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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Nur 50 Fans bekamen eine Karte Deutscher Popstar spielt Geheimkonzert in Kölner Café

Normalerweise tritt er vor tausenden Fans auf. Doch am Donnerstagabend hat Max Giesinger ein intimes Konzert im Kölner Café "Wo ist Tom?" gegeben.
Gleich kommt sein großes Idol auf die Bühne. Felix Roth steht am Tresen und spricht mit seinen Kolleginnen. "Das ist heute mein perfekter Tag", sagt er und lächelt. Max Giesinger im "Wo ist Tom?" – ein Traum wird wahr. Stolz zeigt er die Fotos, die er kurz vorher mit dem Popstar gemacht hat. Wenn Max Giesinger als Juror von "The Voice Kids" zu sehen ist, schaltet Felix gerne ein. Viele der Songs kann er auswendig. Sein Liebling: "80 Millionen". Auf einem Konzert war er bislang noch nie. Das ändert sich an diesem Abend.
Kurze Zeit später ist es soweit: Max Giesinger betritt das Café. Ein lockeres "Servus, Leude", dann steckt er das Kabel des Verstärkers in seine Gitarre und singt seinen ersten Song. Rund 50 Fans im Café hängen an seinen Lippen. Felix steht nur wenige Meter von seinem Lieblingssänger entfernt. Er spricht jedes Wort des Liedtexts nach.
Max Giesinger: Überraschungskonzert in Kölner Café
Max Giesinger spielt das Konzert im Rahmen seiner Zusammenarbeit mit der "Aktion Mensch". Die rund 50 Tickets waren zuvor ausschließlich verlost worden. "Wo ist Tom?" ist als Konzertort gewählt worden, weil es ein Vorzeigeprojekt von "Aktion Mensch" ist. In der Vergangenheit ist das inklusive Café bereits finanziell gefördert worden.
"Wo ist Tom?" gibt Menschen mit Behinderungen die Chance, im Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Menschen wie Felix. Der 21-Jährige hat das Down-Syndrom. Das hält ihn aber nicht von seinem Traumjob im Café ab. "Hier kann ich Service machen und Gäste bedienen", sagt Felix im Gespräch mit t-online. "Und im Team zu arbeiten, ist mir echt wichtig."
Im Sülzer Café hat er seine Ausbildung zur Fachkraft im Gastgewerbe gemacht. Damit kann er auch in nicht-inklusiven Gastronomien tätig sein. Fünf Monate habe er nach seiner Ausbildung woanders gearbeitet, erzählt Felix. "Aber ich habe mich dort nicht so wohl gefühlt. Ich hatte immer dieselben Aufgaben. Das hat mich runtergezogen." Seit Anfang des Jahres ist er zurück in seinem Heimatcafé. "Das hier ist mein Leben", sagt er.
"Wo ist Tom?": Chance für Menschen mit Behinderung in Sülz
Auf der kleinen Bühne des Cafés spielt sein Idol Max Giesinger den Mega-Hit "Wenn sie tanzt". Der Popstar ist entspannt, wirkt total nahbar. Es sei lange her, dass er in einer so kleinen Runde aufgetreten sei. "Das hat richtig Nostalgic Vibes, wie früher", erzählt er mit einem Lächeln. Und schmeichelt sich mit einem Satz noch mehr in die Herzen seiner Fans: "Ich weiß nicht, was es ist. Aber Köln hat eine Magic, die keine andere deutsche Stadt hat."
Im Gepäck hat Giesinger auch seinen aktuellen Song "Menschen", der als Soundtrack für die Frühjahrskampagne von "Aktion Mensch" ausgewählt wurde. "Ich wünsche mir, dass die Menschen wieder näher zusammenrücken", sagt er im Gespräch mit t-online. "Unsere Gesellschaft driftet seit Jahren immer weiter auseinander. Wir haben verlernt, miteinander zu sprechen."
Kölner Café steht für "wahre Inklusion"
Brücken schlagen, Zusammenhalt fördern – das sind zentrale Ziele von Inklusion. Im "Wo ist Tom?" und dem zweiten Café "Tom am Platz" wird das auch auf das Arbeitsleben übertragen. Zehn Angestellte haben eine geistige oder eine Mehrfachbehinderung. Was die Cafés von anderen inklusiven Gastronomien unterscheidet: Der Fokus liegt auf den Gästen, nicht auf den Menschen mit Behinderungen.
Igor Buljovcic, der die Cafés leitet, spricht von "wahrer Inklusion". Denn das Ziel sei, die Mitarbeitenden mit Beeinträchtigungen ernst zu nehmen und für den Arbeitsmarkt fit zu machen. "Sie müssen leistungsfähig sein. Guter Service und gute Qualität beim Essen und Kaffee sind uns wichtig", sagt Buljovcic. Damit das funktioniert, werden die Mitarbeitenden mit Behinderung eng begleitet und ihre Stärken gefördert.
Durchaus mit Stolz sagt Buljovcic: "Unsere Mitarbeiter mit Behinderung sind teilweise leistungsstärker als Menschen ohne Behinderung." Das "Wo ist Tom?" bietet mittlerweile auch Catering an und kocht für zwei Schulen.
Seit dem Start im Jahr 2013 gab es nicht nur Erfolgsgeschichten. Manche Mitarbeitende seien schlicht nicht für die Arbeit in der Gastronomie gemacht gewesen, erzählt Buljovcic. Doch mittlerweile haben drei behinderte Angestellte des "Wo ist Tom?" erfolgreich ihre Ausbildung abgeschlossen. Zwei Menschen mit Behinderungen sind gerade mittendrin. "Mich macht es stolz, zu sehen, dass aus schüchternen Menschen – über die andere gesagt haben: 'Du schaffst es nie' – Menschen mit einer Ausbildung werden", sagt der Caféleiter weiter.
Mitarbeiter Felix will "ein Zeichen setzen"
Das Attribut "schüchtern" trifft auf Felix überhaupt nicht zu. Der 21-Jährige ist regelmäßig in Instagram-Posts von "Wo ist Tom?" und in Kampagnen von "Aktion Mensch" zu sehen. "So kann ich zeigen, dass auch Menschen mit Down-Syndrom arbeiten können." Über seine Behinderung sagt er: "Auch, wenn es mich ein bisschen traurig macht, will ich trotzdem ein Zeichen setzen."
An diesem Donnerstagabend soll das aber kein Thema sein. Eine gute Stunde spielt Max Giesinger seine Hits – neben "Wenn sie tanzt" und "Zuhause" auch "Butterfly Effect" aus seinem neuen Album. Nach gut einer Stunde, mit der zweiten Zugabe, kommt endlich Felix‘ Lieblingssong: "80 Millionen". Nicht nur er, sondern auch die anderen 50 Fans im "Wo ist Tom?" singen lauthals mit.
- Reporter vor Ort
- Gespräch mit Felix Roth
- Gespräch mit Igor Buljovcic
- Anfrage an Max Giesinger