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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Fußball-EM in Köln An diesen Orten werden Fans mit Kameras überwacht
Am 14. Juni startet die Fußball-EM in Deutschland. Wird zur Erhöhung der Sicherheit auch die Videoüberwachung verstärkt?
"Welcome to Cologne!" Diesen Satz wird man während der EM noch häufiger hören als sonst. Die Stadt Köln empfängt alle Fußballbegeisterten mit offenen Armen: "Entdecke während der UEFA Euro 2024, was unsere weltoffene Metropole am Rhein so besonders macht! Wir freuen uns auf dich und die Fans aus ganz Europa", heißt es auf der Webseite der Stadt Köln.
Und der Andrang wird groß sein: Alleine aus England und Schottland erwartet die Kölner Polizei jeweils 100.000 Fans. Seit der Auslosung stehen die Sicherheitsverantwortlichen mit den jeweiligen Fanvertretungen in Kontakt. Um die Gefahr von Ausschreitungen und Anschlägen zu minimieren, greift die Polizei auch auf Videobeobachtung zurück.
106 Kameras filmen rund um die Uhr in Köln
Schon seit einigen Jahren ist Köln bei diesem Thema Vorreiter. 2016 gestartet, werden inzwischen sieben Kriminalitätsbrennpunkte rund um die Uhr mit Videokameras überwacht: die Bereiche Dom/Hauptbahnhof, Ringe, Breslauer Platz, Ebertplatz, Neumarkt, Wiener Platz und Kalk. Dort gebe es laut Polizei eine "Vielzahl an Delikten, deren Anzahl und Qualität sich im Vergleich zum Kölner Stadtgebiet signifikant abheben". 106 Kameras sind im Einsatz. Hinweisschilder informieren über die genauen Bereiche, in denen gefilmt wird.
"Die übertragenen Videobilder werden in der Videozentrale durch speziell geschulte Mitarbeitende der Polizei Köln rund um die Uhr live beobachtet und bewertet", so die Polizei. "Ziel ist es, sich anbahnende Straftaten oder Gefahrenlagen frühzeitig zu erkennen und diese durch schnelle Entsendung von Einsatzkräften zu verhindern." Könne die Straftat nicht verhindert werden, so wolle man zumindest deren Folgen minimieren und die Täter fassen.
Darüber hinaus werde die Polizei während der Fußball-EM aber keine weiteren Örtlichkeiten in Köln per Video überwachen, sagt Sprecher Christoph Gilles im Gespräch mit t-online. "Dafür fehlt uns die rechtliche Grundlage."
Videodaten müssen nach 14 Tagen gelöscht werden
Wo gefilmt werden darf, regelt das Polizeigesetz des Landes Nordrhein-Westfalen. In Paragraf 15a heißt es, dass die Polizei dürfe "einzelne öffentlich zugängliche Orte" filmen darf, wenn "an diesem Ort wiederholt Straftaten begangen wurden und die Beschaffenheit des Ortes die Begehung von Straftaten begünstigt" werden. Dabei muss die Annahme gerechtfertigt sein, "dass an diesem Ort weitere Straftaten begangen werden." Auch darf gefilmt werden, wenn man davon ausgehen kann, dass an einem Ort "Straftaten von erheblicher Bedeutung (…) verabredet, vorbereitet oder begangen werden."
Die Videodaten müssen nach 14 Tagen automatisch gelöscht werden, sofern sie nicht als Beweismittel in einem Strafverfahren dienen. Außerdem darf nicht gefilmt werden, wenn in den genannten Bereichen "friedliche Versammlungen" stattfinden. Polizeisprecher Gilles erklärt, was damit gemeint ist: "Das Grundrecht des Artikels 8 im Grundgesetz auf Versammlungsfreiheit garantiert, dass sich jeder friedlich und ohne Waffen versammeln darf." Eine polizeiliche Videobeobachtung würde in diesem Fall die Persönlichkeitsrechte von Teilnehmenden verletzen.
Sollte es während einer solchen Versammlung aber zu Straftaten kommen, dürfe die Polizei die Videoüberwachung wieder aufnehmen. Dass sich Fans während der Fußball-EM in der Stadt aufhalten, ist nicht als "friedliche Versammlung" zu werten und deswegen darf an den Kriminalitätsbrennpunkten auch gefilmt werden.
Auch Stadt Köln mit Videoüberwachung bei EM
Die Stadt Köln wird während der EM ebenfalls auf Videobeobachtung zurückgreifen, bestätigt eine Sprecherin auf Anfrage von t-online. "Die Videobeobachtung dient lediglich der Erkennung von Personenströmen und zur Identifikation größerer Personenansammlungen. Ziel ist die Publikumssteuerung, es handelt sich nicht um eine individuelle Personenerkennung."
Gefilmt wird in der Kölner Altstadt, der Football Experience in Köln-Deutz, der rechts- und linksrheinischen Seite der Hohenzollernbrücke, der Special Public Viewing Area auf dem Konrad-Adenauer-Ufer und im Bereich der Public Viewing Fläche Girlitzweg. Dort aber nur am 15. Juni, wenn Ungarn gegen die Schweiz spielt.
"Das Videomaterial wird nicht aufgezeichnet und wird dementsprechend im Nachgang nicht auswertbar sein", erklärt die Sprecherin. Es sei jedoch geplant, die Videosignale aller Anlagen auch an die Polizei und die Feuerwehr zu übertragen.
Initiative klagt gegen Videoüberwachung in Köln
Aber haben die Maßnahmen überhaupt Erfolg? Es gibt keine Statistiken, die festhalten, wie viele Straftaten jährlich durch den Einsatz von Videobeobachtung verhindert oder wie viele Täter ermittelt wurden. Eine Polizeistatistik ergab, dass die Straftaten rund um den Dom und an den Ringen 2017 und 2018 um rund ein Viertel zurückgingen – doch welchen Einfluss die installierten Kameras darauf haben, ist unklar.
Die Kölner Initiative "Kameras stoppen" möchte gegen die Videoüberwachung vorgehen. Sieben Klagen sind seit 2021 beim Verwaltungsgericht eingereicht worden, teilweise unterstützt die Initiative auch Anwohner bei deren Klagen. Eines der Hauptargumente: Die Videoüberwachung rund um die Uhr greife ins Privatleben der Menschen ein und beschränke Bürgerrechte. Bislang wurde jede Klage abgewiesen.
- Gespräch mit Polizeisprecher Christoph Gilles
- Anfrage bei der Stadt Köln
- koeln.polizei.nrw: Polizeiliche Videobeobachtung in Köln
- kameras-stoppen.org: Webseite von "Kameras stoppen"
- Mit Material der Nachrichtenagentur dpa