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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Kein Rücktritt nach Fehltritten Peter Feldmann – Deutschlands peinlichster Oberbürgermeister?
Mit seinen jüngsten Ausrutschern hat sich Frankfurts Oberbürgermeister Peter Feldmann endgültig isoliert: Die gesamte Römer-Koalition fordert seinen Rücktritt und auch die Bürgerinnen und Bürger der Stadt vertrauen ihm nicht mehr. Er selbst kündigt jedoch an, im Amt bleiben zu wollen.
Keiner klebt so fest wie Feldmann – das stellte das Frankfurter Stadtoberhaupt am Mittwoch wieder einmal unter Beweis. Trotz mehrerer Fehltritte und einer Anklage wegen Vorteilsannahme will der Oberbürgermeister im Amt bleiben.
In den letzten Tagen häuften sich die Vorwürfe gegen Feldmann. Kurz nach seinem kritisierten Auftritt bei der Siegesfeier der Eintracht im Anschluss an das Europa-League-Finale tauchte am Wochenende ein Video im Netz auf, in dem sich Feldmann sexistisch gegenüber Flugbegleiterinnen äußerte. Feldmann entschuldigte sich für das Fehlverhalten der letzten Tage und kündigte für Mittwoch eine Stellungnahme im Römer an.
Bei dieser kündigte er wider Erwarten nicht seinen Rücktritt an, sondern lediglich, seine öffentlichen Auftritte bis zum Ende der Sommerpause ruhen zu lassen. Er entschuldigte sich erneut für sein Verhalten der letzten Tage, bei der Siegesfeier seien "die Gäule mit ihm durchgegangen". Seine sexistische Äußerung rechtfertigte er damit, dass er auch zwei Töchter habe. Was genau der Oberbürgermeister damit sagen wollte, blieb offen – Fragen waren nicht zugelassen. Für das Statement hatte er frühzeitig den Weltwirtschaftsgipfel in Davos verlassen.
Frankfurter SPD fordert weiterhin Feldmanns Rücktritt
Das Unverständnis der Römer-Koalitionspartner und der Opposition ist groß. Nicht mal seine eigene Partei hält länger zu ihm: Bereits am Montag forderte die Frankfurter SPD Feldmann zum sofortigen Rücktritt auf – die anderen Koalitionspartner hatten sich dies schon vor Wochen ausbedungen. Nach Feldmanns Stellungnahme am Mittwoch erneuerte die SPD ihre Forderung.
Über weitere Schritte wolle die Partei an diesem Mittwochabend beraten, erklärte sie. Das weitere Vorgehen werde zudem mit den Koalitionspartnern in der Stadt – Grüne, Volt und FDP – abgestimmt, sagte der Frankfurter SPD-Chef Mike Josef. Alle Optionen lägen auf dem Tisch.
Auch die SPD Hessen äußerte sich zu Feldmanns Auftritt am Mittwoch. Auf Anfrage von t-online sagte ein Sprecher der SPD Hessen, dass man die Rücktrittsforderungen der Frankfurter SPD begrüße. Die Glaubwürdigkeit Feldmanns sei durch alle Vorgänge stark beschädigt.
Dass seine Person den Sozialdemokraten bei den kommenden Landtagswahlen schaden könne, wird jedoch bezweifelt: "Die Vorfälle rund um Peter Feldmann stehen in keinem Zusammenhang mit der Partei. Im Gegenteil, die SPD Frankfurt hat sich aus unserer Sicht sehr richtig und klar distanziert. Es waren persönliche Fehltritte, die Peter Feldmann zu erklären und verantworten hat", so der Sprecher zu t-online.
Nancy Faeser hält sich mit klaren Worten noch zurück
Auch die Bundesinnenministerin und hessische Landesvorsitzende Nancy Faeser forderte Feldmann bislang nicht zum Rücktritt auf. Allerdings äußerte sie sich am Montag bei einem öffentlichen Auftritt gegenüber RTL zu dem Sexismus-Skandal: "Als Landesvorsitzende der hessischen SPD sage ich, dass so eine Äußerung gar nicht geht und dass er entsprechend entscheiden muss, wie er darauf reagiert."
Nach Feldmanns Statement im Römer steht für den CDU-Fraktionsvorsitzenden Nils Kößler eines fest: Feldmann setze auf eine Durchhaltestrategie, um im Amt zu bleiben. "Doch damit wird er sich nicht durchsetzen", sagte Kößler auf dem Römerberg vor Journalisten. Bis zum Ende der Sommerferien werde Feldmann hinter dem Vorhang verschwinden und als Teilzeit-Oberbürgermeister weiter ein volles Gehalt bekommen. "Das geht gar nicht", so Kößler.
