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Biberratten in Hannover: Stadt entfernt Satire-Zoo "Nutria World"


"Hätte sich humorvoller zeigen können"
"Nutria World": Stadt entfernt Satire-Zoo – und fordert Kosten zurück

Von t-online, cch

Aktualisiert am 01.08.2023Lesedauer: 4 Min.
"Deutschlands größter Nutria-Zoo": Mit diesen Plakaten machte das Künstler-Kollektiv auf sein Projekt aufmerksam.Vergrößern des Bildes
"Deutschlands größter Nutria-Zoo": Mit diesen Plakaten machte das Künstler-Kollektiv auf sein Projekt aufmerksam. (Quelle: "Nutria World")

In Hannover wurde ein Zoo der etwas anderen Art ins Leben gerufen. Es sollte Satire sein, nun wird es teuer für die Initiatoren.

Sie sollte den Bahndamm in Hannover-Ahlem ein bisschen schöner machen und die Menschen zum Schmunzeln bringen, nun gibt es die "Nutria World" nicht mehr. Wie die "Hannoversche Allgemeine Zeitung" berichtet, ist das unangemeldete Satireprojekt von der Stadt beseitigt worden. Die Kosten dafür stellt sie jetzt den Machern in Rechnung.

Denen war die Idee für ihren ungewöhnlichen Nutria-Zoo vor drei Monaten gekommen. Nutrias sind Biberratten, die Art stammt ursprünglich aus Südamerika. Die Nagetiere breiten sich in Niedersachsen immer weiter aus, auch in Hannover. Am Bahndamm beobachtete Daniel Pflieger, wie sich Passanten für die dort in einem Regenrückhaltebecken lebenden Nutrias interessierten.

"Ich wohne dort in der Ecke und es war einfach alles vorhanden, was ein Zoo so braucht: Tiere und Zäune", sagt der Künstler im Gespräch mit t-online. Da habe er einen Freund angerufen und ihn gefragt, ob er nicht Zoobesitzer werden möchte.

"Nutria World" hat eigenen Audioguide

Er wollte. Und so brachte das Künstlerkollektiv Drünter & Dünkelhaft mit zwei weiteren Teammitgliedern vor rund fünf Wochen vor Ort Schilder an, stellte eine lebensgroße Dinousaurierfigur auf, machte mit Plakaten in der Stadt Werbung, erstellte einen Eintrag bei Google Maps, nahm einen Audioguide auf und gestaltete eine Website, auf der Interessierte sogar Merchandise kaufen können. "Wir haben uns auch eine Evolutionsgeschichte der Nutrias ausgedacht und sie als blutdürstige Kampftiere dargestellt", sagt Pflieger.

Alles lustig gemeint. Alles eine Art Kunst. "Ich verstehe meinen Auftrag in der Welt darin, diese schöner zu machen", sagt Pflieger, der unter dem Künstlernamen Daniel Drünter agiert. "Und das fängt dort an, wo ich wohne." Dazu gehörte auch eine Aufräumaktion, denn am Bahndamm stapelten sich Müll und Dreck. Zusammen mit dem Entsorgungsunternehmen Aha und vielen Freiwilligen sammelten die Betreiber des fiktiven Zoos vor ein paar Wochen den Müll ein. "Wir wollten aufmerksam machen auf das anhaltende Problem an der Wertstoffinsel dort; die lädt viele Leute offenbar dazu ein, ihren Sperrmüll und Hausmüll dort hinzuschütten."

Außerdem wollten er und die anderen Initiatoren zeigen, dass in der freien Natur unterhaltsame Tiere vorhanden sind, die man sich anschauen könne. "Man muss nicht immer teuren Zooeintritt bezahlen, um etwas Schönes zu sehen."

Der Zoo sei wenige Tage später von der Stadtentwässerung, der das Grundstück gehört, entdeckt worden. "Wir haben dann auch Kontakt mit der Leiterin der Stadtentwässerung aufgenommen, uns entschuldigt, dass wir die Aktion nicht vorher abgesprochen haben", sagt Pflieger. "Und auch angeboten, unsere Sachen wieder abzubauen."

