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Köln: 39-Jähriger soll Bruder überfahren haben – versuchter Totschlag?


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Familienstreit wegen Tattoos
Versuchter Totschlag unter Brüdern?


10.08.2021Lesedauer: 4 Min.
Der Angeklagte mit seiner Verteidigerin Pantea Farahzadi: Wegen versuchten Totschlags steht der 39-Jährige vor Gericht.Vergrößern des Bildes
Der Angeklagte mit seiner Verteidigerin Pantea Farahzadi: Wegen versuchten Totschlags steht der 39-Jährige vor Gericht. (Quelle: Johanna Tüntsch)
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Er soll seinen Bruder gezielt mit dem Auto überfahren und dabei schwer verletzt haben: Dafür steht ein 39-Jähriger in Köln vor Gericht. In der Familie soll es zuvor Streit gegeben haben – um die Tattoos des Angeklagten.

Beim Anblick des großen, breitschultrigen Mannes fallen die ausladenden Tattoos, die sich über Kopf und Hals erstrecken, sofort auf. "Ich könnte niemals vorsätzlich einen Menschen überfahren, geschweige denn meinen eigenen Bruder", ließ er über seine Verteidigerin Pantea Farahzadi verlesen.

Und doch wirft ihm die Staatsanwaltschaft genau das vor: Der 39-Jährige steht wegen versuchten Totschlags, gefährlicher Körperverletzung und gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr vor dem Kölner Landgericht. Seine Tattoos spielen dabei eine nicht unwesentliche Rolle.

Bruder über die Leitplanke geschleudert

Im Dezember vergangenen Jahres sei der Angeklagte erst zur Adresse von einem seiner Brüder in Radevormwald (Oberbergischer Kreis) gefahren, dann habe er das Haus eines anderen Bruders angesteuert. In beiden Fällen soll er vom Auto aus Beleidigungen gerufen haben, dann aber weggefahren sein. Einer der Brüder setzte sich daraufhin jedoch selbst ins Auto und nahm die Verfolgung auf.

Nachdem der Angeklagte sein Auto in einiger Entfernung angehalten hatte, stieg der Bruder – so beschreibt es die Staatsanwaltschaft – aus seinem Wagen aus und klopfte an das Autofenster des Angeklagten, um ein Gespräch zu suchen. Dieser soll daraufhin gezielt den stehenden Mann umgefahren haben, wodurch er Knochenbrüche an Schädel, Jochbein, im Bereich der Augenhöhle, außerdem an Rippen und Wirbeln erlitt. "Er wurde mehrere Meter weit bis hinter die Leitplanke geschleudert", so die Staatsanwältin.

Derweil kam auch der Angeklagte nicht unbeschadet davon: Er landete mit seinem Wagen in einem Flussbett. "Die Situation war ziemlich chaotisch. Wir mussten ihn erst mal bergen", schilderte im Zeugenstand eine 25-jährige Polizeibeamtin. Gesprochen hätten sie und ihre Kollegen zunächst mit jenem Unfallbeteiligten, der im Grünstreifen gesessen habe – dem Bruder des Angeklagten, der jedoch innerhalb kurzer Zeit vom Rettungsdienst in ein Krankenhaus gebracht wurde.

Erst später habe sie auch kurz mit dem Angeklagten sprechen können, der dann aber ebenfalls in eine Klinik gebracht wurde. "Von ihm ging Alkoholgeruch aus", erinnerte sich die Polizistin noch: "Wir wollten eine Blutprobe entnehmen."

Wegen Einsamkeit im Lockdown getrunken

"Alkohol spielt in seinem Leben eine wichtige, eine negative Rolle", berichtete Psychiaterin Dr. Konstanze Jankowski, die den Mann vor Prozessbeginn begutachtet hatte. Entgiftungen, eine Phase bei den Anonymen Alkoholikern und ein Suizidversuch lägen bereits hinter dem 39-Jährigen. "Im Lockdown hat er versucht, weniger zu trinken, hat es dann aber wohl doch getan – wegen der Einsamkeit", so die Sachverständige.

Der Angeklagte gab an, dass er erst am Tag nach der Tat erfahren habe, dass er einen Menschen verletzt habe – und noch später, dass es sich dabei um seinen eigenen Bruder gehandelt habe. Gezielt habe er das keineswegs getan: "Ich wollte eigentlich nur rumfahren und Musik hören."

Dabei habe er über ein Telefonat mit seinem Vater nachgedacht: "Er hat mir gesagt, ich sei eine Enttäuschung." Hintergrund des Streites seien unter anderem die Tätowierungen gewesen, in denen der Vater satanistische Bilder vermutet und deren Entfernung er verlangt habe.

Tattoos waren Streit-Thema in Familie

Auch der Gutachterin hatte er darüber sein Leid geklagt. Sie skizzierte das Bild eines Einzelgängers, der sich unverstanden fühlt: "Er sagt, seine Familie wolle nur das Beste für ihn, aber sei eben anders." Ohne Ausbildung, habe er immer wieder wechselnde Minijobs gehabt, sei teils ohne reguläre Wohnung gewesen, mit der Zeit auch spielsüchtig geworden.

Und zu alledem die zahlreichen Tätowierungen: "Seine Familie versteht die Tattoos grundsätzlich nicht, sie versteht nicht ihren Aussagegehalt. Aber er freut sich an den Tattoos. Er sagt, mit Satanismus hat das nichts zu tun."

Über seine Anwältin ließ der Angeklagte versichern: "Ich habe die ehrliche Absicht, die Sache aufzuklären. Ich möchte meine Fehler weder kleinreden noch beschönigen." Er könne sich nur bruchstückhaft an das Geschehen erinnern. Manches sei ihm erst wieder eingefallen, nachdem es ihm bei Befragungen vorgehalten worden war. "Ich habe an jenem Tag viel Alkohol getrunken, etwa zehn bis zwölf Dosen Whisky und mittags schon eine Flasche Wodka", schilderte er.

Gegessen habe er kaum, außerdem tagelang wenig geschlafen. In diesem Zustand habe er wahrgenommen, dass er verfolgt wurde, habe aber geglaubt, dass es sich dabei um die Polizei handelte.

"Ich kann nicht unterscheiden, was stimmt"

Deswegen habe er schließlich auch angehalten, habe nach den Fahrzeugpapieren gesucht und gewartet. Das Klopfen an die Scheibe soll er dann so wahrgenommen haben: "Eine Person, die ich nur in Umrissen wahrgenommen habe, hämmerte mit einer Waffe an die Scheibe des Autos." Sofort sei er in Todesangst gewesen, habe auf das Gas gedrückt und dabei – in der Angst vor Schüssen – den Kopf eingezogen.

"Ich erinnere einen Knall, und wie ich im Wasser wieder wach wurde, als ich aus dem Auto geborgen wurde." In einigen Bildern, die er im Kopf habe, sei die Waffe auch abgefeuert worden. "Ich kann aber nicht unterscheiden, was davon stimmt", räumte er ein.

Für das Verfahren sind acht Verhandlungstage angesetzt. Ein Urteil wird für den 30. August erwartet.

Verwendete Quellen
  • Teilnahme am Gerichtsverfahren
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