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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Requisiteur erzählt So kommen die "Tatort"-Kommissare an ihre Autos
Er steht bei den Drehs im Hintergrund, seine Arbeit ist jedoch elementar für den "Tatort". Requisiteur Lutz spricht mit t-online über die Karossen der Kommissare.
Wenn am kommenden Sonntag der Kölner Tatort "Spur des Blutes" ausgestrahlt wird, sitzt auch Manfred Lutz vor dem Fernseher. Worauf die meisten Zuschauer nur am Rande achten dürften, wird für ihn wieder die wichtigste Rolle spielen: Wie kommen die Autos auf dem Bildschirm rüber?
Seit 25 Jahren ermitteln die TV-Kommissare Freddy Schenk (Dietmar Bär) und Max Ballauf (Klaus J. Behrendt) nun in Köln, "Spur des Blutes" ist ihr 85. Fall. In fast jeder Folge fährt Freddy Schenk einen anderen Wagen. Weil sie aus der Asservatenkammer stammen, kann er nach Belieben wechseln. Meistens cruist er mit auffälligen Limousinen älteren Baujahrs durch Köln, gern amerikanischer Herkunft. So viel verrät Manfred Lutz schon jetzt: In der Jubiläumsfolge ist Schenk in einem Chevrolet Caprice unterwegs.
Kölner "Tatort": Autos müssen Charakter der Figuren unterstreichen
Der 64-Jährige sitzt im kleinen Büro seiner Firma "Mannis Garage" in Köln-Niehl. Auf seinem Schreibtisch liegen Autobücher, an der Wand steht eine historische Zapfsäule, daneben eine lebensgroße Johnny-Depp-Figur aus "Fluch der Karibik". Durch das Fenster kann Manfred Lutz seinen privaten Ford Granada Kombi von 1976 sehen, nur ein paar Schritte entfernt steht der Porsche Targa, der aktuell in der Verfilmung der Entführung von Johannes Erlemann im Jahr 1981 gebraucht wird. Unter einem Carport wartet ein Alfa Romeo 164 auf den nächsten Dreh für die Krimiserie "Wilsberg".
Manfred Lutz ist Fahrzeug-Requisiteur. Seit den 90er Jahren organisiert er für Film- und Fernsehproduktionen Autos aller Art und betreut sie am Set. Magnum fuhr Ferrari, Columbo Peugeot 403 Cabrio, James Bond Aston Martin – die Autos der Hauptdarsteller unterstreichen immer auch ihren Charakter. Und Manfred Lutz gehört zu den wenigen Spezialisten in Deutschland, die die passenden Gefährte organisieren. Stars wie Keira Knightley, Mario Adorf und Götz George machte der unkomplizierte Kölner mit dem Schnurrbart schon vor der Kamera mobil.
Requisiteur: "Tatort" war der große Traum
An 441 Produktionen waren er und seine Fahrzeuge mittlerweile beteiligt, darunter an mehr als 20 Tatorten aus Köln, 14 aus Münster und 4 aus Dortmund. "Ich hatte immer die Vorstellung: Wenn du es mal schaffst, den Tatort zu machen, bist du ganz oben angekommen", sagt Manfred Lutz, den am Set alle nur Manni nennen. Insofern ist er längst oben angekommen, dabei aber bodenständig geblieben.
Auch Manni wuchs mit dem Tatort auf, vor allem Ruhrpott-Rüpel Horst Schimanski liegt ihm am Herzen. 2006 kam dann der heiß ersehnte Anruf der Produktionsgesellschaft. Mannis erster Tatort-Einsatz war in Köln, die Folge hieß "Spätschicht" und für Freddy Schenk besorgte er einen Buick LeSabre aus den 60er Jahren, der sofort Probleme machte: "Dietmar hat sich beim ersten Take reingesetzt und sich direkt die Hose eingerissen, weil im Sitz eine Feder gesprungen war." Trotzdem nahm die Zusammenarbeit weiter Fahrt auf.
Beruf fing mit Verleih seines Privatautos an
Die Liste der Fahrzeuge, die er für den Tatort-Hauptdarsteller zur Verfügung stellte, reicht vom Opel Diplomat über den Jeep Grand Wagoneer bis zum Citroën DS. Für den VW Golf I Cabrio, den Manni 2017 für die Folge "Familien" organisierte, erntete Freddy Schenk Spott von Rechtsmediziner "Doc" Roth alias Joe Bausch. Das ungewöhnlich kleine Auto wird auch "Erdbeerkörbchen" genannt. Besonders gern erinnert sich Manfred Lutz an den Ford Granada von 1980, den er für die Folge "Nachbarn" vermittelte. Zunächst habe Dietmar Bär das Auto nicht so gut gefallen, dann "fand er das Auto super und kam mit dem Besitzer so gut klar, dass da schon fast so etwas wie eine Freundschaft entstanden ist".
