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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Alltag in Pandemie Corona treibt Lehrer ans Limit – "Wir sind wirklich fertig"
Seit den Osterferien findet an den Schulen in NRW offiziell wieder Distanzunterricht statt. Doch gerade an Schulen in sozialen Brennpunkten heißt das nicht, dass die Schüler nun zu Hause sind. Ein Kölner Lehrer berichtet über die schlechte Testsituation und Notbetreuung.
Seit der Woche nach den Osterferien gilt in ganz Nordrhein-Westfalen eine Testpflicht für Schülerinnen und Schüler. Zweimal pro Woche müssen sie sich testen, wenn sie zur Schule kommen. Zwar hatte das Schulministerium kurz vor Ende der Ferien entschieden, angesichts steigender Infektionszahlen zunächst in den Distanzunterricht zurückzukehren – doch an manch einer Schule bedeutet das nicht, dass nun die Schüler zu Hause bleiben. Denn: Eine Notbetreuung muss angeboten werden.
Ein Lehrer aus Köln erzählt t-online, was das an der Grundschule bedeutet, an der er unterrichtet: Bis zu 60 Prozent aller Schüler seien dort für die Notbetreuung angemeldet. Der Mann, der anonym bleiben möchte, arbeitet an einer Brennpunktschule im linksrheinischen Teil der Stadt. Distanzunterricht bedeutet für ihn und die anderen Lehrkräfte dort vor allem eines: mehr Arbeit. Denn schließlich muss neben der Betreuung der Kinder vor Ort auch der Unterricht für die Kinder zu Hause organisiert werden.
Die zwei Wochen vor den Osterferien hatten die weiterführenden Schulen des Landes geöffnet – seit drei Wochen war zu diesem Zeitpunkt bereits an den Grundschulen Wechselunterricht geboten. Für die Öffnung der weiterführenden Schulen hatte das Schulministerium nach eigenen Angaben 3,3 Millionen Selbsttests an diese geschickt – als "Einstieg in eine Teststrategie", wie es aus dem Ministerium heißt. Für die Grundschulen gab es nichts. Auf die Einführung der Testpflicht war man dort am Tag nach den Osterferien also noch weniger vorbereitet.
Selbsttests für Grundschüler ungeeignet?
Wie geeignet die Selbsttests für alle Grundschüler überhaupt sind, ist fraglich, wenn es nach den Schilderungen des Kölner Lehrers geht: "Da gibt es Kinder, die mit den Teststäbchen Star Wars spielen", berichtet er. Bei anderen sei das Stäbchen statt im dafür vorgesehenen Röhrchen zuerst auf dem Tisch gelandet.
Auf die Frage, ob der Selbsttest für junge Grundschulkinder geeignet sei, heißt es aus dem Schulministerium, dass kein anderer Test in der erforderlichen Menge so schnell verfügbar gewesen wäre. Man werde aber "weiterhin darauf achten, dass die Testverfahren möglichst noch alters- und kindgerechter durchgeführt werden könnten".
Der von der Stadt Köln angekündigte sogenannte Lolli-Test, der gerade für jüngere Kinder das Testen einfacher machen und zudem sensitiver sein soll, kam nach den Osterferien noch nicht zum Einsatz – auf Anfrage erklärte eine Pressesprecherin der Stadt, dass dieser erst beim Wechselunterricht zum Einsatz komme. Da bei dem Test jeweils die Proben von den gleichen Schülern in einem Pool getestet würden, ergebe diese Testung bei wechselnden Schülergruppen in der Notbetreuung wenig Sinn.
Druck auf die Lehrer
Der Kölner Lehrer sieht Brennpunktschulen wie seine in der Pandemie besonders benachteiligt: In anderen Stadtteilen wüssten die Kinder bei den Tests schon eher, was auf sie zukomme, da viele von ihnen schon einmal getestet oder von ihren Eltern aufgeklärt wurden. Unter seinen Schülern hingegen hätten die meisten angegeben, noch nie auf das Coronavirus getestet worden zu sein – darunter sogar Kinder, deren Eltern bereits positiv waren.
"Ich komme mir beruflich missbraucht vor", sagt er mit Blick auf seine Verantwortung für die ordnungsgemäße Ausführung der Tests. Der Druck auf die Lehrkräfte sei in der Pandemie enorm gestiegen. "Wir sind wirklich fertig."
Doch die Rückkehr in den Wechselunterricht sieht der Grundschullehrer auch nicht als Lösung: "Die Schulen erst bei einer Inzidenz von 200 schließen: Ganz ehrlich, das ist ein Todesurteil." Die Leidtragenden seien letztendlich die Kinder. "Wenn ein Elternteil positiv ist und stirbt, ist das traumatisierend." Was es brauche, seien geschlossene Schulen mit einer Notbetreuung, wie sie es im vergangenen Jahr gegeben habe, als nur Kinder kommen durften, deren Eltern in systemrelevanten Berufen arbeiten.
- Gespräch mit dem Lehrer einer Kölner Grundschule (Name der Redaktion bekannt)
- Gespräch mit einer Pressesprecherin der Stadt Köln
- Anfrage an das Schulministerium NRW