Gießen Staatsanwaltschaft fordert Haftstrafe für Umweltaktivistin
Im Berufungsprozess gegen eine Umweltaktivistin hat die Staatsanwaltschaft zwei Jahre und vier Monate Haft für die Angeklagte gefordert. In ihrem Plädoyer am Mittwoch vor dem Landgericht Gießen warf die Staatsanwältin der Frau vor, den Rechtsstaat "im wahrsten Sinne der Worte mit den Füßen getreten" zu haben. Mit ihren Taten habe sie sich von legitimem Protest und zivilen Ungehorsam "meilenweit" entfernt. Die Verhandlung wurde erneut von Protesten von Unterstützern der Angeklagten begleitet.
Der Fall steht im Zusammenhang mit den Protesten gegen Waldrodungen für die neue Autobahn 49 in Mittelhessen. Die Aktivistin soll im Herbst 2020 bei der Räumung eines Protestcamps im Dannenröder Forst in rund 15 Metern Höhe unter anderem einen Polizisten ins Gesicht und gegen den Kopf getreten sowie einem weiteren Beamten ihr Knie ins Gesicht gestoßen haben. Die Angeklagte, deren Identität unbekannt ist und die "Ella" genannt wird, sitzt in Untersuchungshaft.
Der Frau sei es nicht um den Klimaschutz gegangen, sondern um ihren Kampf gegen den Rechtsstaat und die Demokratie, sagte die Staatsanwältin. Sie sei auch kein Opfer willkürlicher Polizeigewalt geworden. Die Anklagevertreterin sah die Vorwürfe gegen die Aktivistin als bestätigt an und verwies auf Videos von dem Vorfall und Zeugenaussagen. Sie habe auch keinen Grund zu der Annahme, dass die Polizisten vor Gericht - trotz Erinnerungslücken und Abweichungen zu früheren Angaben - bewusst falsch ausgesagt hätten.
Zu Beginn des Prozesses im Januar hatte die Angeklagte erklärt, sie habe aus einem "Überlebensinstinkt" heraus gehandelt. Sie sei von Polizisten festgehalten und geschlagen worden, in ihrer Angst habe sie sich instinktiv widersetzt.
Ob es am nächsten Prozesstag am 1. April zum Plädoyer der Verteidigung und zu einem Urteil kommt, war noch unklar. Das Verfahren zog sich zuletzt, da sich das Gericht mit diversen Beweisanträgen der Verteidigung befassen musste. Die Kammer wies diese am Mittwoch allesamt ab mit der Begründung, dass damit die Verschleppung des Verfahrens bezweckt werde. Am vorangegangenen Prozesstag hatte die Verteidigung bereits beantragt, den Vorsitzenden Richter wegen Befangenheit abzulehnen. Das wurde einem Gerichtssprecher zufolge mittlerweile zurückgewiesen.
In erster Instanz war die Angeklagte unter anderem wegen gefährlicher Körperverletzung und Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte zu einer Haftstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verurteilt worden.