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Köln: "Eingebildet, es sei gut für sie" – Pädophiler legt Geständnis ab


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Prozess in Köln
"Eingebildet, es sei gut für sie" – verzerrte Sicht eines Pädophilen


18.03.2021Lesedauer: 4 Min.
Der Angeklagte, hier mit Strafverteidiger Wolfgang Kutsch (r.), verdeckte sein Gesicht – umso offener waren aber die Worte, mit denen er ein Geständnis ablegte.Vergrößern des Bildes
Der Angeklagte, hier mit Strafverteidiger Wolfgang Kutsch (r.), verdeckte sein Gesicht – umso offener waren aber die Worte, mit denen er ein Geständnis ablegte. (Quelle: Johanna Tüntsch)

Vor dem Kölner Landgericht begann der Missbrauchsprozess gegen einen Fernfahrer. Der Mann legte ein umfassendes Geständnis ab – und ließ in sein zerrüttetes Gefühlsleben blicken.

Es war eine Biografie mit vielen Schwierigkeiten, die ein Fernfahrer (64) schilderte, der seit Donnerstag vor dem Kölner Landgericht wegen Kindesmissbrauchs angeklagt ist. Zwischen 2012 und 2020 soll er mehrfach übergriffig gegenüber verschiedenen Mädchen gewesen sein. Sie stammten teils aus der Nachbarschaft, teils aus dem Freundeskreis seines Sohnes.

Schon die Kindheit des Mannes spielte sich in einem Spannungsfeld ab. Sein Vater: ein Analphabet, Jahrgang 1901, geprägt durch das Miterleben von zwei Weltkriegen, der großen Wirtschaftskrise der 1920er Jahre und frühe Arbeit in der elterlichen Landwirtschaft. Die Mutter: eine Frau von 1,20 Meter Körpergröße, zu 80 Prozent körperlich behindert, dennoch Zeit ihres Lebens als Reinigungskraft tätig – nicht zuletzt, um dem Sohn gute Chancen zu ermöglichen.

Das Schreiben habe sie nur im Altdeutschen beherrscht und die neue Schrift gemeinsam mit ihrem Sohn erlernt, als dieser zur Schule ging. "In den 18 Jahren, die ich zu Hause war, sind meine Eltern nicht einmal im Urlaub gewesen. Sie haben alles für mich gemacht", schilderte der Angeklagte. Der Selbstmord seiner Mutter zu einer Zeit, als er selbst ein junger Erwachsener war, der eben eine Familie gegründet hatte, habe ihn schwer mitgenommen.

Isoliert durch zu viel Elternliebe

Die elterliche Überfürsorge führte zu emotionalen Einschränkungen in seiner Kindheit und Jugend: "Weil ich verwöhnt war, war ich unselbständig. Es ist mir schwergefallen, mit anderen in Kontakt zu kommen." Mit diesem Empfinden von Isolation erklärt er seine pädophilen Züge, mit denen er erstmals Mitte der 80er Jahre auffällig wurde. "Ich hatte ein regelrechtes Verhältnis mit meiner Adoptivtochter aufgebaut", beschrieb er: "Ich habe mir eingebildet, dass es etwas Gutes für sie wäre. Auch, weil ich als Jugendlicher darunter gelitten habe, dass ich wenig soziale Kontakte hatte."

Da der Verteidiger des Mannes ein umfassendes Geständnis angekündigt hatte, war der gesamte erste Prozesstag für die Aussage des Mannes freigehalten. "Das ist ja nicht mein erstes Verfahren in dieser Art, aber es war für mich auffällig, wie früh mein Mandant mit mir Tacheles geredet hat", so Strafverteidiger Wolfgang Kutsch: "Sein Hauptziel ist die Schadensbegrenzung für die Geschädigten."

Der Mann habe bereits während seiner Untersuchungshaft sehr früh ein Geständnis abgelegt. Den betroffenen Mädchen blieb dadurch die Befragung zur Erstellung eines aussagepsychologischen Gutachtens erspart.

