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Kultband City: "Wir waren schneller als die Rolling Stones"


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Kultband feiert Abschied
"Wir waren schneller als die Rolling Stones"

InterviewVon Christian Grube

Aktualisiert am 26.12.2022Lesedauer: 5 Min.
City: Gogow (r.) in LeipizgVergrößern des Bildes
Gogow (r.) mit City-Sänger Tony Krahl in Leipzig: "Wir haben im Osten gelebt und gewirkt." (Quelle: ArcheoPix)
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Der "Teufelsgeiger" Georgi Gogow von der Ostrock-Band City spricht über das Ende der Band, den Ursprung des Hits "Am Fenster" und Fleiß in der DDR.

Im Jahr 1972 gründeten Fritz Puppel und Klaus Selmke im Prenzlauer Berg Ostberlins die DDR-Kultband City. Zwei Jahre später stieß Georgi Gogow dazu, kurz darauf Sänger Toni Krahl – die Band war komplett.

City wurde eine der Topbands im Osten, Weltruhm erlangten sie mit ihrem Hit "Am Fenster". Gogow, der eigentlich den Bass spielte, zeigte darin, wie virtuos er auch Geige spielt, sein einführendes Solo ist legendär.

City in Leipzig: Jeder im Osten kennt Gogows Geige

Gogows war fortan der "Teufelsgeiger" der DDR – ein Titel, den er sich mit dem ebenso berühmten Musiker "Hans die Geige" teilen musste.

Die Band City verkaufte derweil mehr als 15 Millionen Schallplatten und CDs. Nach dem Tod des Schlagzeugers Selmke im Jahr 2020 wurde es für eine Weile ruhig um die Ostrocker. Jetzt, im fünfzigsten Bandjahr, gehen sie auf ihre letzte Tour. "Letzte Runde" heißt sie – die Geschichte von City wird am 30. Dezember mit dem allerletzten Konzert in Berlin enden. Auch bereits am Abend vorher treten sie in der Mercedes-Benz Arena auf.

Am Sonntag spielten sie ihr letztes Konzert in Leipzig: Einer Stadt, die wichtig war in der Bandgeschichte, wie der inzwischen 74-jährige Georgi Gogow im Interview mit t-online erzählt.

t-online: Welche Rolle spielt Leipzig in der Bandgeschichte von City?

Georgi Gogow: Maßgeblich für unsere Bandgeschichte ist Leipzig als die Stadt, in der die Dichterin Hildegard Maria Rauchfuß lebte, als wir aus ihrem Gedichtband den Text zu "Am Fenster" fanden. Mit Leipzig verbindet uns die Geburtsstunde von "Am Fenster" und unzählige wunderbare Konzerte.

City ist nach 50 Jahren auf Abschiedstour, das Ende naht. Wie fühlen Sie sich?

Zwiegespalten. Zum einen gibt es große Wehmut, weil das Ende absehbar ist. Zum anderen ist es auch eine Art Befreiung. Eine Befreiung aus 50 Jahren Dienst an einer Männergesellschaft, einer Männergruppe. Man dient wie selbstverständlich – mit Dingen wie Pünktlichkeit und Professionalität. Du bist verpflichtet, Vorgaben zu erfüllen, und das fällt jetzt von mir ab. Nach dem 1. Januar 2023 bin ich einzig und allein für mich der Entscheidungsträger.

Was wird passieren, wenn am 30. Dezember in Berlin das allerletzte Konzert ansteht?

Am Ende stehen die schwersten zehn Minuten der Karriere und mit jedem Konzert wird es härter. Wir wissen, mit jedem Konzert kommt die Endgültigkeit näher. Die Band geht aufs Abstellgleis. City löst sich nicht auf, aber City hört auf. Die Marke wird leben. Toni hat in einem Interview gesagt, dass es vielleicht noch ein Album geben wird, aber wir geben keine Konzerte mehr.

Sind Sie froh, nicht mehr jeden Tag den City-Megahit "Am Fenster" spielen zu müssen?

Das weiß ich noch nicht. Ich denke, die Menschen verbinden meine Person so oder so mit "Am Fenster". Ich bin der Geiger. Wenn es um Nachfragen für Auftritte oder Privatpartys geht, werden die Leute sicher fragen, ob ich das Lied spiele. Aber das wird nur passieren, wenn ich einen Vokalisten habe, der nicht durch mein Raster fällt. Wenn jemand den Song in einer neuen Art interpretieren kann oder neue Nuancen einbringen kann, dann würde ich ihn wieder spielen. Aber ich werde nicht mit der Violine vor dem Bauch herumrennen und überall fiedeln.

Ostrock scheint für viele Menschen etwas ganz Besonderes zu sein. Was bedeutet er für Sie als Musiker?

