Er befürchtet eine Flutwelle Bergführer aus Peru klagt gegen RWE

Ein Bergführer aus Peru klagt gegen das Essener Unternehmen RWE. Vor dem Oberlandesgericht in Hamm wurden nun Gutachter gehört.
Seit gut neun Jahren läuft in Nordrhein-Westfalen ein Zivilverfahren der besonderen Art. Vor Gericht will der peruanische Bergführer und Landwirts Saúl Luciano Lliuya aus Huaraz gegen den Kraftwerksbetreiber RWE mit Sitz in Essen vorgehen.
Lliuya will erreichen, dass sich RWE an Kosten für Schutzmaßnahmen gegen eine Flutwelle durch den Gletschersee Palcacocha beteiligt, die sein Haus am Fuße der Anden treffen könnte. Die Flutwelle drohe dem Haus infolge des Abschmelzens eines Gletschers, was auf den weltweiten Temperaturanstieg zurückgeführt wird. Dabei wird er von der Stiftung Zukunftsfähigkeit unterstützt.
Landgericht Essen wies die Klage gegen RWE ab
Nach Ansicht des Klägers trägt RWE daran eine Mitverantwortung, weil das Unternehmen durch seinen Kraftwerkspark große Mengen Treibhausgase verursacht. RWE hält die Klage für rechtlich unzulässig. Im weiteren Sinne geht es in dem Verfahren um die Folgen des menschengemachten Klimawandels und die strittige Verantwortung von Unternehmen dafür.
Das Landgericht Essen hatte die 2015 eingereichte Klage des Peruaners abgewiesen. Die vom Kläger behauptete Flutgefahr könne dem Unternehmen angesichts der Vielzahl an Emittenten von Treibhausgasen weltweit nicht – auch nicht anteilig – individuell zugeordnet werden, hatte das Gericht argumentiert. In der Berufung hielt das OLG Hamm jedoch einen Anspruch des Klägers gegen RWE grundsätzlich für möglich, sofern der Kläger die von ihm behaupteten Tatsachen beweisen könne.
OLG Hamm: Gutachten standen im Vordergrund
In einer mündlichen Verhandlung vor dem Oberlandesgericht Hamm standen jetzt die Erkenntnisse von zwei Gutachtern im Mittelpunkt. Konkret ging es um die Erkenntnisse des Geowissenschaftlers Rolf Katzenbach und des österreichischen Lawinenschutzexperten Johannes Hübl. In einem Haupt- und in einem Ergänzungsgutachten haben sie die konkreten Gefahren für das Haus des Klägers durch eine Flutwelle oder Schlammlawine untersucht.
Dabei ging es um die Frage, ob in den nächsten 30 Jahren eine ernsthafte Beeinträchtigung des Hausgrundstücks des Klägers durch eine Überflutung oder eine Schlammlawine droht. Diese Frage verneinten sie. Welche Schlüsse das Gericht daraus zieht, war am Montag noch offen.
Lliuya in Hamm: "Die Gletscher ziehen sich zurück"
Eine von dem Gletschersee ausgehende Flutwelle halten die Experten für unwahrscheinlich. Die Wahrscheinlichkeit für den Eintritt von als realistisch eingeschätzten Szenarien liege bei einem Prozent, sagte Katzenbach. Dies sei "lächerlich klein". Kommt es doch zu einer Flutwelle, wird das Klägergrundstück nach Berechnungen der Gutachter höchstens 20 Zentimeter hoch überschwemmt. Dies mache der Bausubstanz nichts aus, sagte Katzenbach weiter.
Lliuya war selbst nach Hamm gekommen. "Die Gletscher ziehen sich zurück", sagte er vor der Verhandlung laut einer Übersetzerin. "Wir sehen es jeden Tag." Unterstützt wurde der Kläger durch rund zwei Dutzend Menschen, die auf Transparenten und Schildern ihre Sorge um den Klimawandel zum Ausdruck brachten.
Juristen aus Hamm reisten selbst nach Peru
Um sich ein Bild vor Ort zu machen, waren im Mai 2022 eine Richterin und ein Richter aus Hamm, die Gutachter mit ihren Teams und weitere Experten der Streitparteien nach Peru gereist. Die Gutachter hatten dort Messungen vorgenommen, Bodenproben entnommen und Drohnenaufnahmen gemacht.
Mit der Frage der behaupteten Mitverantwortung von RWE am weltweiten Temperaturanstieg will sich das OLG in Hamm nach früheren Angaben nur dann beschäftigten, wenn es aufgrund der Gutachten von einem "rechtlich relevanten Risiko" für das Haus des Klägers ausgeht. Dazu soll dann eine weitere Begutachtung erfolgen, hatte das Gericht 2022 mitgeteilt.
Die mündliche Verhandlung wird am Mittwoch fortgesetzt.
- Mit Material der Nachrichtenagentur dpa