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Auf das Angebot habe man keine Reaktion erhalten. Die kam vergangenen Woche Donnerstag, in Form einer Rechnung. 770 Euro will die Stadtentwässerung von der "Nutria World" zurück. So viel hat es laut der Rechnung gekostet, die Schilder auf dem Gelände wieder abzubauen. "Das verwundert uns sehr", sagt Pflieger. Er habe zusammen mit zwei weiteren Personen zwei Stunden für den Aufbau benötigt. Für den Abbau durch die Stadtentwässerung wurden hingegen zwei Fahrzeugen und sechs Personen eingesetzt, darunter drei Schlosser. Er soll mehrere Stunden gedauert haben. "Warum wurde so viel Aufwand betrieben?", fragt Pflieger. "Wir haben nichts beschädigt. Die Schilder waren nur eingeklemmt."

Grundstück der Stadtentwässerung wurde unbefugt betreten

Die Stadt erklärt hingegen, dass Kosten "durch Beschädigungen und durch Arbeitsaufwand" entstanden seien. Zudem wirft sie den Künstlern vor, das Grundstück unbefugt betreten zu haben und der Aufforderung, die Gegenstände zu entfernen, nicht gefolgt zu sein. Die Gruppe habe die gesetzliche Frist hierfür verstreichen lassen. "Stattdessen wurde dann ein anderes Grundstück der Stadtentwässerung unbefugt betreten, um die sichergestellten und dort gelagerten Gegenstände zu entwenden." Obwohl Straftatbestände erfüllt wurden, habe man angeboten, es bei der Rechnung zu belassen.

Die Stadtentwässerung könne sich im Sinne des Umweltschutzes zwar gemeinsame Aktionen vorstellen, heißt es weiter. Solche müssten aber im Vorfeld geplant, vorbereitet und abgestimmt sein. "Nutrias als Objekt einer Aktion dieser Art werden hingegen sehr kritisch gesehen." Es könnten laut Stadt bei entsprechender Population starke Einbrüche im Erdreich und Folgeschäden entstehen, da Nutrias das Erdreich durchwühlen und sehr große Hohlräume anlegen würden – eine "Gefahr für bauliche Haltungen wie zum Beispiel Dämme, Straßen und Uferbereiche, wie sie am Regenrückhaltebecken in Ahlem vorkommen". Die Stadtentwässerung habe zur Bekämpfung der Nutrias bereits die Landwirtschaftskammer Niedersachsen eingeschaltet.

Petition für "Nutria World" gestartet

Künstler Pflieger will derweil die Rechnung nicht bezahlen. Obwohl der Justiziar der Stadtentwässerung ihm mitgeteilt habe, dass es dann zu einer Strafanzeige kommen wird. "Uns sind ebenfalls Kosten entstanden", sagt Pflieger. Die Zoo-Initiatoren haben deshalb wiederum eine Rechnung bei der Stadtentwässerung eingereicht. In dieser fordern sie insgesamt nicht ganz ernst gemeinte 44.000.085,20 Euro – für Rückführungskosten von drei Dilettanten und einem Assistent-Dilettanten, die taktische Satellitenüberwachung, ein Sicherheits-Consulting und die traumatherapeutische Behandlung des Dinosauriers. Zudem haben sie eine Petition für den Wiederaufbau der "Nutria World" gestartet.

"Die Stadtentwässerung hätte sich etwas großmütiger und humorvoller zeigen können. Sie wäre die einzige Stadtentwässerung mit eigenem Zoo und Dino gewesen", so Pflieger. "Das hätte ihr gut gestanden."

Verwendete Quellen
  • Telefonat mit Daniel Pflieger vom Kunstkollektiv Drünter & Dünkelhaft
  • Anfrage an die Stadt Hannover
  • Rechnung der Stadtentwässerung an "Nutria World"
  • Rechnung von "Nutria World" an die Stadtentwässerung
  • nutria-world.jimdosite.com
  • haz.de: "Ärger um Satireprojekt: Stadtentwässerung droht Machern von Nutria-Zoo mit Klage"
  • instagram.com: nutria_world_official
  • change.org: Petition "Nutrias und Dinos für Hannovers Kinder"
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