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Decksteiner Weiher: Joggerin vergewaltigt – Kölnerinnen kämpfen gegen die Angst


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Täter vom Decksteiner Weiher flüchtig
Joggerin vergewaltigt – Kölnerinnen kämpfen gegen die Angst


Aktualisiert am 01.03.2021Lesedauer: 4 Min.
Drei Frauen laufen gemeinsam durch den Stadtwald am Decksteiner Weiher. Auf einem Weg zwischen RWE-Gelände und dem Gewässer wurde eine Frau vergewaltigt, der Täter ist noch immer flüchtig.Vergrößern des Bildes
Drei Frauen laufen gemeinsam durch den Stadtwald am Decksteiner Weiher. Auf einem Weg zwischen RWE-Gelände und dem Gewässer wurde eine Frau vergewaltigt, der Täter ist noch immer flüchtig. (Quelle: Johanna Tüntsch)

Nach der Vergewaltigung am Decksteiner Weiher hat die Polizei Frauen zur Vorsicht aufgerufen. Das sorgt für Angst – aber auch Unverständnis und Wut.

Die Nachricht, dass in der Nähe des Decksteiner Weihers ein Mann eine Frau vergewaltigt haben soll, beunruhigt die Menschen in Köln – und zwar vor allem Frauen. Den Stadtwald zu meiden, das kommt für viele nicht in Frage: Er ist eines der beliebtesten Naherholungsgebiete der Stadt. Aber ein Gefühl zwischen Unbehagen und Sorge begleitet nun viele Kölnerinnen auf ihren Wegen durchs Grüne.

"Männer sind mir stärker aufgefallen"

Christiane Eßer (58) war einen Tag nach dem Vorfall mit ihrer Tochter in dem Gebiet unterwegs. Sie erinnert sich: "Als wir dort spazieren gegangen sind, war das schon komisch. Einzelne Männer sind mir viel stärker aufgefallen als früher. Sobald ich einen Mann allein auf einer Bank sitzen sah, habe ich mich gefragt: 'Wieso sitzt er da?'"

Schon früher hatte sie sich damit befasst, wie sich zum Beispiel ihre Tochter schützen könnte, wenn sie als Teenager allein in der Stadt unterwegs war. Ideal fand sie, was ihr Sohn vor einer Weile für seine Partnerin besorgte: ein Armband, das mit einer Lautstärke von 120 Dezibel Alarm schlägt. Nachdem die Vergewaltigungsmeldung durch die Medien ging, bestellte sie davon gleich 15 Stück – für ihre Tochter, ihre Nichten, für Freundinnen, sich selbst und andere Frauen aus ihrem Umfeld.

Christiane Eßer: "Ich fand, wir müssen das alle haben. Es ist einfach zu bedienen, weil es direkt am Körper ist. Es sorgt für Radau, damit rechnet der Täter nicht, und so hat man eine Schrecksekunde, die man vielleicht auch nutzen kann, um wegzulaufen."

Eine Grundvorsicht, sagt sie, habe sie immer schon gehabt, wenn sie zum Beispiel abends oder auf dem Friedhof allein unterwegs gewesen sei. "Ich war aber nicht panisch. Nicht so, dass ich so ein Band getragen hätte. Aber jetzt nehme ich es mit."

"Wir werden alleingelassen"

Auch Kathi (35, auf eigenen Wunsch ohne Nachnamen) hat ihre Unbefangenheit seit vergangener Woche verloren. Seit zehn Jahren geht sie regelmäßig bis zu fünfmal in der Woche laufen. "Das bedeutet mir sehr viel, gerade im Lockdown", sagt sie. Gerne startet sie schon morgens vor der Arbeit – und war dabei auch in der Vergangenheit schon vorsichtig. "Im Winter, wenn es noch dunkel ist, laufe ich dann nicht durch den Park, sondern entlang der Hauptverkehrsstraßen um den Park herum."

Dass es nun in der Nähe des Decksteiner Weihers ausgerechnet gegen neun Uhr morgens zu einer Vergewaltigung kam, hat sie besonders schockiert. "An dem Tag kam ich selbst gegen 9.15 Uhr von meiner Runde zurück", sagt sie.

