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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Anklage erweitert Priester soll 118 Mal missbraucht haben
Im Prozess um den Priester Hans U. wiegt die Anklage noch schwerer als ohnehin. Ursprünglich ging die Staatsanwaltschaft von 33 Taten des Missbrauchs aus. Inzwischen ist es ein Vielfaches mehr.
Vor dem Kölner Landgericht wurde das Verfahren gegen einen katholischen Priester fortgesetzt, der mindestens neun Mädchen missbraucht haben soll.
Einige mutmaßliche Opfer outeten sich erst während des laufenden Verfahrens. Die Anklage wurde jetzt erweitert – um ein Vielfaches der ursprünglich benannten Fälle.
Ging die Staatsanwaltschaft in ihrer ursprünglichen Anklage von 33 Taten aus, sind es inzwischen 85 mehr. Während des laufenden Verfahrens hatten sich weitere Zeugen mit belastenden Aussagen zu Wort gemeldet.
Köln: Priester soll neun Jugendliche und Kinder missbraucht haben
In Summe sind das 118 Fälle von sexuellem Missbrauch, den der Geistliche begangen haben soll. Der Kreis seiner mutmaßlichen Opfer ist von vier auf jetzt neun Frauen erweitert.
In 15 Fällen geht die Anklage vom Missbrauch von Jugendlichen aus, in 70 Fällen handelt es sich um den Missbrauch von Kindern, davon 21 schwere Fälle. Teilweise sollen die Mädchen erst neun oder zehn Jahre alt gewesen sein.
Die neuen Vorwürfe gehen teilweise noch weiter als jene, mit denen der Prozess begonnen hatte. Dabei war die Auflistung der Anschuldigungen ohnehin lang und vielfältig. Sie reichen bis hin zu schwerem sexuellen Missbrauch.
Prozess schon seit November
Vor der zweiten Großen Strafkammer verlas die Staatsanwaltschaft am Mittwoch die Nachtragsanklage gegen den 70-jährigen Priester, der seit November 2021 in Köln wegen Kindesmissbrauchs angeklagt ist.
Der Priester, für den die Richter im laufenden Verfahren wegen der Gefahr von Wiederholungstaten Untersuchungshaft angeordnet hatten, wurde in Handschellen über den Gerichtssaal bis zum Verhandlungszimmer geführt.
Die Kapuze seiner leuchtend roten Jacke hatte er tief ins Gesicht gezogen, als er den Saal betrat. Den Anwesenden drehte er den Rücken zu, bis die Richter ihre Plätze einnahmen und die Verhandlung begann.
"Therapievereinbarung" mit langjährigem Opfer
Während der Verlesung der Nachtragsanklage zeigte sein Gesicht, wie auch schon an früheren Verhandlungstagen, keinerlei Regung.
Einige der mutmaßlichen Opfer sind Töchter von ehemals engen Freunden des Priesters.
Mit den Eltern eines Mädchens soll er eine "schriftliche Therapievereinbarung" geschlossen haben, die besagte, dass das Kind einmal monatlich bei ihm übernachten müsse – angeblich, um ihren Jähzorn zu behandeln.
Laut Staatsanwaltschaft kam es zwischen 2012 und 2018 bei den Übernachtungen, aber auch im Elternhaus des Mädchens zu massiven Missbrauchsfällen.
Kontakt zu sozial schwachen Kindern ausgenutzt
Auch die Nähe zu einer Jugendhilfeeinrichtung, neben der er zeitweise lebte, soll der Geistliche ausgenutzt haben. Einer der Fälle, die der Staatsanwalt nun anklagt, bezieht sich auf die Tochter einer alkoholkranken Mutter.
Der Priester soll zu dem damals neunjährigen Mädchen ein Vertrauensverhältnis aufgebaut und sie dann mehrfach in seinem Wohnhaus missbraucht haben.
- Beobachtungen vor Ort