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Köln: Mann zu Gefängnisstrafe verurteilt – er schoss einen 23-Jährigen blind


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Urteil am Landgericht
Blind nach Kopfschuss – acht Jahre Haft für Familienvater


18.02.2021Lesedauer: 4 Min.
Angeklagter beim Prozessstart: Der Mann war wegen versuchten Totschlags angeklagt.Vergrößern des Bildes
Angeklagter beim Prozessstart: Der Mann war wegen versuchten Totschlags angeklagt. (Quelle: Johanna Tüntsch)
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In Köln ist ein 43-Jähriger wegen einer brutalen Gewalttat verurteilt worden. Er soll einem jungen Mann in den Kopf geschossen haben – worauf dieser erblindete. Beide kannten sich aus dem Drogenmilieu.

"Was haben Sie alles erreicht – und was haben Sie aufs Spiel gesetzt?", fragte Richterin Sabine Kretzschmar einen 43-jährigen Familienvater, über dessen Fall sie als Vorsitzende der 11. Großen Strafkammer am Kölner Landgericht am Donnerstag ein Urteil verkündete: Der Mann soll wegen versuchten Totschlags und schwerer, gefährlicher Körperverletzung eine Freiheitsstrafe von acht Jahren verbüßen. In einer Entziehungsanstalt soll er seine Drogensucht behandeln lassen und mindestens drei Jahre der verhängten Strafe im Maßregelvollzug verbringen, also in einer Einrichtung für psychisch oder an Sucht erkrankte Straftäter. Mit einer Freiheitsstrafe von acht Jahren folgt das Gericht dem Antrag der Staatsanwaltschaft.

In ihren Ausführungen würdigte die Richterin nicht zuletzt das menschliche Drama, welches der Mann zu verantworten hat: "Das Ausmaß dieser persönlichen Katastrophe kann sich jeder unschwer vorstellen, der überlegt, wie es sein muss, wenn man im Alter von 23 Jahren von einem Moment auf den anderen erblindet." Der Angeklagte hatte am 9. Mai 2020 einem Bekannten (23) aus einem Abstand von nur ein bis zwei Metern in den Kopf geschossen. Die Kugel verletzte das linke Auge des Opfers so stark, dass es operativ entfernt werden musste, beschädigte die Netzhaut des rechten Auges in einer Weise, die auch hier jegliches Sehvermögen vernichtete und trat an der rechten Schläfe wieder aus. Es kam zu diversen Trümmerbrüchen im Bereich der Augenhöhlen und an der knöchernen Nasenscheidewand.

"Leben des Opfers vollständig verändert"

Die gewaltsam verursachte Behinderung hat das Leben des 23-Jährigen vollständig verändert. Er lebe nun wieder bei seinen Eltern, sei in allen täglichen Belangen auf deren Hilfe angewiesen und empfinde sich selbst nur noch als Belastung, so die Richterin über den jungen Mann, der im Verfahren als Nebenkläger anwaltlich vertreten war. Belastend seien die Folgen jenes Kopfschusses aber nicht nur für ihn: "Dass Ihre Kinder leiden, wenn sie ohne den Vater aufwachsen und den Vater im Gefängnis wissen, liegt auf der Hand", so die Richterin zum Angeklagten. Beim Prozessauftakt hatte er noch geweint, als er über seine Familie sprach. Die Urteilsverkündung hingegen nahm er nun gefasst und mit resigniertem Blick auf. Gestellt hatte er sich Mitte Mai selbst und sitzt seither in Untersuchungshaft.

In ihrer Urteilsbegründung rekapitulierte Richterin Kretzschmar die komplexe Vorgeschichte jenes Tatabends, die auch dadurch offengelegt werden konnte, dass im Juni der Eigentümer eines Overather Einfamilienhauses seinen Mieter bei der Polizei vermisst gemeldet hatte. Diese konnte den Namen des Mannes keiner realen Person zuordnen, wohl aber das Autokennzeichen.

Es stellte sich heraus, dass der Angeklagte zum 1. Januar 2020 das Haus gemietet hatte – unter falschem Namen und angeblich, um dort gemeinsam mit seinem Neffen zu wohnen. Bei diesem handelte es sich um das spätere Opfer. Gemeinsam hatten die zwei Männer, beide vorab schon in Drogengeschäfte involviert, das 150-Quadratmeter-Wohnhaus in eine Cannabisplantage verwandelt. Bis die Einsatzkräfte im Juni die 1.066 Pflanzen fanden, waren diese jedoch vertrocknet: Der jüngere der beiden Cannabisgärtner hatte mit seiner Erblindung zu kämpfen, der ältere saß in Untersuchungshaft.

"Regeln waren völlig egal"

"Sie haben die Dinge hier trotz Ihrer Übersiedelung aus einer anderen Kultur zunächst sehr gut gemeistert", befand die Richterin mit Blick auf die Jugend des Mannes, der als Kind eines italienischen Gastarbeiters nach Deutschland gekommen war und sich in jungen Jahren ein Unternehmen aufbaute: "Aber man hat das Gefühl, irgendwann nahmen die Gier und das Streben nach schnellem Geld bei Ihnen die Oberhand. Sie sind an einen Punkt gekommen, wo Ihnen Regeln völlig egal waren."

Dass dabei auch die zunehmend ausgeprägte Sucht des Mannes eine Rolle spielte, hatte er selbst im Vorfeld geschildert. Vom Studium an hatte er mit steigender Intensität Marihuana, Ecstasy und Kokain konsumiert. Halluzinationen, Verfolgungswahn und emotionale Kälte waren die Folge davon.

Wie kam es zur Auseinandersetzung?

Dazu passt die Rücksichtslosigkeit, mit der er am 9. Mai dem viel jüngeren Mann entgegentrat. Dieser hatte ihn zur Rede gestellt, weil er von einem gemeinsamen Bekannten erfahren hatte, dass der Angeklagte allein eine eigene Cannabisplantage aufbauen wollte. Darüber war er wütend, da bei der Anlage in Overath er derjenige war, der sein Wissen über den Anbau der Pflanzen eingebracht hatte. Es kam zu einem Streit, zunächst per SMS, dann zur Verabredung.

Dass dabei auch der 23-Jährige mit einem Messer bewaffnet war, hatte ein Zeuge bestätigt. Was das Gericht jedoch für unglaubwürdig hielt: die Angabe des Angeklagten, dass der junge Mann mit dem Messer auf ihn losgestürmt sei. Das hatte lediglich der Bruder des Angeklagten bestätigt – mit einer Aussage, die für den Geschmack der Kammer zu deckungsgleich mit der des Angeklagten war und außerdem viel zu spät kam. Am Tatabend war der Bruder nämlich bereits vernommen worden und hatte da noch nichts Derartiges zu Protokoll gegeben. "Es wäre zu erwarten gewesen, dass er vor Ort und wesentlich näher an der Tatzeit eher gesagt hätte, wenn sein Bruder bedroht worden wäre", so die Vorsitzende.

Verwendete Quellen
  • Beobachtungen vor Ort
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