Suchte "längerfristige Verhältnisse"

Mit seinem Auftreten entsprach der Mann der Charakterisierung seines Verteidigers, der ihn als "sehr reflektiert" beschrieben hatte. Er sprach ruhig, mit einer sanften Stimme, der man gut zuhören kann. Fast wie ein bemühter Schüler saß er auf seinem Stuhl, der Vorsitzenden Richterin zugewandt, um Worte ringend, die das kranke Erleben seiner Gefühle und Triebe beschreiben könnten: "Ich hätte nicht fremden Kindern vor einer Schule aufgelauert. Mich hat nicht interessiert, irgendetwas klar zu machen. Ich interessierte mich für längerfristige Verhältnisse." So habe er auch den Kontakt mit seiner Adoptivtochter und einer Freundin von ihr erlebt – wenngleich er den letztlich selbst zur Anzeige gebracht habe, wodurch seine erste Ehe zerbrach.

Immer wieder zieht er den Vergleich zu dieser Konstellation, die er als freiwilliges Verhalten seitens der Kinder empfand. Erst durch eine Therapie, die er 2014 infolge eines weiteren Sexualdeliktes begann, habe er einen neuen Blick darauf gewonnen: "Ich habe jetzt erst aufgearbeitet, dass die Mädchen gar keine Möglichkeit hatten, 'Nein' zu sagen." Trotz ihres heiklen Themas scheint die Therapie der Lichtblick in einem ziemlich einsamen Leben gewesen zu sein. "Der Therapeut war der erste und einzige Gesprächspartner, den ich hatte", so der 64-Jährige.

"Ein Freund? Ich war ja nie da"

Wenig hilfreich für die persönliche Entwicklung war auch das Berufs- und Familienleben des Mannes, der fast erstaunt scheint, als er von der Vorsitzenden auf Freundschaften angesprochen wird. "Einen Freund? Dass ich Freunde gehabt hätte, mit denen ich in die Gaststätte gegangen wäre oder Karneval gefeiert hätte? In solcher Richtung gab es da nichts. Ein Freundeskreis hat sich nicht aufgebaut, weil ich ja nie da war", so der Fernfahrer.

In seine zweite Ehe geriet er, wie er schildert, eher aus Verlegenheit. "Ich war damals schon zehn Jahre lang allein. Darüber kam ich ins Gespräch mit einer Frau, die regelmäßig in dem Linienbus unterwegs war, den ich damals fuhr." Diese flüchtige Bekannte habe ihm vorgeschlagen, dass er für drei Monate eine junge Rumänin bei sich aufnehmen und sich anschließend entscheiden könne, ob er sie heirate oder nicht. Probehalber sagte er zu, die drei Monate vergingen. "Wenn ich sie danach weggeschickt hätte, hätte sie für zwei Jahre eine Sperre bekommen und nicht wieder einreisen dürfen. Das wollte ich ihr nicht zumuten. Also habe ich halt gesagt, dass sie bleiben kann."

Opfer mit Vorwand in den Wagen gelockt

Mit ungeschönten Worten spricht er von den Taten, die die Staatsanwaltschaft ihm vorwirft. Als "volle Absichtsgeschichte" und "reine Überredungsgeschichte" ordnet er ein, dass er ein höchstens 12-jähriges Mädchen in seinen Wagen bat unter dem Vorwand, dass er dort Hilfe beim Putzen bräuchte.

Erst wenige Tage vorher hatte er deren jüngere Schwester, eine Freundin seines Sohnes, vom Spielplatz aus in ein Gebüsch gelockt, um dort pornographische Fotos von ihr zu machen. Nun wollte er das mit der älteren wiederholen und vielleicht weitergehen: "Ich hatte mir vielleicht mehr erhofft, da sie schon zwölf war. Das habe ich noch keinem gesagt, aber ich sage Ihnen das jetzt. Ich dachte, dass ich sie vielleicht küssen kann. Als ich gemerkt habe, dass ich völlig daneben liege, habe ich mich entschuldigt und sie gehen lassen." Von späteren Taten gegenüber anderen Mädchen hat ihn das jedoch nicht abgehalten.

Das Verfahren wird fortgesetzt. Das Urteil ist für den 30. März anberaumt.

Verwendete Quellen
  • Beobachtungen vor Ort
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