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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Hilfsaktion für Tiere Frau rettet Pferde aus Fluten: "Macht, dass ihr wegkommt!"
Zahlreiche Pferde drohten in den Hochwasserfluten im Rheinland zu ertrinken. Eine Kölnerin berichtet über ihre gefährliche Rettungsaktion während die Pegelstände immer weiter stiegen.
"Ich saß abends zu Hause und hatte Feierabend", erinnert sich Sandra Bischoff an den Mittwoch vergangener Woche. Es regnete zwar, durchaus stark, aber sie dachte sich nicht viel dabei. Dann kamen die ersten Anrufe, vor allem aus dem Rhein-Erft-Kreis: "Hilfe, wir gehen unter!" Gemeint waren nicht nur Menschen, sondern auch Tiere: Pferde, die nicht einfach zu transportieren sind. Dutzende standen auf verschiedenen Höfen, die drohten, überschwemmt zu werden.
Jede Minute zählte. Über Telefon und soziale Netzwerke trommelte Sandra Bischoff Helferinnen und Helfer zusammen, kümmerte sich um Autos und Transport-Anhänger, organisierte trockene Stellplätze für die Pferde. "Als wir mitten in der Nacht im Erfttal ankamen, war es nicht nur dunkel, es regnete in Strömen und das Navigationsgerät schickte uns immer wieder auf unpassierbare Straßen", erinnert sich Sandra Bischoff.
Tiere waren traumatisiert
Auf den Höfen sah sie mit ihren Unterstützern dann dramatische Bilder. Das Wasser stand schon bis zu den Kniescheiben, Blaulichter blinkten durch die dunkle Nacht. Von eben regnete es, von unten strömten immer größere Wassermengen herbei. "Ich habe in der Situation einfach nur noch funktioniert", erinnert sich Sandra Bischoff.
Dutzende Pferde wurden aus den Ställen geholt. Mitten in der Nacht so viele Menschen zu sehen, selbst im Wasser zu stehen – das traumatisierte viele der Tiere. Manche, die sich traditionell nicht miteinander vertragen, versuchten sich gegenseitig zu tragen. Und das Kölner Helfer-Team bemühte sich unter Zeitdruck, die Pferde in den Transport-Anhänger zu treiben.
Improvisiert wurden mit Mobiltelefonen Fotos gemacht und Namen aufgeschrieben, um die Pferde später auch wieder den Besitzern zuordnen zu können. Dann ging es auf die stundenlange, beschwerliche Reise raus aus dem Überschwemmungsgebiet. Die Fluten stiegen immer weiter an, und die Kölnerin Sandra Bischoff wusste zeitweise nicht, wie sie den gefährlichen Fluten entkommen sollte. "Mama, fahr hier weg", rief ihre Tochter, die zum Helfen mitgekommen war, vom Beifahrersitz.
Gespanne sind schwierig zu steuern
Auch die Feuerwehr schickte die Pferde-Retterin zuweilen weg, erinnert sie sich. "Ihr müsst hier dringend weg, sagte ein Beamter: Gleich kommt hier eine Flutwelle." Mit einem Anhänger, in dem ein schweres Pferd transportiert wird, kann man aber gar nicht so einfach wenden.
Für solche Gespanne braucht man sogar einen speziellen Führerschein, weil sie auch ohne Hochwasser äußerst schwierig zu steuern sind. Im nächtlichen Katastrophengebiet spitzte sich die Situation dann immer weiter zu.
"Wir sind mehrmals mit dem Auto fast in den Bach gefahren", erzählt Sandra Bischoff. Das Wasser kam gefühlt von allen Seiten, immer höher und mit immer mehr Strömung. Die Wege, die noch passierbar waren, lösten sich langsam auf, wurden zu Matsch, boten kaum noch Halt.
Plötzlich sah Sandra Bischoff im Scheinwerferlicht ihres Autos besonders reißende Wassermengen. Sie erschreckte sich, als ein Feuerwehrmann an ihre Scheibe klopfte: "Macht, dass ihr wegkommt! Da ist einer ins Wasser gefallen, wir müssen da hin, um ihm das Leben zu retten."
Nach Kräften versuchten die Kölner Helfer zu rangieren und schnell den gefährlichen Ort wieder freizugeben. Dabei hatten durchaus auch selbst Angst, gibt Sandra Bischoff zu: "Wenn man sich jetzt überlegt, wohin wir uns da auf den Weg gemacht haben… Ich weiß nicht, ob wir losgefahren wären, wenn wir das alles vorher gewusst hätten."
Verschreckte Pferde werden ausgeführt
Trotzdem ist sie einfach nur glücklich, als sie auf dem Gelände des Voltigiervereins Köln-Dünnwald steht und Lanti streichelt. Das Pferd hält den Kopf genüssliche hin, fletscht die Zähne – es sieht aus, als wolle es mitlachen mit seiner Retterin.
Ruth Jahn, die die Hilfsaktion tatkräftig unterstützt hat, kümmert sich vor Ort um die Tiere: "Wir haben die Menschen, die bei uns Reitbeteiligungen haben, angerufen. Die sind sofort gekommen und führen die verschreckten Pferde auch aus. Dann müssen sie nicht die ganze Zeit im Stall stehen."
Auch Ställe in anderen Kölner Stadtteilen oder in Leverkusen haben Gast-Pferde aus dem Katastrophengebiet aufgenommen. "Die Hilfsbereitschaft war gigantisch", beschreibt Sandra Bischoff: "Die Pferde-Netzwerke im Rheinland haben in einer Notsituation spektakulär funktioniert." Wäre das nicht so gewesen, wären wohl etliche der Pferde in den Hochwasserfluten ertrunken.
- Gespräch mit Sandra Bischoff