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Silvester-Chaos in Deutschland: Waren Rechtsextreme mitverantwortlich?


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Irritation um Minister-Zitat
Waren Rechtsextreme für die Silvestergewalt mitverantwortlich?


Aktualisiert am 06.01.2023Lesedauer: 4 Min.
Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (Archivbild): Offenbar wurde eine Aussage des Ministers unglücklich kommuniziert.Vergrößern des Bildes
Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (Archivbild): Offenbar wurde eine Aussage des Ministers unglücklich kommuniziert. (Quelle: Droese/imago-images-bilder)
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Ein vom NDR bei Twitter verbreitetes Zitat von Niedersachsens Innenminister Pistorius sorgt für einen Shitstorm. Dabei sind die Sätze aus dem Zusammenhang gerissen.

Hat Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD) bei einem NDR-Interview fälschlicherweise Rechtsextreme mit den Ausschreitungen in der Silvesternacht in mehreren deutschen Städten in Verbindung gebracht? Das behaupten zahlreiche Facebook- und Twitter-Nutzer und der Journalist Boris Reitschuster.

Der Sender NDR Info hatte am Dienstag auf seinen unterschiedlichen Social-Media-Kanälen ein Foto mit einem Zitat von Pistorius veröffentlicht, ein sogenanntes Sharepic, und damit einen regelrechten Shitstorm ausgelöst. Doch was ist dran an den Vorwürfen?

Pistorius soll in dem Interview über "überwiegend junge Männer und zum Teil aus dem rechtsextremen Milieu, aber auch aus dem migrantischen Milieu" gesprochen haben. "Da haben wir eine Entwicklung, die höchst bedenklich ist. Und dagegen helfen nicht nur härtere Strafen im Gesetz, sie müssen auch verhängt werden", wird der SPD-Politiker in dem Sharepic weiter zitiert.

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NDR-Moderatorin weitet Silvester-Debatte aus

In dem Radio-Interview wird Pistorius tatsächlich zu den Ausschreitungen in zahlreichen deutschen Städten in der Silvesternacht befragt. Doch gleich zu Beginn des Gesprächs weitet er das Thema auf gesamtgesellschaftliche Probleme aus: "Leider ist das eine Entwicklung, die wir seit Jahren beobachten, und leider eine Entwicklung, die nicht nur an Silvester stattfindet." Pistorius weiter: "Alles fokussiert sich auf die Silvesternacht, allerdings ist das ein trauriges Problem, mit dem wir es schon seit einiger Zeit zu tun haben". Der Respekt vor Rettungs- und Einsatzkräften sinke laut dem niedersächsischen Innenminister generell in Deutschland.

Pistorius fordert schnellere Verurteilungen und eine öffentliche Debatte über die Sicherheit im Land. Zudem befürchtet er ein gesamtgesellschaftliches Problem. NDR-Moderatorin Liane Kossmann nimmt den Ball auf und fragt nach konkreten Lösungen abseits der Silvesternacht: "Muss man nicht eher doch eine Debatte darüber führen, wie man dem begegnen will?"

Sharepic löst Shitstorm aus

Dann fügt sie noch hinzu: "Es sind ja gerade junge Männer (...) oft mit Migrationshintergrund, woanders aber auch verstärkt Männer aus dem rechtsextremen Milieu, die den Staat als Feindbild sehen und dann eben die angreifen oder sogar in einen Hinterhalt locken, die nur helfen wollen, weil Rettungskräfte die Projektionsfläche geworden sind." Erst daraufhin antwortet Pistorius mit dem vom NDR verteilten Zitat.

Dieses bezog sich also nicht ausschließlich auf die Silvesternacht. Bekannterweise haben vor allem in Ostdeutschland Rechtsextreme schon mehrfach Einsatzkräfte angegriffen, so zum Beispiel in den vergangenen Jahren bei Demonstrationen in Chemnitz, Leipzig, Zwickau oder Bautzen.

NDR: Kann man falsch verstehen – wenn man will

Allerdings moderiert der NDR die Sharepics auf seinen Social-Media-Kanälen relativ offen interpretierbar an, etwa auf Twitter: "Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD) hat auf NDR Info schnelle Strafen für die Täter nach den Angriffen auf Einsatzkräfte in der Silvesternacht gefordert", steht über dem Zitat des Ministerpräsidenten.

Entsprechend nehmen die meisten Benutzer in den Kommentarspalten offensichtlich an, Pistorius würde behaupten, auch Rechtsextreme wären für die Silvesterausschreitungen verantwortlich. Das Gespräch selbst scheinen sie nicht angehört zu haben.

Ein Shitstorm bricht los

Auf Anfrage von t-online sagt eine NDR-Sprecherin dazu, dass der Twitter-Vorlauftext einen Zusammenhang mit den Silvesterkrawallen herstelle und unpräzise war. "Im Nachhinein betrachtet wäre es sicher gut gewesen, klarzumachen, dass sich Pistorius nicht nur auf Silvester bezieht, sondern das Problem grundsätzlicher sieht", sagt die Sprecherin. Ähnliches gelte auch für den Facebook-Post.

Den in Social Media ausgelösten Shitstorm konnte dann auch ein Kommentar des NDR unter seinem eigenen Post nicht mehr einfangen: "Das abgebildete Zitat des Innenminister bezieht sich NICHT ausschließlich auf die Gewaltaktionen der Silvesternacht 2022, sondern auf eine zunehmende Gewaltbereitschaft gegen u. a. Gesetzeshüter in Deutschland", schreibt der NDR beispielsweise unter das Foto auf Facebook. Der Sender würde absichtlich Nebelkerzen werfen, antwortet dann ein Nutzer.

Auch Boris Reitschuster schaltet sich ein

Auch der rechtspopulistische Journalist Boris Reitschuster hat das eigentliche Gespräch ignoriert. In einem Tweet zu dem Sharepic kommentiert er: "Gefahr von Rechts in der Neujahrsnacht? Phänomenal!". In einem Blog-Beitrag "Überall Rassisten: Rotgrün-wokes Heulen und Strampeln", schreibt er zu dem NDR-Bild zudem: "Niedersachsens SPD-Innenminister Boris Pistorius fand eine besonders eigenwillige Erklärung für die Krawalle". Reitschuster schreibt neben seinem eigenen Blog seit 2015 immer wieder für rechte Medien wie die "Junge Freiheit" oder den Blog "Tichys Einblick".

Innenministerium reagiert auf Vorwürfe

Doch auch das niedersächsische Innenministerium reagierte auf das Foto. Am Donnerstag schrieb ein Sprecher: "In der Aussage über 'junge Männer, die teils aus dem rechtsextremen Milieu, aber auch aus dem migrantischen Milieu kämen' geht es nicht mehr um die Vorfälle in der Silvesternacht, sondern um Angriffe gegen Vertreter des Staates im Allgemeinen."

Zusätzlich kündigte das Innenministerium an, dass sich Minister Pistorius mit den niedersächsischen Gewerkschaften und Vertretern der Einsatz- und Rettungskräfte treffen und mit ihnen gemeinsam konkrete Maßnahmen auf den Weg bringen wolle. Auch in Berlin wolle er das Thema auf der nächsten Innenministerkonferenz in Berlin auf die Tagesordnung setzen.

Verwendete Quellen
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