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Frankfurter Buchmesse: Claudia Roth kritisiert Umgang mit russischer Kultur


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Frankfurter Buchmesse 2023
Claudia Roth gegen Boykott russischer Kultur


18.10.2023Lesedauer: 3 Min.
Frankfurter Buchmesse 2023 (vlnr): Claudia Roth, Michail Schischkin (Schriftsteller), Irina Scherbakowa (Historikerin und Friedensnobelpreisträgerin), Dmitry Gluchowsky (Schriftsteller), Deniz Yücel (Moderator)Vergrößern des Bildes
Frankfurter Buchmesse 2023 (vlnr): Claudia Roth, Michail Schischkin (Schriftsteller), Irina Scherbakowa (Historikerin und Friedensnobelpreisträgerin), Dmitry Gluchowsky (Schriftsteller), Deniz Yücel (Moderator) (Quelle: Madlen Trefzer)
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Die Frankfurter Buchmesse 2023 öffnet ihre Pforten und widmet gleich den schweren Themen ihre Aufmerksamkeit. Es kommen drei russische Autoren mit Claudia Roth ins Gespräch.

"Letztes Jahr saß ich auf dieser Bühne und dachte, dass es schlimmer nicht kommen kann. Heute sitze ich hier und habe das Gefühl, dass das mit Israel und Gaza erst der Anfang ist." Die traurigen Worte Michail Schischkins hallen durch das Frankfurter Pavillon auf der Buchmesse 2023. Während dieses Gesprächs am ersten Messetag stehen russische Autoren im Exil im besonderen Fokus.

Schischkin lebt bereits seit 1995 in der Schweiz und teilt die Erfahrungen, die er dort kürzlich gemacht hat, mit seinem Publikum in Frankfurt. Er spricht von einer riesigen Demonstration gegen Juden in Genf. Dort wären bei einer Pro-Palästina-Demo die Straßen mit judenfeindlichen Graffitis bedeckt worden, teilt der russische Schriftsteller fassungslos mit. "Der Krieg ist jetzt nicht mehr ‚irgendwo‘. Der Krieg ist hier", mahnt er.

Dass der Frieden in Israel sowie die Demokratie in Russland aber "irgendwann" wieder möglich wäre – davon ist Schischkin überzeugt. Jedoch hätten die Kulturschaffenden in Russland dank Putin keine Freiheit mehr. Stattdessen müssten sie viel mehr "patriotische Lieder schreiben" oder aus dem Exil agieren. Bislang war Israel für den Exil russischer Kunst- und Literaturschöpfer ein enorm wichtiges Land. Nun brach dort aber Krieg aus.

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"Postmoderne und hybride Diktatur"

Irina Sherbakova, die russisch-jüdische Germanistin, Kulturwissenschaftlerin und Friedensnobelpreisträgerin, bezeichnet Putins Regime als postmoderne und hybride Diktatur. "Man vergleicht es oft mit den früheren Zeiten. Diktaturen sind Diktaturen – sie untergraben Freiheiten. Jedoch geben in dem russischen Regime Wirtschaftspolitische Aspekte den Ton an. Man kommt dort mit den Sanktionen sehr gut klar", erklärt sie dem Publikum.

"Russland hat nur eine Möglichkeit: Nämlich die, den Krieg zu verlieren. Ansonsten sehe ich schwarz", stellt die Friedensnobelpreisträgerin, die aus Russland geflohen ist, fest.

Claudia Roth kritisiert Umgang mit russischer Kultur

Claudia Roth verurteilt Kriegsgewalt aufs Schärfste. Doch eine Sache liegt ihr am Herzen: sie kritisiert den politischen Umgang mit der russischen Kultur. „Ich will mich gegen den Boykott der russischen Kultur aussprechen. Er trifft genau die kritischen Stimmen, die gegen Putins Regime sind. Diese Menschen sind nicht die Feinde der Ukrainer." Diese Menschen seien die Wenigen, die etwas verändern könnten.

Das, was Claudia Roth anspricht, trifft nicht nur Russen, die in Deutschland leben. Auch Dmitry Gluchowski wurde vermehrt boykottiert. Er ist ein Autor, der in Russland sowohl geliebt als auch stark kritisiert wird. Von der russischen Regierung wurde er wegen seiner Publikationen zu 8,5 Jahren Haft verurteilt und hält sich seit dem Ausbruch des Ukraine-Krieges im Ausland auf.

"Metro 2033"-Autor wird seit dem Krieg gemieden

Sowohl Russen als auch Ukrainer meiden den "Metro 2033"-Autor vermehrt. So erinnert er sich daran, wie ukrainische Autoren sich weigerten, mit ihm, aufgrund von seiner Nationalität, auf dem gleichen Literaturfestival aufzutreten – geschweige denn mit ihm auf der gleichen Bühne zu stehen. Das sieht er als natürliche und nachvollziehbare Reaktion. Der gesellschaftliche Druck sei in der Ukraine hoch. Man lebe nach dem Prinzip "Unsere Soldaten kämpfen mit dem Feind – du darfst dich nicht mit ihm verbünden."

"Ich bin kein Feind", stellt Gluchowski klar. Den Kontakt zu seinen ukrainischen und russischen Freunden habe er bis heute bewahren können. "Obwohl sie sich öffentlich mit mir nicht mehr fotografieren lassen würden", merkt er gelassen an.

 
 
 
 
 
 
 

Dmitry Gluchowski analysiert Putin-Regime

"Die Russen haben Angst. Sie wollen die Behörden nicht herausfordern und versuchen, ihr Leben so normal wie möglich zu leben. Nicht jeder ist ein Revolutionär", schildert Gluchowski.

Der Schriftsteller analysiert: "Russland hatte eine Zukunft. Russland hatte eine Generation, die für eine Freiheit und für eine offene Welt war." Dabei spricht der Autor von Russen im Alter zwischen 20 und 40 Jahren. Putin wolle diese Leute "versklaven", weil er eine Bedrohung in ihnen sehe. Systematisch habe er darauf hingearbeitet, dass die sonst unfügsamen und regierungskritischen Russen von der Angst getrieben werden.

Auch wenn viele ungeklärte Fragen im Raum stehen und alle drei Schriftsteller unterschiedliche Ansätze haben, Putins Regime zu kritisieren – in einer Sache sind sie sich einig: Eine Erinnerungskultur und historische Fakten sind von enormer Wichtigkeit. Putin würde diese jedoch verdrehen. "Gerade wir Deutschen sollten das wissen, wo wir doch durch den Nationalsozialismus so viel Menschenleid angerichtet haben", merkt Claudia Roth an.

Verwendete Quellen
  • Reporterin vor Ort
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