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Zum journalistischen Leitbild von t-online.NBA-Profi Maxi Kleber "Nowitzkis Abschied erschließt neue Möglichkeiten"
Im Interview mit t-online.de spricht NBA-Profi Maxi Kleber über den Erfolg der Dallas Mavericks, seinen Freund Dirk Nowitzki und die Olympia-Chancen des DBB-Teams.
Für die Dallas Mavericks ist die Zeitrechnung in diesem Jahr eine andere. Denn es ist die erste Saison nach Dirk Nowitzki. Im vergangenen Frühjahr beendete der größte deutsche Basketballer aller Zeiten seine Karriere nach über 20 Jahren im Dienste des texanischen Teams, mit dem er 2011 den NBA-Titel erstmals in der Geschichte des Franchises feierte.
Und Saison eins nach der "Dirkules"-Ära läuft überraschend gut für die "Mavs": In der Western Conference steht Dallas aktuell komfortabel auf einem Playoff-Platz. Einen gewichtigen Beitrag zum Aufbruch im Umbruch leistet der deutsche Forward Maxi Kleber. Der Würzburger ist in seiner dritten NBA-Saison ein unverzichtbarer Bestandteil der Rotation von Cheftrainer Rick Carlisle und nimmt insbesondere durch seine Defensivstärke eine prominente Rolle im Mannschaftsgefüge ein.
Im Interview mit t-online.de spricht Kleber über das Ziel Playoffs, seinen Teamkollegen, Superstar Luka Doncic, seinen Freund Dirk Nowitzki und wie der Basketballsport in Deutschland mehr Beachtung erhalten kann.
t-online.de: Herr Kleber, die "Mavs" sind aktuell eines der besten Teams der Western Conference. Wird im Locker Room schon über die Playoffs gesprochen?
Maxi Kleber (28): Die Playoffs sind unser Ziel, ganz klar. Auch wenn wir aktuell in einer guten Position sind, müssen wir uns auf jedes Spiel einzeln vorbereiten. Die Konkurrenz in der NBA ist enorm, deshalb müssen wir versuchen, jedes Spiel bis zum Ende der regulären Saison zu gewinnen.
Inwiefern sind Sie selbst von der rasanten Entwicklung des Teams überrascht?
Ich habe wirklich nicht erwartet, dass wir alle so schnell und gut zusammen harmonieren. Wir haben ein junges, hungriges Team, das dennoch die Verteidigung nicht vernachlässigt. Natürlich unterlaufen uns immer noch Fehler, aber es beeindruckt mich, wie fokussiert wir den Gegenspieler decken. Hinzu kommt, dass wir in der Offensive mit Luka Doncic auf eines der größten Talente des Basketballs setzen können.
Können Sie uns als sein Mitspieler erklären, was Doncic so auszeichnet?
Er hat trotz seines jungen Alters von gerade einmal 20 Jahren schon auf höchstem Niveau in Europa gespielt. Er hat bereits als Teenager bei Real Madrid als Leistungsträger Verantwortung übernommen und das Team zu Erfolgen geführt. Dasselbe macht er diese Saison bei den Mavericks.
Lukas große Stärke ist, dass er das Spiel genießt. Es ist unglaublich, mit welch einer Ruhe er agiert und selbst unter größtem Druck cool bleibt und die richtigen Entscheidungen trifft. Darüber hinaus besonders ist, dass er jeden Wurf beherrscht: Er trifft den Dreier, er kann den Floater, den Korbleger. Dabei spielt er nie egoistisch, sondern hat immer das Auge für den offen postierten Mitspieler.
Ist Doncic für Sie ein MVP-Kandidat?
Auf jeden Fall. Schauen Sie sich nur die MVP-Rankings der US-Presse an: Dort wird er konstant als einer der drei besten Spieler der NBA gehandelt. Er hat es sich mit seinen bisherigen Leistungen verdient, im Gespräch um diese Auszeichnung zu sein. Sollte er weiterhin so abliefern wie bisher, sehe ich keinen Grund, warum er die Trophäe nicht erhalten sollte.
Könnte Doncics junges Alter gegen ihn als MVP sprechen? Bei Giannis Antetokounmpo wurde im vergangenen Jahr diskutiert, ob er mit 24 Jahren nicht zu jung sei.
