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Kölner Kunstprojekt: "Jeder hat sein persönliches Paradies"


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Gespräch über Sehnsucht
"Alltägliches wie Nähe oder ein Händedruck fehlen"

InterviewVon Thomas Dahl

26.04.2021Lesedauer: 4 Min.
"Wo ist das Paradies": Diese Skulptur stammt von Raz Khaffaf.Vergrößern des Bildes
"Wo ist das Paradies": Diese Skulptur stammt von Raz Khaffaf. (Quelle: Raz Khaffaf)
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Viele Dinge, die vor der Corona-Pandemie alltäglich waren, sind derzeit nicht möglich. Ein Kunstprojekt in Köln greift die Sehnsucht nach dem persönlichen Paradies auf.

Das Paradies als ein Ort des Glücks, der Schönheit und Zufriedenheit – mit diesem Verständnis begeben sich die Kölner Künstlerin und Kuratorin Christiane Rath sowie Literaturwissenschaftler Roberto Di Bella auf neue Wege, diesem Ort ein Gesicht zu geben. In einem blühenden Hinterhof in Köln-Sülz traf t-online die Initiatoren zum Interview über Himmel und Hölle, was uns Menschen in diesen Zeiten fehlt und wie Corona die Bedeutung des Projekts verändert hat.

t-online: Können Sie sich in Bezug auf Ungerechtigkeit und Leid einen schlimmeren Ort vorstellen als unseren Planeten? Falls ja, leben wir dann nicht bereits in einem Paradies oder bleibt die Vorstellung utopisch?

Christiane Rath: Es bleibt auf ewig utopisch und eine Projektion der Hoffnung.

Roberto Di Bella: Wir hatten uns bewusst nicht auf ein singuläres Paradies bezogen, sondern ganz vielfältig gedacht. Für manche ist es eher religiös, für andere ist es eine Erinnerung an die Kindheit. Wir möchten von dem mystisch Überhöhten weg und jedem Einzelnen die Möglichkeit geben, sein eigenes Paradies zu finden.

Aber leben wir nicht bereits mitten in diesem Zustand, wenn auch nicht permanent?

Di Bella: Wir sind in einer Situation, in der vieles, was vor einigen Jahren noch ganz alltäglich war, in weite Ferne gerückt ist, zum Beispiel Freundschaft, Nähe oder ein Händedruck. Eigentlich sind das die Dinge, die uns zum wahren Paradies fehlen.

Der Gegenpol im Christlichen wie in anderen Kulturen ist die Hölle. Gibt es nicht auch dort Flecken paradiesischer Zustände?

Di Bella: Ganz bestimmt. Ich habe den Dante ("Die göttliche Komödie", Anm. d. Redaktion) nicht zu Ende gelesen. Bis zum Kapitel über das Paradies bin ich dort nicht gekommen. Ich fand die Hölle immer spannender. Sartre hat gesagt, "Die Hölle, das sind die anderen".

Wie lautet denn Ihr persönliches Gleichnis für das Paradies?

Rath: Fast jeder hat darauf eine Antwort. Meine eigene Vorstellung wäre ein Zustand, in dem ich keine Angst, keine Schmerzen und keinen Hunger, kurz: keine Entbehrungen hätte. Das kann ich im Diesseits schon erleben, weil ich auf der guten Seite der Welt geboren bin. Auch jetzt hier in diesem Garten zu sitzen, ohne dass etwas aus dem Himmel auf uns herunterstürzt, dafür bin ich dankbar. Wir kommen in diesem Land dem Paradies sehr nahe, weil es fließendes, sauberes Wasser, einen Zugang zur Bildung, medizinische Versorgung und Schutz vor Übergriffen gibt.

Di Bella: Ich weiß nicht, ob man so über das Paradies nachdenkt. Es wird einem manchmal erst bewusst, wenn es die anderen gibt, die genau diese Voraussetzungen nicht haben. Über die Luft, die mir fehlt, denke ich vielleicht erst nach, wenn sie knapp wird, so auch über die Freiheit.

Menschen haben verschiedene Sehnsüchte, das zeigt auch das Projekt. Was vereint die Menschen denn, außer der Tod, der keine Unterschiede zwischen Bankkonto oder Ideologien macht?

Rath: Das ist eine Frage, die zu groß für diesen Hinterhof ist.

Gibt es bei den zahlreichen Projektteilnehmenden nicht einen gemeinsamen Nenner, oder sind die Arbeiten alle komplett verschieden?

Rath: Ein gemeinsamer Nenner wäre die positive Besetzung der Begrifflichkeit. Die Vorstellung eines Gartens, eines Baumes oder von Früchten spiegelte sich in vielen Arbeiten wider. Die Antworten auf unsere Fragen an die Künstlerinnen und Künstler war fast immer mit Glücksmomenten verbunden, beispielsweise mit Szenen aus einer behüteten Kindheit.

Di Bella: Ich möchte das für die literarischen Beiträge relativieren. Dort schwang oftmals Skepsis mit. Das Paradies ist keine sichere Bank. Pilar Baumeister ist eine blinde Autorin, die sagt: "Mein Paradies ist das Jetzt!". Das ist aber auch bedroht durch alle möglichen Entwicklungen. Lütfiye Güzel hat einen sehr melancholischen Text über den Tod ihres Bruders geschrieben. Dazu hat sie unter dem Titel "& das Gegenteil von Glück" ein Video gedreht, das komplett entgegengesetzt zu sein scheint.

Sind weitere Einreichungen zur Veröffentlichung möglich?
Rath: Jeder auf dieser Welt kann Beiträge in das Forum stellen. Das geht über E-Mail an mich.

Der ursprüngliche Ausstellungstermin lag im Mai 2020. Mittlerweile wurde er mehrmals verschoben. Inwiefern hat der Ausbruch der Corona-Pandemie das Projekt beeinflusst?

Di Bella: Für uns hat der Begriff "Paradiese" noch einmal eine andere Bedeutung bekommen. Was ist denn eigentlich paradiesisch, wenn man darüber nachdenkt, was jetzt nicht möglich ist?

Was haben Sie aus der Arbeit am Projekt persönlich gelernt?

Rath: Ich habe einige Erfahrungen gemacht, die ohne diese Pandemie nicht zustande gekommen wären, beispielsweise viele freundliche, sensible und dankbare Briefe. Im Zuge einer Ausstellungsorganisation habe ich selten so viel Wärme empfunden. Die Leute sind sehr verständnisvoll, weil wir alle das gleiche Schicksal teilen.

"Paradiese"
Vom 11. bis 26. Juni (unter Vorbehalt) zeigen 17 bildende Künstlerinnen und Künstler sowie 19 Autorinnen und Autoren ihre Werke (Zeichnungen, Skulpturen, Videos, Gedichte, Kurzgeschichten) in der Kunsthalle Lindenthal, Aachener Str. 220, 50931 Köln. Die Ausstellung wird durch die Stadt Köln gefördert.

Verwendete Quellen
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