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Massen-Outing in der Kirche: "Es ist kein Widerspruch katholisch und queer zu sein"


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Massen-Outing in der Kirche
"Das System Ratzinger bricht in diesen Tagen endgültig zusammen"


24.01.2022Lesedauer: 4 Min.
Vanessa Palten (l.), Michael Brinkschröder (m.), Bernd Mönkebüscher (r.): Sie haben an dem Massen-Outing innerhalb der katholischen Kirche teilgenommen.Vergrößern des Bildes
Vanessa Palten (l.), Michael Brinkschröder (m.), Bernd Mönkebüscher (r.): Sie haben an dem Massen-Outing innerhalb der katholischen Kirche teilgenommen. (Quelle: Grafik (t-online), Fotos (privat))
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Mit der Aktion "Out in Church" haben sich 125 Mitarbeitende der katholischen Kirche als queer geoutet. t-online hat drei von ihnen gefragt, weshalb es für sie der richtige Schritt war – und was sie sich von ihrer Kirche erhoffen.

Vanessa Palten aus Köln ist ehrenamtlich in der katholischen Kirche tätig – und mit einer Frau zusammen. Sie ist eine von insgesamt 125 Mitarbeitenden, die sich in einer gemeinsamen Aktion als queer geoutet haben.

Queer bezeichnen sich nicht-heterosexuelle Menschen beziehungsweise Menschen, die sich nicht mit dem traditionellen Rollenbild von Mann und Frau oder anderen gesellschaftlichen Normen rund um Geschlecht und Sexualität identifizieren. Mit der Aktion wollen sie ein Ende der Diskriminierung in der Kirche erreichen.

"Die Hauptproblematik war meine Sexualität"

Paltens Bisexualität ist mit der Kirche nicht konform. Diese Erfahrung hat sie bereits deutlich erfahren müssen. In der Vergangenheit litt die 24-Jährige an Depressionen und hatte nach einem Suizidversuch starke Probleme mit ihrem Glauben. In einer katholischen psychiatrischen Einrichtung suchte sie deshalb das Gespräch mit einem Seelsorger.

"In diesem Gespräch wurde leider nicht wie von mir erhofft viel darüber gesprochen, wie ich mit meiner Suizidalität in Kombination mit Gott umgehen kann. Die Hauptproblematik war dort meine Sexualität", sagt sie im Gespräch mit t-online. "Es wurde mir klargemacht, dass ich erst wieder einen Platz in der Kirche habe, wenn ich diese Sexualität bereinige."

Ein Problem, dem viele Mitarbeitende der katholischen Kirche ausgesetzt sind. Nicht selten wird Menschen, die offen mit ihrer Sexualität umgehen, der Job in der Kirche gekündigt. Deshalb fordert die Initiative nun eine gemeinschaftliche Änderung des kirchlichen Arbeitsrechts, sodass die sexuelle Orientierung und die geschlechtliche Identität künftig kein Kündigungsgrund mehr sind.

Für Palten ist das direkt zwar kein Problem, da sie als Ehrenamtliche keinen Arbeitsvertrag mit der Kirche hat. Aber dennoch beschäftigt sie das Thema: "Meine Partnerin ist katholische Grundschullehrerin. Wenn wir das beide offen leben würden, würde ihr die Lehrererlaubnis für den Religionsunterricht entzogen." Daher habe sie sich noch nicht geoutet.

Das Gespräch mit dem Seelsorger verunsicherte die 24-Jährige trotzdem. Sie blieb anschließend noch lange Zeit in der Klinik. "Und im Anschluss habe ich mehrere Monate gebraucht, bis ich das Gefühl hatte, wieder in die Kirche gehen zu können."

"Es gibt viele tolle Menschen in der Kirche"

Ihr Arbeitsalltag habe ihr in dieser Zeit geholfen. Sie arbeitet im Vorstand eines katholischen Kinder- und Jugendverbandes (KJG). "Die Arbeit hat mir mit all den anderen Facetten – die ein bisschen abseits der Amtskirche passieren – geholfen. Es gibt so viele unglaublich tolle Menschen in der Kirche." Menschen, die nicht in die veraltete Norm passen und unter anderem queer sind.

