Großteil der Konsumenten männlich Forschungsprojekt der Uni Gießen will Pornosüchtigen helfen
Rund 300 Patienten werden an der Studie "PornLos" teilnehmen. Bundesweit gehen Experten von einer halben Million Süchtigen aus – doch die Dunkelziffer ist hoch.
Ein Forschungsprojekt an der Justus-Liebig-Universität in Gießen will sich der gezielteren Behandlung von Pornosüchtigen widmen. "Wir wollen neue Ansätze erproben und Schlüsse für weitere Behandlungsmethoden ziehen", sagte Rudolf Stark, Professor für Psychotherapie und Leiter des im Juli gestarteten Projekts "PornLos". Der Titel steht für: Pornografie-Nutzungsstörung effektiv behandeln – Leben ohne Suchtdruck. "Dafür schulen wir derzeit noch Therapeuten und suchen Teilnehmer", sagte der Projektleiter. Mit Beginn des nächsten Jahres werden dann rund 300 Patienten in die Studie aufgenommen.
Experten gehen von rund 500.000 Pornosüchtigen in Deutschland aus. Genauere Zahlen sind nicht bekannt, weil die Scham bei vielen Betroffen zu groß ist. Daher geht man von einer hohen Dunkelziffer aus. Andere Studien sagen, dass auf 10.000 Internetnutzer 80 Internet-Sexsüchtige kommen, wobei der Großteil davon männlich ist.
So sagt es auch Stark von der JLU Gießen: "Rund drei Prozent der volljährigen Männer in Deutschland haben eine Pornografienutzungsstörung", erklärte er. Etwa ein Prozent der Frauen sei von der sogenannten Pornosucht betroffen. "Da die Störung erst vor kurzem offiziell anerkannt wurde, sind viele Psychotherapeuten darauf noch nicht gut vorbereitet."
Durch die Digitalisierung gibt es kein begrenztes Angebot
Der erste Fall von erlebtem Kontrollverlust durch Pornographie wurde erst 1996 bekannt. Durch die fortlaufende Digitalisierung gibt es dementsprechend auch eine hohe Anzahl an Pornoseiten und die Digitalisierung gilt daher auch als Katalysator der Sucht. Früher bot die Pornographie nur ein begrenztes Angebot an. Dazu war sie durch Barrieren verbunden. So musste man zum Beispiel in eine Videothek zu einem extra abgetrennten Bereich für Pornovideos gehen. Diese Barrieren müssen heutzutage nicht mehr überwunden werden.
Offenbar hat auch Corona in Zeiten von Home Office für einen erhöhten Pornokonsum gesorgt, schreibt der "Stern". Zudem wurden die Konsumenten in den letzten 20 Jahren jünger, sagte der Psychiater und Suchtmediziner Kornelius Roth-Schaeff dem Magazin. "Das sind Digital Natives zwischen 25 und 30 Jahren, die manchmal schon vor der Pubertät im Internet mit Pornografie konfrontiert wurden."
Projekt wird mit 5,4 Millionen Euro unterstützt
Das Forschungsprojekt wird Stark zufolge aus dem Innovationsfonds des Gemeinsamen Bundesausschusses in den nächsten dreieinhalb Jahren mit rund 5,4 Millionen Euro unterstützt. "PornLoS" läuft demnach zunächst an acht Standorten in Hessen, Rheinland-Pfalz und im Saarland. Bei Erfolg werde die neue Behandlungsform bundesweit in die Regelversorgung übernommen.
- zdf.de: Tabuthema Pornosucht
- stern.de: Die "Superdroge" aus dem Netz: In der Pandemie leiden mehr junge Menschen an Pornosucht
- Nachrichtenagentur dpa