Highlights des Kampfes ab Sonntag früh im Video bei t-online.de)
Der "Wahnsinnige" hält Wort
Der 28-Jährige hatte schon tags zuvor erklärt, er sei "wahnsinnig". Den Beweis blieb er nicht schuldig. Sein Promoter Francis Warren meinte: "Vielleicht hatte er zu viel Adrenalin im Blut. Der Schlag kam 24 Stunden zu früh." Schon während des Trainingslagers im österreichischen Going hatte Klitschko beton, er könne Chisoras Motivation förmlich riechen: "Er ist hungrig, wild und sehr aggressiv." Ob er ihn nach dem unwürdigen Vorfall allerdings noch immer für "einen der stärksten Boxer der Welt" hält, steht dahin.
Schonmal einen Gegner geküsst
Es war nicht das erste Mal, dass Chisora bereits vor einem Kampf intensiven körperlichen Kontakt gesucht hat. 2010 hatte der Provokateur seinen Gegner Carl Baker bei einer Pressekonferenz auf den Mund geküsst - woraufhin es beinahe zur Schlägerei zwischen den beiden gekommen wäre.
Chisora kennt den Geschmack des Ringbodens noch nicht
Weitere Überraschungen schließt Klitschko nach dem Wiegen jedoch aus. In den Ring geht der 2,02-Meter-Mann nicht nur hellwach, sondern auch mit der Bereitschaft, Chisora zu bestrafen. "Mich interessieren nur Boxer, die mich wirklich fordern können", sagte Vitali. Insofern könne es "der größte Fehler sein", einen Gegner zu unterschätzen, fügte er hinzu. Und er sagte das, was wie eine Phrase klingt, nicht, weil er es sagen muss, sondern weil er etwas zu verteidigen hat, das in seinem Alter ein noch größeres Geschenk darstellt als ohnehin schon: einen WM-Gürtel. "Man muss hundertprozentig bereit sein. Jeder hat seine Chance. Er ist ein ungewöhnlicher Gegner, ist noch nie ausgeknockt worden."
Der Promoter entschuldigt sich für das Benehmen Chisoras
Und so verströmte die Entourage Chisoras vor dem Fight naturgemäß überborderndes Selbstbewusstsein. Sein Promoter Warren versprach vollmundig das Ende der Klitschko-Ära, entschuldigte sich aber auch für Chisoras Ausraster. "Das kam aus dem Nichts und war definitiv nicht geplant. Ich bin überrascht, wie jeder andere hier auch, und ich bin auch enttäuscht von der Aktion."
Klitschkos Ende für Runde acht angekündigt
Chisora selbst kündigte an "mit 100 Meilen pro Stunde" von der ersten Runde bis zum Ende zu kämpfen und den Weltmeister in der achten Runde niederzuschlagen. Den ließ diese Großmäuligkeit kalt. "Dereck steht unter großem nervlichen Druck", sagte Klitschko, "und ich spüre, dass er Angst hat, denn sonst wäre er nach der Ohrfeige nicht zurückgesprungen."
Zwei Niederlagen in den letzten drei Fights
Auch Chisoras Kampfrekord ist nicht wirklich furchteinflößend. Er gewann zwar 15 seiner 17 Kämpfe, siegte neun Mal durch K.o. Doch zwei der letzten drei Auftritte endeten mit einer Niederlage: am 23. Juli 2011 in London deutlich gegen Landsmann Tyson Fury und dann höchst umstritten gegen den Finnen Robert Helenius.
Der gestohlene Sieg von Helsinki
Dieses Gefecht um die Europameisterschaft verfolgte Klitschko am 3. Dezember 2011 mit größtem Interesse. Chisora habe ihn zu Unrecht verloren, wie Vitali meinte: "Ich war sehr beeindruckt von diesem Kampf. Aber wäre er nicht von Helenius' Promoter ausgerichtet worden, hätten ihn wohl alle Punktrichter an Chisora gegeben." So lautete das Urteil in Helsinki jedoch 2:1 für Helenius. Für Vitali war nichtsdestotrotz Chisora der Sieger. "Den Mann möchte ich kämpfen", lautete sein Fazit - seit dem Wiegen von München nur umso mehr.
Klitschko schließt zu Tyson auf
Ein Erfolg bei Klitschkos neunter WBC-Titelverteidigung, womit er mit Mike Tyson gleichzieht, gilt als nahezu sicher. "Dr. Eisenfaust" ist seit knapp neun Jahren ungeschlagen und hat 43 seiner 45 Profikämpfe gewonnen - 40 davon vorzeitig. Seine K.o.-Quote liegt bei überragenden 89 Prozent. Gegen Chisora bestreitet Klitschko bereits seinen 16. WM-Kampf.
Chisora "aus der Verteidigung abkontern"
Die Hauptaufgabe des klar favorisierten Ukrainers wird sein, Chisora auf Distanz zu halten. Dass dies beim Wiegen nicht gelang, liegt in der Natur dieser Ouvertüre. Klitschkos langjähriger Trainer Fritz Sdunek bereitet seinen erfahrenen Schützling jedenfalls darauf vor, den ehemaligen Schwergewichts-Meister des Commonwealth "aus der Verteidigung abzukontern. Vitali muss seine Schnelligkeit und seine guten Reflexe ausspielen", betonte Sdunek.