Das weiß auch Michael Brinkschröder. Er ist homosexuell, katholischer Religionslehrer an einer Berufsschule in München und ebenfalls an der Aktion beteiligt. "Viele treten aus, weil ihnen die Reformen viel zu langsam gehen", sagt er.

Es gibt aber auch die andere Seite. Viele würden auch austreten, "weil sie an der traditionellen Kirche mit ihrer Ausgrenzung von Frauen und LGBTIQ+-Personen festhalten wollen." Seiner Aussage nach habe die Kirche viele Jahrhunderte lang die Ängste der Menschen vor der Hölle und vor Sündenstrafen angeheizt und vielen Menschen so "ein schlechtes Gewissen gemacht".

In die Zukunft sieht er aber durchaus positiv: "'Out in Church'" ist ein starkes Signal, dass die Zeit der Angst definitiv vorbei ist. Das System Ratzinger, das diese Angst geschürt und ausgenutzt hat, bricht in diesen Tagen endgültig zusammen."

"Hörbar und sichtbar werden"

Worte, die den Teilnehmenden sicherlich Mut machen. Jens Ehebrecht-Zumsande, Initiator der Aktion und Referent im Generalvikariat des Erzbistums Hamburg, äußerte sich ähnlich: "Diejenigen, um die es geht, werden in der Kirche hörbar und sichtbar." Und dennoch: Einige der Priester, Ordensbrüder oder Gemeindereferentinnen aus der Dokumentation der ARD outen sich zwar – allerdings ohne ihre komplette Identität preiszugeben.

Auf Anfrage von t-online sagt der homosexuelle Pfarrer Bernd Mönkebüscher aus Hamm dazu: "Menschen schämen sich immer noch dafür, dass sie homosexuell sind. Und die Kirche nutzt mitunter das Wissen darüber und hat Menschen in der Hand. Diese wiederum geben sich dann im Alltag besonders viel Mühe, möglichst gut zu funktionieren oder loyal zu sein."

Hinzu komme, dass die Kirche dazu neige, "Themen dermaßen in die Länge zu ziehen oder totzuschweigen, bis das Interesse daran schwindet." Das solle nun beendet werden: "Das nehmen wir nicht länger hin. Jetzt müssen Taten folgen, keine Absichten."

Ein Entschluss, den Palten für sich bereits vor einiger Zeit gefasst hat. Mit der KJG gebe sie dem Thema bereits Raum und positioniert sich ganz offen zur LGBTIQ+-Community. "Aber wir haben in diesem Rahmen auch schon oft Dämpfer bekommen. Uns wurde gesagt, dass wir uns nicht so offen positionieren dürfen als katholischer Jugendverband." Doch aufgeben werde sie nicht. Da wird sicherlich auch die Aktion "Out in Church" helfen.

Aus ihrer Sicht ist es kein Widerspruch katholisch und gleichzeitig queer zu sein. Und: Sie hofft durch die jetzige mediale Aufmerksamkeit der Aktion nicht nur auf eine Neuausrichtung und Öffnung der katholischen Kirche. "Ich hoffe, dass es Menschen gibt, die der katholischen Kirche noch eine Chance geben und ein bisschen mehr sehen als das, was zurzeit in den Nachrichten kommt."

Die Dokumentation "Wie Gott uns schuf" ist in der ARD Mediathek zu sehen. Darin treten einige Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Initiative erstmals vor die Kamera. Sie berichten von einem oft jahrelangen Versteckspiel und der Angst vor dem Outing.

Verwendete Quellen
  • Gespräch mit Vanessa Palten
  • Anfrage an Michael Brinkschröder
  • Anfrage an Bernd Mönkebüscher
  • Videos zu "Wie Gott uns schuf" in der ARD-Mediathek
  • Aktion "#OutInCurch": Mitteilung vom 24. Januar 2021
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