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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Prozess in Köln Mann soll Mitbewohner niedergestochen haben
In Köln steht ein Mann vor Gericht, der seinen Mitbewohner mit 17 Messerstichen verletzt haben soll. Der Prozess startete mit einer Verzögerung – der Angeklagte hatte ein Problem mit seinem Anwalt.
Mit Unstimmigkeiten zwischen dem Angeklagten und seinem Verteidiger begann vor dem Kölner Landgericht ein Verfahren wegen versuchten Mordes. Der 36-jährige Angeklagte hatte beantragt, dass sein Rechtsanwalt gegen einen anderen ausgetauscht wird.
"Was werfen Sie ihm vor?", wollte der Vorsitzende Richter, Peter Koerfers, vom Angeklagten wissen. "Nichts", antwortete dieser zunächst, schilderte aber dann sein Unbehagen: Dabei ging es offenbar um die Frage nach Dingen aus seinem privaten Besitz, deren Verbleib nach seiner Inhaftierung für ihn zunächst unklar war. Der Anwalt habe, wie er sagte, ihm mitgeteilt, dass die Polizei diese beschlagnahmt habe. Verwandten hätten ihm dann aber gesagt, dass sie die fraglichen Gegenstände, darunter ein Keyboard, Kleidung und andere Privatsachen, für ihn verwahren würden.
Antrag gegen Verteidiger lief ins Leere
"Mein Pflichtverteidiger sagt etwas, das gar nicht stimmt. Wie soll ich mich damit fühlen, dass so jemand mich verteidigt?", fragte der Angeklagte den Vorsitzenden. Dieser berief daraufhin zwar eine kurze Beratung der Kammer ein, machte jedoch anschließend deutlich, dass er die vorgeworfene Fehlinformation nicht so dramatisch fand: "Wahlverteidiger kann man beliebig wechseln, aber für den Wechsel eines Pflichtverteidigers muss eine grobe Pflichtverletzung vorliegen. Das sehe ich hier nicht." Auch Staatsanwalt Bastian Blaut kommentierte: "Ich sehe hier nicht ansatzweise, dass Ihr Verteidiger Sie deswegen nicht ordnungsgemäß verteidigen würde."
Mit einer Verzögerung von mehreren Stunden konnte das Verfahren dann fortgesetzt werden. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Mann vor, dass er am 29. September 2020 einem Bekannten 17 Mal in Bauch, Brust, Hand und Bein gestochen und diesen mit lebensgefährlichen Verletzungen zurückgelassen haben soll. Besonders perfide muten die Vorwürfe dadurch an, dass das mutmaßliche Opfer dem Angeklagten wegen dessen Wohnungslosigkeit Unterkunft in seiner eigenen Wohnung am Kölnberg gewährt haben soll.
Der Angeklagte soll die Wohnung verschlossen und den Schlüssel abgezogen haben, als sein Opfer bereits mit mehreren Stichen verletzt war – der Verletzte wäre demnach mit seinem Peiniger eingesperrt gewesen.
Angeklagter schildert sich selbst als Opfer
"Am Tattag stand der Geschädigte morgens gegen 11 Uhr auf und ging ins Bad. Als er von dort zurückkam, stach der Angeklagte ihm unvermittelt mit dem Messer in den Bauch", so die Anklage. Auch der Satz "Ich bringe dich um" soll seitens des Angeklagten gefallen sein. Die Staatsanwaltschaft geht daher von heimtückischer Tötungsabsicht aus und wertet die massiven Verletzungen des Angeklagten als gefährliche Körperverletzung: Der stark blutende 27-Jährige schleppte sich aus seiner Wohnung heraus, sodass Nachbarn ihn fanden und einen Rettungswagen riefen.
Der Angeklagte bestreitet allerdings, dass sich die Situation so abgespielt hat und wartete mit einer Gegendarstellung auf, die er zunächst über den Verteidiger abgeben ließ. In dieser Schilderung ist der Angeklagte das Opfer eines unberechenbaren Mannes, dessen Messerattacke er eben gerade noch abwehren konnte. Der Geschädigte sei ein unordentlicher Mensch, bei dem er nicht länger habe bleiben wollen: "Er warf Gabeln und Teller vom Balkon, Kippen warf er auf den Teppich oder auch, sogar in Gegenwart von Kindern, in den Aufzug." Der 36-Jährige habe sich schließlich um seine Gesundheit gesorgt und sich online auf Wohnungssuche begeben.
Richter: "Wissen Sie, was DNA ist?"
An jenem Septembertag habe er mit dem Angeklagten über seine Auszugspläne sprechen wollen, denn: "Nur nach dem Aufstehen war er nicht alkoholisiert." Der Wohnungsinhaber habe sich jedoch schlafend gestellt oder tatsächlich noch geschlafen: "Ich habe dann meine Sachen gepackt." Dabei habe ihn der Geschädigte überrascht und mit dem Messer bedroht.
Bei einer Rangelei sei es dazu gekommen, dass dieser sich selbst einen Schnitt an der Hand zugefügt haben soll. Nach einigem Hin und Her habe der Inhaber der Wohnung diese schließlich verlassen, er selbst sei ihm etwas später gefolgt. "Diese Stiche, die ich auf den Bildern gesehen habe, sind definitiv nicht von mir", versicherte auf Nachfragen des Vorsitzenden der Angeklagte selbst. Wie sie zustande kämen, könne er sich auch nicht erklären, aber im Hausflur sei eben ein ständiges Kommen und Gehen.
Über das Tatmesser behauptete der Angeklagte zunächst, er habe es nicht in der Hand gehabt. Nachdenklich sah Richter Koerfers ihn an. "Wissen Sie, was DNA ist?", fragte er dann und erklärte dem Mann, dass dessen Spuren am Messer gesichert worden seien. Doch auch dafür hatte dieser eine Erklärung parat: Er habe seinem Kontrahenten das Messer wieder ausgehändigt, nachdem es diesem hingefallen sei.
Der Vorsitzende zeigte sich erstaunt angesichts dieser ungewöhnlichen Schilderung und hinterfragte auch das, woraufhin der Angeklagte es jedoch nur noch einmal bestätigte.
- Beobachtungen vor Ort