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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Konflikt eskaliert Räumungsklage gegen Kölner Programmkino
Die gemeinsam in einem Gebäude untergebrachten Institutionen des Kölnischen Kunstvereins und der Filmclub 813 tragen ihre Streitigkeiten vor Gericht aus. Es geht um vertragliche Rechte, Pflichten – und Persönlichkeiten.
Der denkmalgeschützte Riphahn-Bau "Die Brücke" beherbergt seit gut 16 Jahren zwei wichtige Institutionen der Kölner Kulturszene: den Kölnischen Kunstverein (KKV) und den Filmclub 813. Doch in den vergangenen Monaten ist ein schwelender Konflikt zwischen den Mietparteien offen ausgebrochen, der nun juristisch ausgetragen wird. Aktuelle Stufe der Eskalation: eine Räumungsklage des KKV gegen den Filmclub 813.
Im Verhältnis zum Untermieter ist der Hauptmieter rechtlich gesehen ein ganz normaler Vermieter. Es gelten die gleichen gesetzlichen Regelungen wie in jedem anderen Mietverhältnis. Dem Untermieter kann gekündigt werden und der Hauptmieter kann wie der Eigentümer Räumungsklage beim zuständigen Amtsgericht erheben.
Vertrag "schwammig formuliert"
Der Filmclub 813, der seit 1995 den Kinosaal des Gebäudes bespielt, besetzt die Nische eines Programmkinos für ein cineastisch interessiertes Publikum. Nach dem Auszug des British Council Ende der 1990er-Jahre wurde das übrige Gebäude 2004 vom KKV angemietet – im Mietvertrag ist der Filmclub 813 als Mitbenutzer und Untermieter der Liegenschaft vermerkt. Das Verhältnis untereinander regelten die beiden Vereine 2011 durch einen Überlassungsvertrag, der Rechte und Pflichten der Mietparteien untereinander festschrieb.
Doch die Beziehung der Vertragspartner ist von Konflikten geprägt. "Der Vertrag ist etwas schwammig formuliert. Das heißt, es gibt die Auslegung des KKV und unsere Auslegung, das sorgte immer schon für Streit – etwa darüber, an wen wir das Kino weitervermieten können", sagt Bernhard Marsch, Erster Vorsitzender des Filmclubs.
Im Juni 2020 will der Filmclub den Saal an das Filmfestival Soundtrack Cologne vermieten – doch der KKV sagt Nein. "Wir hatten an diesem Punkt vom Filmclub 813 über Jahre keine Dokumente über eine Haftpflichtversicherung übermittelt bekommen", begründet Thomas Waldschmidt, Vorsitzender des KKV, den Schritt. "An diesem Punkt mussten wir daher annehmen, dass der Filmclub unterversichert war, daher unser Veto." Marsch versucht daraufhin, die Vermietung mit einer einstweiligen Verfügung durchzusetzen. "Wir haben uns dazu gezwungen gesehen, um das Festival nicht zu gefährden", sagt er.
Filmszene solidarisiert sich
Der KKV sieht in dem Schritt eine Provokation. "In den acht Jahren davor gab es so viele Regelverstöße seitens des Filmclubs, dass wir an diesem Punkt gesagt haben, jetzt ist Schluss", so Waldschmidt. Mit der außerordentlichen fristlosen Kündigung, die der KKV dem Filmclub 813 im Oktober 2020 ausspricht, wird der Zwist öffentlich. Die Solidarität der Filmszene mit dem Filmclub ist groß, auch dank eines Offenen Briefes, mit dem Marsch Unterstützerstimmen sammelt – auf der Unterschriftenliste finden sich so prominente Namen wie Doris Dörrie, Dominik Graf oder Christian Petzold.
Die Streitparteien wollen sich daraufhin zu Verhandlungen zusammensetzen – doch im Vorfeld werden über Anwälte offenbar vor allem Forderungen ausgetauscht, die die jeweilige Gegenseite als inakzeptabel zurückweist. "Deswegen war es für uns ein Automatismus, im Januar die Räumungsklage einzureichen", so Waldschmidt.
Marsch bezweifelt Rechtmäßigkeit der Kündigung
Derweil hat der Filmclub zusätzlich mit einer internen Krise zu kämpfen: Joachim Geffer, Kassenwart des Filmclubs, hat Marsch seinerseits auf vereinsrechtliche Unregelmäßigkeiten verklagt. Eine im Dezember 2020 abgehaltene Vorstandswahl missglückt derart, dass sie für ungültig erklärt wird. Auch deswegen hält sich das Kulturamt in der Sache zurück.
Trotz dieser Querelen gibt sich Marsch kämpferisch: "Die Wahl werden wir rechtssicher wiederholen", kündigt er an. "Und was die Räumungsklage betrifft, geht unser Anwalt davon aus, dass sie vor Gericht abgewiesen werden kann." Denn in der Begründung werde seine "Persönlichkeit" als ein Mitgrund der Räumungsklage genannt – Marsch bezweifelt, dass dies "juristisch greifbar" sei.
"Unseriöses und regelwidriges Verhalten"
Waldschmidt bestätigt, dass es sich um eine "verhaltensbedingte" Kündigung handele – und betont, dass sein Verein sich nicht gegen einen Kinobetrieb im Haus richte. "Natürlich muss in diesem Saal Kino gezeigt werden", stellt er klar. Sollte es tatsächlich zu einem Auszug des Filmclubs 813 kommen, werde man gerne mit einer anderen Filminitiative zusammenarbeiten – was ohnehin eine Bedingung des Mietvertrages von 2004 darstellt. "Aber Herr Marsch hat sich durch sein unseriöses, regelwidriges Gebahren uns gegenüber in einer Weise verhalten, die nicht mehr tolerierbar ist."
Marsch hat derweil einen zweiten Offenen Brief* als Petition formuliert, in der der KKV aufgefordert wird, den Filmclub 813 die Spielstätte weiter nutzen zu lassen. Das Ziel von 1.000 Unterschriften ist Anfang März fast erreicht. "Wir sind die Guten", ist Marsch überzeugt. "Wir wollen nur erhobenen Hauptes Kino machen."
- Aussagen von Bernhard Marsch, Vorsitzender Filmclub 813
- Aussagen von Thomas Waldschmidt, Vorsitzender Kölnischer Kunstverein
- Aussagen von Joachim Geffer, Kassenprüfer Filmclub 813
- Aussagen von Dagmar Pütz, ehemaliges Mitglied Filmclub 813
- Auskünfte des Kölner Kulturamts
- Informationen vom Mieterschutzverein und anwalt.de
- *Offener Brief des Filmclub 813