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Köln: Juso-Chefin Lena Snelting sorgt sich um Rassismus im Karneval


Interview
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Kölner Juso-Chefin
Kostüme im Karneval – "eine Form von Rassismus"

InterviewFrank Überall

Aktualisiert am 15.03.2021Lesedauer: 5 Min.
Lena Snelting von den Kölner Jusos: Den Jungsozialisten geht es darum, abgebildete Stereotype zu überdenken und zu vermeiden.Vergrößern des Bildes
Lena Snelting von den Kölner Jusos: Den Jungsozialisten geht es darum, abgebildete Stereotype zu überdenken und zu vermeiden. (Quelle: Benjamin Roth)
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Können Karnevalskostüme rassistisch sein? Die Kölner Jusos meinen: Ja. Die Vorsitzende erklärt im Interview die Sorgen und Forderungen des SPD-Nachwuchses.

In einem verabschiedeten Antrag fordern die Jusos, Kostüme wie Indianer oder Chinese aus dem Kölner Karneval zu "verbannen". Welche Intentionen stecken hinter dem Antrag, der für Wirbel im Rathaus sorgen dürfte? t-online hat mit Lena Snelting darüber gesprochen.

t-online: "Rassismus raus aus dem Karneval" steht als Überschrift über dem Beschluss der Kölner Jusos. Gibt es denn wirklich Rassismus im Karneval?

Lena Snelting: Teils, teils. Problematisch sind aus unserer Sicht vor allem ganze Gruppierungen, zum Beispiel die "Ihrefelder Zigeuner" – ich sage das Wort jetzt mal ganz offen. Sie decken durch ihre Kostümierung Stereotype ab und reproduzieren dadurch Rassismen. Man muss sich auch den historischen Kontext dahinter angucken. In Köln-Ehrenfeld war zu NS-Zeiten ein "Zigeunerlager", wo Sinti und Roma eingepfercht wurden. Das war eine Ghettoisierung, anders kann man das nicht nennen. Da wurden ganze Personengruppen bewusst stereotypisiert und eingesperrt, weil sie nicht der damaligen Norm entsprochen haben. Wenn man das immer wieder so im Karneval abbildet, ist das schon eine Form von Rassismus.

Es geht Ihnen auch um Verkleidungen. "Amerikanische Ureinwohner/innen", heißt es da beispielweise in Ihrem Beschluss. Man sieht eigentlich immer wieder Indianerkostüme – da sagen Sie, die sollen "verbannt" werden. Warum?

Das ist eine kulturelle Aneignung, die wir nicht in Ordnung finden. Im Grunde ist das auch wieder die Frage nach Stereotypen: Wie werden Leute dargestellt? Wie werden Kostüme aus unserer westeuropäischen Sicht gestaltet? Das sehen wir als problematisch an. Auch das sogenannte "Blackfacing", also dass sich Leute einfach schwarz anmalen und dann aussehen wollen wie People of Color, also Menschen anderer Hautfarbe. Das finden wir problematisch.

Aber es ist ja das Wesen des Karnevals, auch in andere Rollen zu schlüpfen, beispielsweise als Mönch, was eine augenzwinkernde und vielleicht sogar humorvoll wertschätzende Art der Aneignung ist. Diesen Aspekt, dass es ein spielerischer Umgang sein kann, lassen Sie nicht gelten?

Nicht so richtig. Wir haben in der Diskussion tatsächlich auch lange überlegt, wo man Grenzen ziehen muss. Ist es beispielsweise okay, dass sich Kinder so verkleiden? Oder sagt man, in Teilen ist es in Ordnung? Aber gerade durch diese "Black Lives Matter"-Debatte im vergangenen Jahr hat man gemerkt, wie wichtig dieses Thema ist und wie diskriminiert sich bestimmte Personengruppen durch so eine Darstellung fühlen. Das sollte man auf jeden Fall in der heutigen Zeit ernst nehmen.

Als was haben Sie sich denn als Kind im Karneval verkleidet?

Ich komme gebürtig aus Ostwestfalen, da ist nicht ganz so viel Karneval gewesen. Aber ich hatte so klassische Kostüme als Köchin oder auch – ganz stereotyp – mal als Prinzessin. Als was man sich halt so als kleines Mädchen verkleidet. Aber ansonsten habe ich tatsächlich erst mit meinem Umzug hier nach Köln richtig Berührung mit dem Karneval gehabt…

Gab es schon Reaktionen auf Ihren Vorstoß?

