Boxen Klitschkos: endlich wieder "seit acht Jahren zusammen trainieren"
Aus Going berichtet Jörg Hausmann
Zwei Brüder, zwei Wochen, zwei WM-Kämpfe, aber eine gemeinsame Vorbereitung: Wladimir und Vitali Klitschko erleben im verschneiten und bitterkalten Tirol am Fuße des Wilden Kaisers derzeit etwas Einmaliges. Die beiden Dominatoren des Box-Schwergewichts genießen die unverhoffte Zweisamkeit. "Es ist das erste Mal seit acht Jahren, dass wir zusammen trainieren", erklärt Vitali. "Es ist eine einzigartige Möglichkeit und erinnert mich an die Zeiten, als wir viel jünger waren", freut sich Wladimir.
Jünger waren die beiden Weltmeister mal, aber noch nie besser als heute. Wer die Klitschkos in ihrem Trainings-Domizil beim "Stanglwirt" in Going besucht, begegnet zwei bestens gelaunten Ausnahme-Athleten im Zenit ihres Könnens. Dabei zählen sie zusammen bereits 75 Jahre.
Von Nierensteinen ausgebremst
"Ich wünsche mir", sagt Wladimir, "dass ich mit 40 so topfit bin wie mein Bruder." Vorerst ist Wladimir froh, mit 35 wieder topfit zu sein. Der plötzlich nötige Eingriff wegen der Entfernung von Nierensteinen sei "keine angenehme Angelegenheit" gewesen. Deshalb konnte der Weltmeister der Verbände WBO, IBF, IBO und WBA seine Titel nicht – wie geplant – am 11. Dezember 2011 gegen den Franzosen Jean-Marc Mormeck verteidigen, sondern wird dies am 3. März 2012 tun.
Vitali muss als erster ran
Ein Gutes aber hatte die schmerzhafte Zwangspause: Die Nierensteine wirken in Going als Familien-Zusammenführer. Vitali freut sich "riesig" darüber. Er ist zuerst dran, zwei Wochen vor seinem Bruder. Vitali bereitet sich darauf vor, den Angriff Dereck Chisoras abzuwehren. Der Engländer will am 18. Februar 2012 in München den WBA-Gürtel vom älteren der beiden Brüder erobern.
Seltene Nähe
"Wir unterhalten uns über unsere nächsten Gegner und das Leben allgemein. Das ist spannend, denn wir haben nicht so oft die Möglichkeit, miteinander zu sprechen, sind immer unterwegs", sagt Vitali. Gemeinsam mit Trainer Fritz Sdunek kam er erst am 30. Januar nach Going, aus Kiew. In der Heimat ist der Box-Held als politischer Motor des nach wie vor behinderten Prozesses der Demokratisierung gefragt.
Wer ist denn nun der Stärkere?
Bruder Wladimir nennt ihn einen "Jahrhundertmenschen" und hält ihn für den stärksten Schwergewichtler – umgekehrt aber ist es genauso. Wladimirs Argument: "Er hat fünf Jahre mehr Erfahrung als ich. Die kann man nicht im Geschäft kaufen." Vitali führt zugunsten seines Bruders die Anzahl der WM-Gürtel ins Feld, sagt aber vor allem: "Wladimir hat sich selbst besiegt und allen Kritikern sein Können bewiesen. Sogar ich hatte ihm schon den Ratschlag gegeben, aufzuhören. Denn ich wollte nicht die Zeit nach dem Kampf mit meinem Bruder im Krankenhaus verbringen. Heute ist er der stärkste Schwergewichtler der Welt." Kokettierend fügt er an: "Denn ich bin schon alt."
Die Zeit hat für die Klitschkos gearbeitet
Dass Wladimir vor acht Jahren die Kritik Vitalis ("Ohne ihn wäre ich nie Boxer geworden") nicht mehr ertrug und ihn aus dem Trainingslager warf, ist vergessen. "Es ist genug Zeit vergangen." Vitali schickt hinterher: "Der Dampf ist raus." Nicht aber aus den vier Fäusten. Zu spüren bekommen das in Going die tapferen Sparringspartner, die die Klitschkos gerne auch untereinander austauschen – und dann sind Chisora und Mormeck an der Reihe.