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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Streit um Drogen Familienvater wegen Kopfschuss vor Gericht
Ein 43-Jähriger steht in Köln wegen einer brutalen Gewalttat vor Gericht. Er soll einem Mann in Bergisch-Gladbach in den Kopf geschossen haben.
Eine heftige Verletzung erlitt am 9. Mai 2020 ein Mann in Bergisch-Gladbach: Mitten auf der Straße wurde ihm in die Schläfe geschossen. Die Kugel verursachte Trümmerbrüche in beiden Augenhöhlen. Mindestens auf einer Seite, laut Staatsanwaltschaft wahrscheinlich sogar auf beiden, verlor er vollständig das Sehvermögen.
Zuvor soll er selbst seinen Kontrahenten mit einem Messer bedroht haben. Vor dem Landgericht in Köln muss sich deswegen seit Montag ein 43-jähriger Mann verantworten, der den folgenreichen Kopfschuss abgefeuert haben soll. Laut Anklage spielten Streitigkeiten im Zusammenhang mit Drogengeschäften dabei eine Rolle.
Der Angeklagte habe sein Opfer in akuter Lebensgefahr zurückgelassen, so der Oberstaatsanwalt. Nur durch das schnelle Eingreifen von Zeugen, welche Rettungskräfte alarmierten, habe der Verletzte gerettet werden können. Im Verfahren geht es daher um versuchten Totschlag und gefährliche Körperverletzung. Der Verletzte ist dabei als Nebenkläger vertreten.
Angeklagter war beruflich zunächst erfolgreich
Zu den Tatvorwürfen äußerten sich der Angeklagte und sein Verteidiger, Rechtsanwalt Günter Teworte, zunächst nicht, stellten aber in Aussicht, das zu einem späteren Zeitpunkt zu tun. Der Angeklagte machte jedoch umfangreiche Angaben zu seiner Lebensgeschichte und lieferte damit ein anschauliches Beispiel dafür, wie Drogen eine bürgerliche Existenz ruinieren können.
In vieler Hinsicht scheint sein Leben wie eine Erfolgsgeschichte: Als Arbeiterkind besuchte er zunächst die Hauptschule, erwarb nach einem Realschulabschluss auch noch die Fachoberschulreife, absolvierte eine Lehre zum Steuerfachangestellten und studierte Betriebswirtschaft. Das Studium, zu dem auch ein Auslandsjahr gehörte, finanzierte er sich selbst. Nach einer zeitweiligen Tätigkeit im Marketing eines internationalen Unternehmens machte er sich selbstständig und stieg, seinen Angaben zufolge erfolgreich, in die Immobilienbranche ein.
Er heiratete, hat mit seiner Frau zwei Kinder und lebt mit der Familie im Eigenheim. Entsprechend gepflegt ist seine äußere Erscheinung, die nicht hätte vermuten lassen, dass er aus dem Gefängnis vorgeführt wurde: Er erschien im strahlend weißen, gut gebügelten Hemd, die Haare ordentlich geschnitten. Höflich und wortgewandt antwortete er auf Fragen, die an ihn gestellt wurden.
Angeklagter konsumierte früh Drogen
Parallel zur beruflichen Laufbahn rutschte er, seit er 18 Jahre alt war, immer tiefer in die Drogensucht. "Im Studium nahm ich ungefähr ein Gramm Marihuana am Tag, am Wochenende auch Ecstasy", gab er zu. 2005, also als er etwa Ende 20 war, sei Kokain hinzugekommen. Das habe er seit 2007 täglich genommen – bis zu seiner Inhaftierung im Mai. Ab 2012 habe er täglich ein bis zwei Gramm, mitunter auch drei Gramm Kokain konsumiert.
Marihuana habe er zunehmend durch Alkohol ersetzt, um Wahnvorstellungen zu lindern: "Ich war paranoid und habe ständig gedacht, dass mir alle was Böses wollen. Ich bin nachts rausgegangen und habe kontrolliert, ob keine Wanze am Auto ist. Stundenlang stand ich am Fenster, um zu sehen, ob sich jemand in der Hecke versteckt. Auch das Handy meiner Frau habe ich immer wieder durchstöbert, weil ich dachte, dass sie fremdgeht."
Wegen Corona nur selten Haftbesuche
Auch die seelischen Folgen des jahrelangen Drogenkonsums beschrieb er eindrücklich: "Auf der Gefühlsebene bin ich abgestumpft. Meine Frau habe ich gar nicht mehr richtig geliebt, und zu meiner jüngeren Tochter habe ich keine wirkliche Beziehung aufgebaut." Kurz versagte ihm die Stimme, als er darüber sprach, wie er und seine Familie die Zeit der Inhaftierung verleben: "Meine Frau ..., ich denke, dass sie mich vermisst, aber die Drogen haben alles kaputt gemacht", brachte er mühsam hervor. Schwer sei es, dass wegen Corona nur einmal im Monat ein Besuch seiner Familie möglich sei: "Wenn das nicht wäre, wäre es einfacher."
Nachdem er sich wieder gefangen hatte, fuhr er fort: "Ich habe konsumiert, wenn meine Frau arbeiten war, und nachts, wenn alle schon im Bett waren. Ich habe versucht, das zu verheimlichen." Der Angeklagte gab an, dass er seit 2017 nicht mehr berufstätig sei und bekannte, dass er in den vergangenen Jahren nicht mehr in der Lage gewesen sei, seine Sucht auf legale Weise zu finanzieren: "Aber durch illegale Geschäfte hatte ich Geld genug."
Corona macht Zeugenvernehmung schwierig
Der Nebenkläger soll als Opferzeuge per Video vernommen werden, da er derzeit im Ausland ist. Insgesamt gestalte es sich mit den Zeugen schwierig, so die Vorsitzende: Auch von ihnen ist einer auf absehbare Zeit im Ausland, eine Polizistin musste sich kurzfristig abmelden, da sie Corona-Symptome habe und erst das Ergebnis eines Tests abwarten müsse. Eine dritte Zeugin bat darum, nicht erscheinen zu müssen.
Wegen ihres Alters und einer Herzkrankheit sei sie Risikopatientin und habe kein Auto, daher mache sie sich Sorgen hinsichtlich einer Corona-Infektion. Auf Wunsch des Vertreters der Staatsanwaltschaft wurde jedoch entschieden, dass sie kommen müsse: "Ich spendiere ihr dann für den Weg ein Taxi", so die Vorsitzende. Die Urteilsverkündung ist für den 18. Februar anberaumt.
- Eigene Recherchen
- Beobachtungen und Eindrücke vor Ort