Nein, bisher noch gar nicht. Wobei ich aus vorangegangenen Debatten weiß, dass zum Beispiel die Grüne Jugend und die Linksjugend diese Einstellung auf jeden Fall teilen und diese rassistischen und stereotypischen Darstellungen auch verurteilen.

Jetzt wenden Sie sich im Antragstext speziell an den Stadtrat und an das Festkomitee Kölner Karneval. Glauben Sie denn, dass die überhaupt die Macht haben, gegen Namen von Vereinen und Verkleidungen vorzugehen?

Ich kann es mir schon vorstellen und erwarte es auch von politischen Parteien in einem solchen Gremium, dass sie den Austausch suchen und einen gewissen politischen Druck aufbauen. Die Frage von Macht ist immer schwierig – wenn man aber gewillt ist, sich des Themas wirklich anzunehmen, dann kann man da auf jeden Fall was bewirken. Ich finde, das ist nicht immer nur eine Machtfrage.

Schauen wir trotzdem mal auf das Thema Macht in Kölns Stadtpolitik: Es gibt im Rat ein neues Bündnis aus Grünen, CDU und Volt. Die SPD ist nicht dabei. Wie sehen Sie Ihre Mutterpartei denn kommunalpolitisch in Köln gerade aufgestellt?

Die ist eigentlich ganz gut aufgestellt. Wir haben jetzt auch mehrere Juso-Personen im Stadtrat. Zum Beispiel die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Viola Recktenwald oder auch die sogenannte Kulturfrau Maria Helmes. Damit haben wir sehr starke politische Persönlichkeiten implementiert, die da auch extrem gute Vorstöße wagen. Beispielsweise die ehemalige Stadtratskandidatin Sanae Abdi, die leider nicht gewählt worden ist, ist jetzt gleichstellungspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion. Sie hat relativ medienwirksam direkt einen Vorstoß gewagt, dass man Periodenprodukte etwa in Schulen frei zugänglich machen sollte. Menstruationsprodukte sind teuer. Und gerade für eher finanziell schwach aufgestellte, menstruierende Personen kann das eine große Herausforderung sein. Mit solchen Themen setzt die SPD in Köln gerade gute Akzente.

Die Kölner SPD ist aber faktisch in einer Oppositionsrolle im Rat. Grüne und Volt aus dem neuen Ratsbündnis haben aber angekündigt, auch mal andere Mehrheiten bei Einzelthemen zu suchen. Sehen Sie für die nächsten viereinhalb Jahre im Kölner Rathaus denn die Chance auch für alternative Mehrheiten gegenüber dem Ratsbündnis?

Könnte ich mir in Teilen schon vorstellen. Die Debatte um den Brüsseler Platz war schon eine gewisse Herausforderung für dieses Bündnis, weil es da auch große Meinungsverschiedenheiten innerhalb der Parteien gab. Die Debatte ging ja um eine Änderung des Bebauungsplanes für den Brüsseler Platz. Das ist seit Jahren ein großer Konflikt mit der Gastronomie, da dort überwiegend jungen Menschen, abends vor allem am Wochenende rumhängen. Das soll jetzt über den Bebauungsplan neu geregelt werden, was natürlich bei den Gastronominnen auf total negatives Feedback stößt, weil die sich dadurch benachteiligt fühlen. Ich habe gehört, dass sich die Bündnisparteien da nicht wirklich einig waren. Das kann schon eine gewisse Sprengkraft entwickeln. Ich kann mir vorstellen, dass man mit alternativen, strategisch schlau gesuchten Mehrheiten etwas verändern kann.

Nochmal zurück zu den Karnevalsverkleidungen: Wenn Corona irgendwann vorbei ist, wird Ihre Mutterpartei SPD sicher auch wieder ihre traditionelle Sitzung "Närrisches Parlament" veranstalten. Was passiert, wenn Sie da Teilnehmende verkleidet als Indianer, Scheich oder mit schwarz angemaltem Gesicht entdecken?

(lacht) Dann müssen wir in der Partei eine ganz scharfe Debatte darüber lostreten, ob das eigentlich als SPD in Ordnung ist, solche Kostümierungen zu tragen. Wir stoßen ja generell solche Debatten immer sehr offen in der Partei an. Wir nehmen uns da auch nicht zurück und legen gerne mal den Finger in die Wunde. Wir würden das auf jeden Fall nicht so stehen lassen.

Verwendete Quellen
  • Interview mit Lena Snerling
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