Das Alter sollte aus meiner Sicht überhaupt kein Thema sein. Luka hat uns diese Saison bereits zu vielen wichtigen Siegen geführt – und nur darum sollte es gehen.
Wir haben Doncic, Antetokounmpo, Marc Gasol, der vergangene Saison den Titel mit den Toronto Raptors geholt hat: Sind europäische Basketballer nicht mehr aus der NBA wegzudenken?
Man sieht an Ihrer Aufzählung, dass in den vergangenen Jahren immer mehr hochkarätige europäische Basketballer in die NBA kommen und sich als Leistungsträger durchsetzen. Mit Luka Doncic und Kristaps Porzingis haben wir gleich zwei Top-Beispiele dafür bei den Mavericks.
Inwiefern hat sich die Wertschätzung der US-Amerikaner gegenüber der Europäer in der NBA in den vergangenen Jahren gewandelt?
Dirk Nowitzki hat einen großen Anteil daran, dass die Skepsis gegenüber europäischen Spielern abgebaut wurde. Er hat sich durchgesetzt, die Liga bereichert und damit alle Beobachter überrascht. Dirks Erfolg hat dazu beigetragen, dass immer mehr Scouts ihre Augen auf Europa richten und die dortigen Spieler ganz genau analysieren.
Die aktuelle ist auch die erste Saison ohne Dirk Nowitzki. Inwiefern hat es der Entwicklung der Mavericks gutgetan, dass er seine Karriere beendet hat?
Die Fans kennen die Dallas Mavericks nur noch mit Dirk Nowitzki. Von daher ist das erste Jahr ohne ihn ein komisches für uns alle. Ich hatte das Glück, zwei Jahre mit ihm in Dallas zusammenzuspielen, und ich spüre, dass seine Persönlichkeit in der Kabine fehlt. Mit Luka Doncic und Kristaps Porzingis haben wir nun zwei neue starke Charaktere, um die das Team in den kommenden Jahren aufgebaut werden soll. Hinzu kommt, dass wir durch Dirks Abschied nun natürlich das Spiel schneller gestalten können. Natürlich ist es schade, dass Dirk die Schuhe an den Nagel gehängt hat, aber so erschließen sich uns nun neue Möglichkeiten.
Wie präsent ist Nowitzki noch bei den Dallas Mavericks?
Er war bei einigen Partien in der Halle zu Gast, und wenn wir die Möglichkeit haben, versuchen wir, uns mit ihm auszutauschen. Mit Dirk kann man sich wahnsinnig gut unterhalten – und klar: da spricht er schon ab und zu mal über die guten, alten Zeiten. Seine Priorität ist aktuell aber einfach so viel Zeit wie möglich mit seiner Familie zu verbringen.
Sie beide kommen aus Würzburg. Wie war Ihr Verhältnis zu Nowitzki als Mitspieler – und wie ist es jetzt, nach seinem Karriereende?
Mein größtes Plus war, dass ich im Sommer 2017 – bevor es für mich in die NBA ging – mit Dirk in Deutschland trainieren konnte. Die Einheiten und Gespräche haben mir wahnsinnig geholfen, mich auf die Liga vorzubereiten. In dieser Zeit hat sich eine Freundschaft außerhalb des Platzes zwischen uns aufgebaut, sodass er mich einige Male zu seiner Familie nach Hause einlädt. Dass er unserer Beziehung ein solches Vertrauen ausspricht, freut mich ganz besonders.
Trotz Nowitzki fristet Basketball ein Nischendasein in Deutschland. Inwiefern könnte ein Erfolg bei Olympia 2020 eine Euphoriewelle für den Sport in Deutschland bedeuten?
Wir haben bei der WM 2019 leider enttäuscht und nicht das erreicht, was wir uns erhofft haben (Deutschland schied bereits in der Vorrunde in einer Gruppe mit Frankreich, Jordanien und der Dominikanischen Republik aus, Anm. d. Red.). Wir müssen in Zukunft einfach besser spielen, denn: Das Talent ist vorhanden. Nur mit guten Leistungen können wir auch Werbung für den Basketball in Deutschland machen.
