Hamburg-Kolumne Rechentricks mit Sozialwohnungen: Am Ende werden es immer weniger
Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.
Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.Hamburg baut wie verrückt, auch Sozialwohnungen. Doch das hilft leider wenig. Denn am Ende sind es weniger Wohnungen als vorher.
Schon vor Jahren wusste der ehemalige Erste Bürgermeister und amtierende Kanzler Olaf Scholz, was gegen die Wohnungskrise in Deutschland hilft. "Bauen, bauen, bauen", twitterte Scholz einst.
Ausgerechnet seine alte Heimatstadt an der Elbe macht das auch ganz gut. Es reicht nur nicht. Und deshalb versucht man es mit Schönreden, Schönreden, Schönreden.
Eigentlich baut Hamburg wie blöde. Zwischen 2011 und 2022 sind über 93.000 Wohnungen entstanden, so die Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen. Und darunter sind auch über 26.000 Sozialwohnungen. Das entspricht einem Anteil von knapp 28 Prozent. Zunächst waren es 6.000 Wohnungen, jetzt 10.000 pro Jahr, das ist nicht schlecht. Ein Drittel etwa soll immer öffentlich gefördert sein und so für Menschen mit geringeren Einkommen entstehen. Solche Zahlen feiert die Behörde für Stadtentwicklung und Bauen.
Wohnungen fallen aus der Bindung
Doch damit feiert sie nur die glänzende Seite der Medaille, denn gleichzeitig fliegen auch ständig Wohnungen aus der Sozialbindung. Meist beläuft sich diese feste Bindung an einen reduzierten Mietpreis auf 20 bis 30 Jahre. Danach kann die Miete "angepasst" werden, was so viel heißt wie: Die Wohnung wird genauso teuer wie alle anderen Mietwohnungen. Oder sie wird sogar als Eigentumswohnung verkauft. Allein zwischen 2018 und 2022 sind so insgesamt 19.180 Wohnungen aus der Bindung gefallen, während nur 13.980 neue Sozialwohnungen in diesem Zeitraum entstanden sind. Die Zahl der Sozialwohnungen ist also geschrumpft. Und das in Zeiten, als die Bauzinsen noch unverschämt günstig waren.
Mit inzwischen drei Förderlinien will Hamburg finanziell schlechter gestellten Haushalten, aber auch Otto-Normalverdienern eine Wohnung in der Stadt bieten. Als Faustformel gilt: Wer als Single weniger als 30.000 Euro im Jahr brutto verdient, darf in einer Sozialwohnung leben. Pro Kind erhöht sich die Einkommensgrenze um 1.000 Euro. Im 2. Förderweg darf eine 4-köpfige Familie sogar rund 81.000 Euro im Jahr brutto zur Verfügung haben. Und ein dritter Förderweg wurde jüngst beschlossen, der Mieten bei maximal 13 Euro deckeln will, um die Mittelschicht zu entlasten.
Bauen statt schönreden
"Der Anteil der berechtigten Hamburger Haushalte steigt dadurch im ersten Förderweg von 33 auf 38 Prozent und im zweiten Förderweg von 41 auf 55 Prozent. Damit liegt zukünftig über die Hälfte der Miethaushalte Hamburgs innerhalb der Einkommensgrenzen und hat Anspruch auf einen Wohnberechtigungsschein", jubelte Karen Pein, Senatorin für Stadtentwicklung und Wohnen im März 2023. Und bemerkte offenbar nicht, dass genau das auch das Problem ist: Es gibt schlicht viel zu wenig Wohnungen. Nicht Schönreden, sondern bauen, bauen, bauen.
Immerhin, es gibt Lichtblicke in Hamburg. Laut NDR werde in diesem Jahr die Zielmarke von 2.000 neuen preisgebundenen Wohnungen übertroffen, trotz des allgemeinen negativen Trends. Außerdem hat Hamburg ein Novum beschlossen: Die Mietpreisbindung für neue Sozialwohnungen läuft künftig über 100 Jahre. Das ist einmalig in Deutschland.
Doch beides wirkt erst in ferner Zukunft. Jetzt und heute sieht es so aus: Die Saga, städtische Vermieterin auch von Sozialwohnungen, hat derzeit acht freie Wohnungen öffentlich gelistet. Da erscheint der letzte Satz auf der Infoseite der Stadt zum Thema Sozialwohnungen wie blanker Hohn: "Wir wünschen Ihnen viel Erfolg bei der Wohnungssuche!"
Die Hamburg-Kolumne erscheint immer sonntags und widmet sich Themen, die Hamburg gerade umtreiben. Lesen Sie auch:
- www.buergerschaft-hh.de: Antrag: Bezahlbares Wohnen für alle – ein 3. Förderweg für Hamburg (Stand: 8. November 2023).
- gruene-hamburg.de: Neuer dritter Förderweg
- T-Online-Anfrage bei der SPD Fraktion Hamburg
- abendblatt.de: Wohnen in Hamburg: Warum der Wohnungsbau jetzt gefährdet ist
- ndr.de: Zahl der Baugenehmigungen geht in Hamburg stark zurück