"An Dreistigkeit kaum zu überbieten" Wie Kupferdiebe in Niedersachsen die Energiewende ausbremsen

Bislang kappten sie vor allem Bahnleitungen oder stahlen Rohre auf Baustellen: Inzwischen brechen Kupferdiebe auch in Windkraftanlagen ein. Die Polizei sieht eine Serie. Und die Schäden sind immens.
Unbemerkt und mit Spezialwerkzeug ausgestattet, brechen Diebe in Niedersachsen in Windkraftanlagen ein, um Kupferkabel zu stehlen. Dabei riskieren sie nicht nur ihr Leben, sondern hinterlassen auch immense Schäden. Besonders der Westen des Bundeslands ist betroffen, wie das Landeskriminalamt (LKA) Niedersachsen berichtet. Die Zahl der Fälle ist im Jahr 2024 sprunghaft angestiegen.
Die Täter haben es auf die dicken Stromkabel in den Windkrafttürmen abgesehen. Diese verlaufen von der Gondel in bis zu 150 Metern Höhe bis zum Netzanschluss im Fundament. Der Windparkprojektierer Horst Mangels, selbst Opfer eines Diebstahls, schildert: "Da sind sie im Windpark in eine Anlage eingebrochen und haben die Kupferkabel aus dem Turm rausgeschnitten. Da haben sie sich sogar noch die Zeit gelassen und haben die Kabelstücke in ein bis zwei Metern Länge abisoliert"
In einem Fall wurden komplette Kabeltrommeln von einer Baustelle gestohlen – mit einem zuvor entwendeten Lkw und einem Baufahrzeug. "Das ist an Dreistigkeit kaum zu überbieten", so Mangels.
Hochspezialisierte Täterbanden
Die Ermittler gehen davon aus, dass die Täter über umfangreiches Fachwissen und spezielle Ausrüstung verfügen. Laut LKA agieren sie in Gruppen von bis zu acht Personen, nutzen Klettergeschirr und arbeiten hochprofessionell. Besonders gefährlich: Die Kabel stehen unter Hochspannung. "Aufgrund dieser Umstände kommt es häufig auch nur zu Versuchstaten", so das LKA.
Obwohl moderne Windräder Fehlermeldungen senden, wenn die Stromzufuhr unterbrochen wird, dauert es oft Stunden, bis Techniker vor Ort sind. Dazu kommt: Die meisten Anlagen stehen in wenig bewohnten Gegenden – ideale Bedingungen für die Diebe. "Die wissen genau, was sie tun", betont Mangels.
Millionenschäden und lange Ausfallzeiten
Es dauere teils mehrere Monate, bis ein Windrad wieder in Betrieb gehen könne, sagt Horst Mangels. Servicetechniker müssten bestellt, Materialien beschafft und die neuen Kabeln schließlich ganz neu eingezogen werden. Dann muss die Anlage zunächst in einen Probebetrieb, um danach einen reibungslosen Dauerbetrieb sicherzustellen. Neben den Reparaturkosten kommt für die Betreiber auch noch ein Ertragsausfall hinzu.
Nach Angaben des LKA werden die meterlangen Kabelabschnitte von der Isolation getrennt oder im Ganzen an Schrotthändler verkauft oder zur Schrottverwertung ins Ausland gebracht und dort zu Geld gemacht. Um die tonnenschwere Beute abzutransportieren, nutzen die Täter meist kleine Transporter oder Pritschenwagen – manchmal sogar ganze Lkw.
Kameraüberwachung, Alarmanlagen und Sicherheitspersonal
Die Polizei in Meppen, zuständig für das Emsland, wo es zuletzt zu mehreren Diebstählen kam, rät Windparkbetreibern deshalb, mehr für den Schutz der Anlagen zu tun. "Wir empfehlen daher, verstärkte Sicherheitsvorkehrungen zu treffen und insbesondere die Überwachung Ihrer Anlagen zu intensivieren", heißt es in einem Schreiben der Beamten. Dazu zählten etwa zusätzliche Kameras oder Bewegungsmelder, die Installation von Alarmanlagen und regelmäßige Kontrollen, um Schwachstellen zu entdecken.
Für eine solche Nachrüstung sind allerdings die Windparkbetreiber selbst zuständig. "Herstellerseitig sind Windenergieanlagen mit abschließbaren Türen gesichert und verschlossen, ein einfacher Zutritt ist somit nicht einfach möglich", teilte etwa eine Sprecherin des Auricher Windenergieanlagenbauers Enercon auf Anfrage mit. Zusätzliche Schutz- und Überwachungsmaßnahmen seien eine Sache der Anlagenbetreiber.
Windparkbetreiber Horst Mangels sagt, angesichts der vielen Einbrüche sicherten immer mehr Betreiber von Windkraftanlagen ihre Anlagen entsprechend stärker ab. Neben Kameraüberwachung und Alarmanlagen gehe es auch um Sicherheitspersonal, das bei Alarmmeldungen schnell die Anlagen vor Ort kontrolliere. "So versuchen wir uns, davor zu schützen", sagt Mangels. Auch Baustellen kämen längst nicht mehr ohne Wachschutz aus.
- Mit Material der Nachrichtenagentur dpa
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