Abwahl von Feldmann möglich – aber unrealistisch
Es könnte nun zu einem weiteren Abwahlverfahren kommen. Die Hürden für dieses sind allerdings hoch. Laut Hessischer Gemeindeordnung (HGO) müssten sich zunächst zwei Drittel aller Mitglieder der Stadtverordnetenversammlung für ein solches Verfahren aussprechen – in der momentanen politischen Stimmungslage gut vorstellbar. Anschließend müssten die Frankfurter Bürgerinnen und Bürger darüber abstimmen.
Dabei müsste nicht nur die Mehrheit der Wählerinnen und Wähler für die Abwahl des Oberbürgermeisters stimmen, sondern diese Mehrheit müsste auch noch mindestens 30 Prozent der Wahlberechtigten ausmachen. Zur Einordnung: Bei der vergangenen OB-Wahl 2018 gaben im ersten Wahlgang 37,6 Prozent der Wahlberechtigten ihre Stimme ab, in der Stichwahl dann nur noch 30,2 Prozent.
Alle Römer-Koalitionspartner fordern den sofortigen Rücktritt
Für Kößler steht dennoch fest: "Die Politik muss diesen Weg gehen, auch wenn es schwierig wird. Wir dürfen vor einem Scheitern keine Angst haben." So sieht es auch der FDP-Fraktionsvorsitzende Yanki Pürsün. "Wir sind bereit für eine Abwahl. Feldmann blamiert uns in der ganzen Welt. Nach diesem Statement ist klar, dass er nicht im Amt bleiben wird. Die Stadtverordneten werden dem ein Ende setzen."
Feldmann habe selbst dafür gesorgt, dass sich seine Lage nun verschärft habe. Pürsün geht davon aus, dass es zu einem Abwahlverfahren bei der kommenden Stadtverordnetenversammlung am 9. Juni kommt. Am Ende jedoch sei "die SPD die entscheidende Partei".
Frankfurts Bürgerinnen und Bürger sind wütend
Am Eingang zum Römer protestiert nach Feldmanns Statement eine Frankfurterin. In den Händen hält sie ein Schild mit der Aufschrift: "Rücktritt Feldmann jetzt". Dass der OB im Amt bleibt, findet sie "furchtbar". "Es ist einfach nur enttäuschend." Er füge der Stadt mit seinem peinlichen Auftreten Schaden zu, sagt sie. Für sie sei klar, es helfe nur öffentlicher Druck. "Ein Abwahlverfahren wird bei der geringen Wahlbeteiligung, die wir bei der Oberbürgermeisterwahl hatten, sehr schwierig."
Auch Hilde Wackerhagen, die direkt neben der protestierenden Frankfurterin steht, kritisiert Feldmanns Entscheidung. Sie greift den OB an, insbesondere für seinen sexistischen Spruch gegenüber den Flugbegleiterinnen: "So ein beknacktes Machogehabe."
Ein weiterer Demonstrant, Reinhard Jaschek, hofft ebenfalls, dass Feldmann abgewählt wird. Er vermutet, das Frankfurter Stadtoberhaupt habe Angst um seine Finanzen – deswegen würde er nicht freiwillig zurücktreten.
Feldmann will bis 2024 im Amt bleiben
Ausgangspunkt der anhaltenden Kritik war eine Korruptionsaffäre um Betrugsvorwürfe und überhöhte Gehälter bei der Arbeiterwohlfahrt (Awo). Feldmanns damalige Lebensgefährtin und spätere Ehefrau soll als Leiterin einer deutsch-türkischen Kita zu viel Geld erhalten haben. Im März erhob die Staatsanwaltschaft Frankfurt Anklage gegen ihn wegen Vorteilsannahme. Die Anklage wirft Feldmann vor, dass dieses Arbeitsverhältnis ab 2014 aufgrund seiner Stellung als Oberbürgermeister geschlossen worden sei.
Im April 2022 erklärte Feldmann, bei der kommenden Wahl 2024 nicht erneut antreten zu wollen. Doch bis dahin will er bleiben.
- Reporter vor Ort
- Nachrichtenagentur dpa
- Eigene Recherche
- Anfragen bei SPD Hessen und Deutschen Gewerkschaftsbund Hessen-Thüringen