Ich hoffe, dass uns durch eine Olympia-Qualifikation eine gewisse Wiedergutmachung gelingt, denn Basketball ist ein wundervoller Sport, der mehr Beachtung verdient hat. Dafür benötigt es aber auch ein gewisses Verständnis. Ich habe es öfters erlebt, dass Menschen Basketball gegenüber skeptisch sind und sich ihre Meinung vollkommen ändert, sobald sie die Regeln kennen und ein, zwei Spiele in Gänze gesehen haben. Auf solche Reaktionen sind wir scharf, das muss unser Ziel sein: Basketball in Deutschland populärer zu machen.
Im Juni geht es gegen Mexiko und Russland um die Olympia-Qualifikation. Stand jetzt: Werden wir Sie im deutschen Nationaltrikot sehen?
Stand jetzt will ich unbedingt in diesen Partien für Deutschland spielen. Es ist immer eine besondere Ehre, sein Land zu vertreten.
Wie schätzen Sie die Olympia-Chancen Deutschlands ein?
Unsere Chancen für die Olympia-Quali schätze ich sehr gut ein, da wir einen Hammergegner umgehen. Wir müssen dennoch unser bestes Basketball spielen, um Tokio zu erreichen. Wir haben bei der WM gesehen, was dabei herumkommt, wenn wir einen Gegner auch nur minimal unterschätzen und nicht bis zu unserem Leistungslimit gehen.
Das DBB-Team könnte für Olympia auf mehrere NBA-Profis zurückgreifen. Haben Sie Kontakt zu Ihren Kollegen in den USA – und wessen Leistung in der NBA begeistert Sie aktuell am meisten?
Wir sind lose in Kontakt und sehen uns allein deshalb schon regelmäßig, weil wir in der NBA gegeneinander antreten. Mit Daniel Theis von den Boston Celtics war ich vor unserem Liga-Duell Abendessen und habe mich ausführlich mit ihm ausgetauscht. Ansonsten finde ich, dass Isaiah Hartenstein bei den Houston Rockets eine überragende Saison spielt. Über Dennis Schröder müssen wir uns glaube ich nicht weiter unterhalten (schmunzelt). Der zieht sein Ding bei den Oklahoma City Thunders konstant gut durch.
Wer mich wirklich überrascht ist Isaac Bonga, der sich in seinem jungen Alter wahnsinnig gut bei den Washington Wizards macht. Auch sein Teamkollege "Moe" Wagner hat vor seiner Verletzung Hammerspiele zeigen können.
Fußball ist der Volkssport Nummer 1 in Deutschland. Werden Sie die EM im Sommer verfolgen – und wie denken Sie generell über die hohe Aufmerksamkeit, die dem Fußball in Deutschland zuteil wird?
Fußball ist nun einmal Deutschlands Volkssport – und das wird sich auch nicht ändern. Ich habe bei Bayern München erfolgreich Basketball gespielt, aber dennoch gibt es in der Stadt nur ein Thema: Fußball.
Ich bin auf diese Aufmerksamkeit nicht neidisch. Ich verfolge die Bundesliga- und Länderspiele, weil auch ich als Kind mit dem Sport aufgewachsen bin und fast täglich auf dem Bolzplatz stand. Von daher verstehe ich mich als absoluter Fußballfan.
Wie schätzen Sie das Niveau der BBL ein?
Die BBL wird jedes Jahr stärker. In den Vereinen wird richtig gut gearbeitet, besonders im Nachwuchsbereich. Immer mehr Eigengewächse schaffen den Sprung in die BBL, wodurch sich die Liga organisch weiterentwickelt.
Sie sind 27, sind seit drei Jahren erfolgreich in der NBA. Denken Sie dennoch über eine Rückkehr in die BBL zum Ende Ihrer Karriere nach?
Wenn ich ehrlich bin, will ich meine Karriere in der NBA beenden (lacht). Wenn ich dort nicht mehr hinterherkomme, bin ich auch nicht mehr für die BBL zu gebrauchen. Man darf das Niveau der BBL wirklich nicht unterschätzen, das ist keine Liga für den Karriereausklang.
Noch einmal zwei, drei Jahre als Ex-NBA-Star Werbung für den Basketball in Deutschland zu machen, reizt Sie also nicht?
Ich werde nie Nein sagen zu einer Rückkehr in die BBL, es kann schließlich viel passieren. Vielleicht werde ich in ein, zwei Jahren aus der NBA geworfen, da würde ich natürlich gerne nach Deutschland zurückkehren können. Aber mein Ziel ist es definitiv, meine Karriere in der NBA zu beenden.