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Köln: Pfleger soll Patienten erwürgt haben – aus Überforderung?


79-Jähriger tot aufgefunden
Pfleger soll randalierenden Patienten erwürgt haben

Von dpa, jot

Aktualisiert am 22.06.2021Lesedauer: 3 Min.
Rechtsanwalt Goetze (Mitte) wartet bei Prozessbeginn auf den Angeklagten: Der Krankenpfleger soll während eines Nachtdienstes einen schwer dementen Patienten getötet haben.Vergrößern des Bildes
Rechtsanwalt Goetze (Mitte) wartet bei Prozessbeginn auf den Angeklagten: Der Krankenpfleger soll während eines Nachtdienstes einen schwer dementen Patienten getötet haben. (Quelle: Roberto Pfeil/dpa)

In Köln steht ein

Ein 47 Jahre alter Krankenpfleger steht seit Dienstag in Köln vor Gericht, weil er einen demenzkranken Patienten erwürgt haben soll. Dem Deutschen wird Totschlag zur Last gelegt. Der Mann soll den 79-Jährigen im April 2019 im Krankenhaus Wermelskirchen im Bergischen Land "vorsätzlich und ohne rechtfertigenden Grund" getötet haben.

Laut Staatsanwaltschaft hatte der alte Mann in der Nacht wiederholt in verwirrtem Zustand sein Bett verlassen und war über die Station geirrt. Er habe sich jedes Mal nur unter Protest von dem Krankenpfleger zurück auf sein Zimmer bringen lassen. Dort soll der Patient unter anderem auf den Boden uriniert und randaliert haben. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass der Angeklagte die Tat vermutlich aus Überforderung begangen habe. Laut Anklageschrift soll der 47-Jährige den Nachtdienst als einziger Krankenpfleger versehen haben und für rund 30 Patienten zuständig gewesen sein.

Angeklagter versteckte sich im Zuschauerraum

Bevor es am Montag vor dem Landgericht zur Verlesung der Anklage kam, warteten Fotografen und Filmteams zunächst erfolglos, um Aufnahmen von dem Beschuldigten machen zu können. Erst als die Kammer die Richterbank betreten und die Foto- und TV-Journalisten aufgefordert hatte, den Saal zu verlassen, erhob sich in der letzten Reihe des Zuschauerbereichs auf das Handzeichen eines Verteidigers ein Mann, der wenige Sekunden später auf der Anklagebank Platz nahm.

Der Angeklagte schwieg zu den Tatvorwürfen. Sein Verteidiger Martin Wilke erklärte zunächst, es käme "im Kern einer unzulässigen Verlesung der Ermittlungsergebnisse gleich", den Polizist, der seinen Mandanten verhört hatte, als ersten Zeugen zu vernehmen. Er beantragte, den Zeugen erst zu einem späteren Zeitpunkt des Verfahrens aussagen zu lassen. Doch die Richter der 11. Großen Strafkammer entschieden, den Zeugen schon am ersten Prozesstag zu vernehmen.

Polizist hält Aussage des Angeklagten für glaubwürdig

Belastend für den Angeklagten waren die Beobachtungen des Polizisten jedoch nicht. "Ich bin eigentlich aus dieser Vernehmung gegangen und habe nicht den Eindruck gehabt, dass er es gewesen ist", so der Ermittler. Dann schob er nach: "Man muss sich allerdings fragen, wer es dann gewesen ist." Gesprochen habe er mit dem Angeklagten etwa eine Woche nachdem der Tod des 79-Jährigen festgestellt worden war. "Die Ermittlungskommission wurde eingerichtet, nachdem durch die Rechtsmedizin bekannt wurde, dass der Patient mutmaßlich durch ein Tötungsdelikt gestorben ist", berichtete der Zeuge.

"Eine grausame Nacht"

Sein Kollege und er hätten den Pfleger mit dem Verdacht konfrontiert, dass er aufgrund von Überlastung den Tod des alten Mannes verschuldet habe. "Da brach er zusammen und sagte: Das könne nicht sein." Trotz der Vorwürfe, die zu diesem Zeitpunkt schon im Raum standen, habe der Pfleger sich zu einer Vernehmung ohne Rechtsanwalt entschlossen. "Er hat die Nacht als grausam bezeichnet", so der Ermittler. Gegen 21 Uhr habe der Pfleger den Demenzpatienten aufgenommen, der auf Sauerstoffversorgung angewiesen war, diese aber abgelehnt haben soll.

Den Schilderungen nach gab es mehrere Zwischenfälle: Demnach irrte der Patient mit einer Bettdecke über den Flur, verwüstete sein Zimmer und verrichtete dort seine Notdurft auf dem Boden. Gegen 23 Uhr soll noch ein weiterer Demenzpatient hinzugekommen sein.

Vor dem Zeugen soll der Angeklagte aber gesagt haben, trotz allem nicht die Nerven verloren zu haben. "Er meinte auch, Kollegen würden ihm oft sagen, wie gut er ruhig bleiben könne." Das decke sich auch mit weiteren Befragungen, in denen der Zeuge von Dritten als freundlich und kompetent charakterisiert wurde. Nur eine Person habe gesagt, dass er auch autoritär sein könne.

Station war wohl offen und nicht ganz einsehbar

In den frühen Morgenstunden soll der Angeklagte den 79-Jährigen tot im Bett gefunden haben, so hatte es der polizeiliche Ermittler erfahren. Im weiteren Verlauf des Verfahrens wurden unter anderem Fotos angesehen, die die Situation auf dem Krankenhausflur zeigten. Es soll Bereiche geben, die der Pfleger von seinem Dienstzimmer aus nicht einsehen konnte. Gleichzeitig sei die Station durchgehend geöffnet gewesen, soll der Angeklagte bei seiner Vernehmung gesagt haben. Im Prinzip hätte sie demnach jeder betreten können.

Wie geht es in dem Prozess weiter?

Die Ermittlungen seien aufgenommen worden, nachdem die Obduktion des Leichnams eine unnatürliche Todesursache ergeben habe. Weitere Anzeichen für ein Verbrechen hätten nicht vorgelegen, erklärte der Zeuge weiter.

Die Richtigkeit des Kölner Gutachtens zieht die Verteidigung des 47-Jährigen in Zweifel. Dabei beruft sie sich auf ein Gegengutachten eines Rechtsmediziners aus Hamburg, der ebenfalls an dem Prozess teilnimmt. Ein Urteil ist in dem Prozess für den 17. Juli angesetzt.

Verwendete Quellen
  • Beobachtungen im Gericht
  • Mit Material der Nachrichtenagentur dpa
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