Ich bin 1971 aus Bulgarien in die DDR gekommen. Ich hab als Tanzmusiker angefangen und mit großem Interesse die Musikentwicklung wahrgenommen. Schnell wurde mir klar, dass hier etwas passiert, eine Hinwendung zum Rock, eine Befreiung aus verkrusteten Musiksystemen. Musiker wurden in Bulgarien schikaniert und mit Repressalien belegt. In der DDR war das nicht so drastisch.

Und was ist dann passiert?

1974 standen Fritz Puppel und Klaus Selmke vor meiner Tür und fragten mich, ob ich bei City einsteigen möchte. Das war eine spannende Zeit. Es gab unzählige Bands. Die Puhdys gab es da schon. Die DDR hatte eine unheimliche Dichte an Musikern. Unvergleichlich. Anfang der 80er-Jahre gab es 200 Profibands und mehr als 3.000 Amateurbands. Die spielten alle in den gleichen Clubs und Kneipen wie wir. Das war eine weltweit einzigartige Dichte an Musikern.

Was war typisch für die Rockmusikszene in der DDR?

Die DDR-Rockmusik ist insofern eigenständig, dass man sich zuerst an großen Vorbildern im Westen orientiert hat. Die hatten die Freiheit und die finanzielle Möglichkeit, sich experimentell im Studio auszuprobieren. Wir hatten bei der Plattenfirma Amiga vier Stunden pro Termin. Das heißt Aufnehmen, Musik, Gesang und Mischen. Heute würde man in einem Studio eine Woche an einem Lied basteln. Die Rolling Stones haben neun Monate an einem Album gearbeitet – da hätten wir zwanzig Alben gemacht in der Zeit! Diese Freiheit hatten wir nicht. Wir mussten schneller produktiv sein und eine Qualität anstreben, die der im Westen nicht unterlegen ist. Wir fingen nicht erst im Studio damit an, Lieder zu schreiben. Unser Vorteil war, dass unsere Songs schon vor Publikum ausprobiert waren, sie hatten schon einen gewissen Schliff – im Studio mussten nur noch die Arrangements ausgearbeitet werden. Aber letztendlich standen wir enorm unter Druck.

Wie sind damals die Texte entstanden?

Inhaltlich war es so: Die ersten Songs haben Fritz Puppel und ich geschrieben. Toni Krahl schrieb die Texte. Es gab dann die Reaktion der Zensur. Was mich immer genervt hat, war, dass man sich gar nicht um die Musik gekümmert hat. Es wurden nur die Texte angeschaut – und was da gemeint gewesen sein könnte. Es wuchs auch eine Riege an Textern, welche die Bands davon befreit haben, indem sie ihre Texte vor der Redaktion verteidigt haben. Die haben der Rockmusik den Arsch gerettet. Die haben mit der Zensur über ihre Texte diskutiert und sich gerechtfertigt – wir haben einfach die Musik gemacht. Die Texter haben großartige Bildlandschaften entworfen und Gesellschaftskritik wurde sehr gekonnt geübt. Dinge wurden im Text nicht genannt, aber die Menschen wussten dennoch, was gemeint war. Nicht sichtbare Algorithmen würde ich das nennen. Das hat das Publikum sehr interessiert: Gesellschaftskritik. Und da waren City ganz weit vorn.

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Gab es Lieder, die in der DDR verboten wurden?

Margot Honecker wollte das "Casablanca"-Album komplett auf den Index setzen. "Wand an Wand" oder "z.B. Susann" – das war die klare Sprache des Alltags. Ich war zu dem Zeitpunkt nicht in der Band. Und als das Album auf den Index gesetzt werden sollte, war die Band gerade im Westen auf Tour. Sie haben dann dem Ministerium die Pistole auf die Brust gesetzt und gesagt: "Entweder das Album kommt raus oder wir kommen etwas später zurück."

Ist das Label "Ostrock" heutzutage ein Makel?

Nach der Wiedervereinigung ging es in den Medien viel um die sogenannte Ostalgie. Oft negativ, nach dem Motto "Aus dem Osten kommt nichts Gutes". Wir selbst haben im Radio kaum stattgefunden. Es wurde immer so dargestellt: Wie kommen die undankbaren Ossis nur darauf, sich an ihrer Biografie festzuklammern? Mir wäre das nie in den Sinn gekommen, einem Westbürger derartige Fragen zu stellen oder jemanden unter Generalverdacht zu stellen. Biografie ist Biografie. Wir haben im Osten gelebt und gewirkt. Das war ein schmerzlicher Prozess. Irgendwann haben wir gesagt: "Unser Publikum braucht uns." Und auch wenn wir nur lokal begrenzt wirken, geben wir all unsere Liebe in die Musik.

Verwendete Quellen
  • Gespräch mit Georgi Gogow in Leipzig
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