Zum Schock gesellte sich aber noch ein anderes Gefühl: "Ich war wütend darüber, dass Frauen jetzt noch mehr eingeschränkt sind. Wir müssen momentan alle ohnehin schon auf so vieles verzichten." Die Empfehlung der Polizei, Frauen sollten derzeit vorsichtig sein, da es sich mutmaßlich um einen Wiederholungstäter handeln könne, irritierte sie: "Die könnten dann ja vielleicht auch öfter mal dort Streife fahren. Stattdessen werden wir mit dem Problem alleingelassen. Ich glaube, es fehlt vielen an Verständnis dafür, dass so stark in die Freiheitsrechte eingegriffen wird, wenn wir auf das Laufen jetzt auch noch verzichten müssen."

Lauftreff: "Wegen so was ändern wir nicht unsere Zeiten"

Unpassend fand die 35-Jährige auch die Reaktion aus einer Lauftreffgruppe, die sie kontaktierte, um sich mit anderen zusammenschließen zu können. Die zwei festen Zeiten, in der die Gruppe läuft, passen nicht für sie, und ein Mann antwortete ihr: "Wir haben von der Sache gehört, aber wegen so was werden wir jetzt nicht unsere Laufzeiten ändern."

Kathi startete daher selbst einen Aufruf via Facebook. Innerhalb von zwei Tagen haben sich darauf schon eine Reihe von Frauen zurückgemeldet: Sie alle lässt das Bewusstsein nicht kalt, wie leicht die schöne Erfahrung, zu früher oder später Stunde in Ruhe durch die Kastanienallee am Ufer und in den weniger frequentierten Waldwegen zu laufen, in einem Albtraum enden kann.

Den Lieblingsplatz nicht nehmen lassen

Eine von ihnen ist Vanessa (29). Seit 2014 geht sie mehrmals in der Woche joggen, erzählt sie: "Vorrangig mache ich das für meine psychische Gesundheit, um einen Ausgleich zu schaffen und Stress abzubauen. In der Natur schöpft man viel Kraft. Das erdet mich, bringt mich runter. Es ist schön, in der Sonne zu sein. Das Laufen gibt mir viel."

Fitnessstudios sind derzeit wegen Corona ohnehin geschlossen, aber noch ein anderer Aspekt bewegt die junge Frau: "Der Decksteiner Weiher ist mein Lieblingsplatz in Köln, er ist wunderschön. Ich möchte ihn mir nicht nehmen lassen, möchte mich nicht einschüchtern lassen." Über die Nachricht, dass er Schauplatz eines Verbrechens wurde, war sie geschockt. "Es hat mich sehr betroffen gemacht, als ich das gelesen habe. Ich hatte Mitgefühl mit der Frau, der es passiert ist. Das ging fast durchgängig durch meine Gedanken."

Wut und Angst beschäftigten sie, und die Erkenntnis: "Das hätte auch ich sein können." Deswegen war sie froh über Kathis Aufruf – und findet es vor allem gut, dass nur Läuferinnen in der Gruppe sind. "Es ist nicht so, dass wir alle Männer über einen Kamm scheren", erklärt sie: "Aber es geht um unser Selbstbewusstsein. Wir sind nicht auf die Hilfe von Männern angewiesen. Wir sind Frauen, wir schaffen das zusammen. Dieser Gedanke macht viel mit einem."

Fast jede Frau, schätzt Vanessa, macht irgendwann Erfahrungen mit sexuellen Übergriffen. Oft käme es nicht einmal zur Anzeige, weil Betroffene die Situation scheuen, dass Aussage gegen Aussage steht. "Zivilcourage sollte mehr belohnt werden", findet sie: "Man müsste Frauen mehr ermutigen, solche Vorfälle zur Anzeige zu bringen. Und Männer könnten sich noch mehr davon distanzieren, wenn so etwas passiert; es stärker verurteilen – zum Beispiel in sozialen Medien."

Für die junge Läuferin, die in der vergangenen Woche zum Opfer wurde, hat sie anerkennende Worte: "Sie hat den Fall angezeigt. Ich finde, damit ist sie ein großes Vorbild."

Verwendete Quellen
  • Gespräche mit den Protagonisten (alle Nachnamen der Redaktion bekannt)
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