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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Trotz Verdachts wegen versuchten Mordes Bundesministerium verleiht Preis an Linksextremistin Hanna S.

Seit Februar ist die Nürnberger Studentin Hanna S. vor dem Oberlandesgericht München wegen versuchten Mordes angeklagt. Jetzt soll sie ein staatliches Stipendium bekommen.
Die Vorwürfe der Bundesanwaltschaft gegen die Nürnbergerin Hanna S. wiegen schwer. Der Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Münchens hatte Ende 2024 die Anklage wegen des Verdachts des versuchten Mordes, gefährlicher Körperverletzung und Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung zugelassen. Gleichzeitig wurde die mutmaßliche Linksextremistin kürzlich mit dem Bundeskunstpreis ausgezeichnet. Dieser ist mit einem Preisgeld in Höhe von rund 3.000 Euro sowie einem Stipendium in Höhe von insgesamt 18.000 Euro für alle ausgezeichneten Künstler verbunden. Doch jetzt stoppt das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) die Preisvergabe.
Eine dreiköpfige Jury hatte am 5. Februar aus 50 Portfolios nominierter Kunststudenten die Preisträger festgelegt – darunter auch die Studentin Hanna S. (Akademie der Bildenden Künste Nürnberg). Dass sie vor dem OLG in München angeklagt ist, schien das Ministerium nicht zu wissen. Auf Anfrage von t-online heißt es: "Die Jury bestimmte aufgrund der vorgelegten Portfolios am 5. Februar 2025 die Preisträgerinnen und Preisträger. Eine Recherche zu den Preisträgerinnen und Preisträgern seitens des BMBF erfolgte nicht."
Ministerium erfährt erst Wochen später von Anklage
Erst Wochen später, laut BMBF am 4. April, soll das Ministerium vom Deutschen Studierendenwerk über die Anschuldigungen gegen die Studentin sowie ihren Prozess vor dem OLG in München informiert worden sein. Und diese Information hat nun Konsequenzen. "Im Einvernehmen mit dem Deutschen Studierendenwerk (DSW) wird das Verfahren der Preisvergabe für Hanna S. bis zum rechtskräftigen Abschluss des laufenden Strafverfahrens ruhend gestellt und das für sie vorgesehene, anteilige Preisgeld in Höhe von 3.345 EUR nicht ausgezahlt", heißt es weiter in der Stellungnahme des Ministeriums.
Der vom BMBF ausgelobte Bundespreis für Kunststudierende würdige nicht nur das künstlerische Portfolio von Kunststudierenden, sondern ist auch mit einer Förderung der jeweiligen Person verbunden. "Die in Rede stehenden Vorwürfe sind sehr schwerwiegend. Daher muss im Lichte eines rechtskräftigen Urteils über die Auswirkungen auf die Preisvergabe an Hanna S. und auch über die an sie bereits ausgezahlte Produktions- und Fotokostenpauschale in Höhe von 2.400 EUR entschieden werden."
Akademie der Bildenden Künste lobt Hanna S. für ihre Kunst
Die Akademie der Bildenden Künste Nürnberg hat sich auf Anfrage von t-online bislang nicht zu der Preisvergabe geäußert. Laut einem Bericht der "Bild" zeigte sie sich jedoch wenig beeindruckt von den Vorwürfen gegen ihre Studentin. Vielmehr sei man stolz auf die Preisträgerin und ihre "Auseinandersetzung mit aktuellen gesellschaftspolitischen Themen – wie etwa dem ansteigenden Rechtsruck, der Flüchtlingskrise oder strukturellen Sexismen".
Bundespreis für Kunststudierende
Der Bundespreis für Kunststudierende ist einer von über 20 bundesweiten Schüler- und Jugendwettbewerben, die durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung ausgelobt werden. Er besteht seit über 50 Jahren. Organisatorischer Träger des Preises ist das Deutsche Studierendenwerk. Ebenfalls beteiligt ist die Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland. Alle 25 in der Kunsthochschulenkonferenz organisierten deutschen Kunsthochschulen nominieren jeweils zwei Studierende für den Bundespreis. Aus den 50 Portfolios der Studierenden wählt eine unabhängige Fachjury bis zu acht Preisträgerinnen und Preisträger aus.
Seit dem 19. Februar steht Hanna S. in München vor dem Oberlandesgericht. Laut Anklage hat sich die Studentin Anfang Februar 2023 einer linksextremistischen Vereinigung angeschlossen. Die Mitglieder dort sollen eine militante linksextremistische Ideologie vertreten, die eine Ablehnung des demokratischen Rechtsstaats und des staatlichen Gewaltmonopols beinhaltet. Das Ziel der Vereinigung soll es gewesen sein, mit Gewalt gegen Angehörige des politisch rechten Spektrums vorzugehen, so die Anklage.
- Lesen Sie hier mehr zu den Vorwürfen gegen Hanna S.
Im Februar 2023 sollen Mitglieder der Vereinigung deshalb in Budapest mindestens fünf Personen angegriffen haben, die aus ihrer Sicht dem rechten Spektrum zuzuordnen waren. Hanna S. soll dabei an zwei Überfällen von insgesamt drei Personen beteiligt gewesen sein.
Die Mitglieder der Gruppierung sollen auf zwei Opfer mit Schlagstöcken und einem kleinen Hammer eingeschlagen haben. Einem der Opfer sollen sie mindestens 15-Mal überwiegend auf den Kopf geschlagen haben. Das andere Opfer sollen sie ebenfalls mehrmals geschlagen haben, was diverse Platzwunden sowie Prellungen am Kopf zur Folge hatte. Anschließend sollen die Angreifer die Geschädigten mit Pfefferspray besprüht haben. Insgesamt sind für den Prozess 32 Verhandlungstage angesetzt.
- Anfrage beim Bundesministerium für Bildung und Forschung
- bild.de: Linksextremistin kriegt Kunstpreis und 48.000 Euro