Der gelernte Kfz-Mechaniker und Oldtimer-Fan hat sich seinen Beruf nicht ausgesucht, der Beruf hat ihn ausgesucht. Alles fing mit seinem privaten Mercedes 300 "Adenauer" an, den er für den Film "Die Bubi Scholz Story" vermietete. Danach wurde er gefragt, ob er für eine amerikanische Produktion in Deutschland die Drehfahrzeuge organisieren könne. Manni konnte und machte seine Sache gut, sein Name sprach sich herum.
Nur Automatik-Wagen: Kölner "Tatort" bringt besondere Herausforderung
Oft muss er für ein Projekt einen ganzen Fuhrpark organisieren, sehr konkrete Vorgaben gibt es meistens für das Auto des Hauptdarstellers oder der Hauptdarstellerin. Dann schaut sich Manfred Lutz auf Oldtimertreffen um oder fragt Autohändler oder Werkstätten nach entsprechenden Kundenfahrzeugen, die er mietet. Manche Autos kauft er auch an, etwa, wenn sie laut Drehbuch einen Unfall haben oder über einen längeren Zeitraum eingesetzt werden. Der "Wilsberg"-Alfa zum Beispiel hat seinen festen Platz auf seinem Hof.
Beim Kölner Tatort gibt es eine besondere Herausforderung. "Das Problem ist, dass Dietmar Bär zwar Schaltwagen fahren kann, aber beim Dreh nur Automatikautos fahren will." Das mache die Suche nach dem passenden Wagen nicht einfacher. Und er habe gelernt, dass es besser ist, alle Details über das Auto zu kennen, sagt Manfred Lutz. Denn Dietmar Bär, selbst Oldtimer-Fan, wolle immer genau wissen, was genau er da fahre.
Defektes Auto kann ganzen Dreh sprengen
Ruhe und Zuverlässigkeit seien das Allerwichtigste in seinem Job, sagt Manfred Lutz. Selbst die Schauspielerin, die am letzten Tag eines Drehs einen VW Käfer aus Versehen vor die Wand gefahren habe, brachte ihn nicht aus dem Konzept. Auch nicht der Citroën CX, dessen Hydraulikleitung in Wuppertal nach dem letzten Take platzte und der eine Menge Öl verlor – der einzige technische Ausfall in all den Jahren. Manni klopft dreimal auf seinen Schreibtisch. Viel Unvorhergesehenes sei ihm bisher nicht passiert. Zum Glück, ein defektes Auto kann schließlich einen ganzen Dreh sprengen.
Dass es meistens glattlief, liegt sicher auch am hohen Anspruch an seine Arbeit: Vor jedem Einsatz checkt Manfred Lutz seine Fahrzeuge und nimmt zum Set eine Reihe Ersatzteile und Werkzeug mit. Auch inhaltliche Fehler versucht er tunlichst zu vermeiden. Irgendjemand bekommt schließlich immer mit, wenn Autos eingesetzt werden, die es in der Zeit der Handlung noch nicht gegeben hat. Nach dem "Wunder von Bern", dem Film über die Fußball-WM 1954, für den Manfred Lutz 60 historische Fahrzeuge organisierte, monierte jemand, dass ein VW Bulli eingesetzt wurde, den es in dieser Version damals noch gar nicht gab. Die Rückleuchten machten den feinen Unterschied.
Manfred Lutz, der besonnene und immer freundliche Filmauto-Schrauber mit dem verschmitzten Lächeln, liebt seinen Job: "Du kommst an Orte, die du sonst nie kennengelernt hättest und du lernst Menschen kennen, die du nie kennengelernt hättest." Aber die Filmwelt, die nicht immer einfach sei, sei ihm auch immer ein wenig fremd geblieben. Manni hält sich bei den Drehs lieber im Hintergrund auf und ist zur Stelle, wenn es Probleme gibt. Ab Ende des Jahres will er weiter auf Distanz gehen zu seinem Job. Das Erlemann-Projekt zieht er noch durch, dann gibt er seine Firma an seinen Kompagnon weiter.
- Gespräch mit Manfred Lutz