Düsseldorf CDU und Grüne Gewinner der Wahl: Schlappe für FDP
Deutlicher Schub für die CDU, ein Sensationsergebnis für die Grünen, schmerzhafte Verluste für SPD und FDP: Bei der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen sind die Christdemokraten mit Ministerpräsident Hendrik Wüst klar stärkste Kraft geworden. "Das ist der Auftrag, eine künftige Regierung zu bilden und zu führen", sagte der 46-Jährige am Sonntag. Im Fokus steht nun ein schwarz-grünes Bündnis. Allerdings hatte am Abend auch die zweitplatzierte SPD trotz einer historischen Schlappe noch die kleine Hoffnung, zusammen mit den Grünen an die Macht zu kommen.
Die FDP - fünf Jahre Regierungspartner der CDU im Land und seit Herbst 2021 Bündnispartner von SPD und Grünen im Bund - brach deutlich ein. Sie musste zunächst sogar um den Wiedereinzug in den Landtag bangen. Parteichef Christian Lindner, selbst aus NRW, sprach ernüchtert von einer "desaströsen Niederlage".
Weil Schwarz-Gelb keine Mehrheit mehr hat, deutet vieles auf ein Bündnis von CDU und Grünen hin. "Es gibt zwei Gewinner heute Abend. Das sind die Grünen und das ist die CDU, meine Partei", sagte Wüst. Er kündigte an, mit allen Fraktionen außer der AfD über die Regierungsbildung zu sprechen.
In den Hochrechnungen kommt die CDU auf 35,5 bis 35,8 Prozent (2017: 33,0). Die SPD erreicht 26,7 bis 26,9 Prozent (2017: 31,2). Drittstärkste Kraft werden die Grünen, die 18,1 bis 18,2 Prozent einfahren und damit ihr Ergebnis von 2017 quasi verdreifachen (2017: 6,4 Prozent). Die FDP bricht so stark ein wie noch nie bei einer NRW-Landtagswahl und erzielt nur noch 5,6 Prozent (2017: 12,6). Die AfD verschlechtert sich auf 5,6 bis 5,7 Prozent (2017: 7,4.). Die Linke scheitert erneut auch in NRW, sie kommt nur noch auf 2,1 Prozent (2017: 4,9).
Die Grünen sind mit ihrem starken Ergebnis nun die "Königsmacher" in NRW. Ihre Spitzenkandidatin Mona Neubaur erklärte, ihre Partei wolle in Düsseldorf mitregieren, und nun "endlich eine Politik auf Höhe der Zeit machen". Sie nannte das Rekordergebnis einen Vertrauensvorschuss, und Grund dafür sei auch der Rückenwind aus Berlin. Die Grünen-Politiker in der Bundesregierung hätten "Haltung und Kompass" in Krisenzeiten unter Beweis gestellt.
SPD-Spitzenkandidat Thomas Kutschaty äußerte sich enttäuscht. Das Ziel, stärkste Kraft zu werden, sei verfehlt worden. Er könnte aber nun dennoch versuchen, als Zweitplatzierter ein Ampel-Bündnis mit Grünen und FDP nach dem Vorbild im Bund zu schmieden. Die erhoffte rot-grüne Mehrheit schien am Abend nicht in Reichweite.
Kutschaty sagte zu einer Regierungsbeteiligung: "Wir werden uns Gesprächen nicht verschließen." Auch SPD-Chef Lars Klingbeil sagte, schon häufig seien von Platz zwei aus Regierungen gebildet worden. Die Politische Geschäftsführerin der Bundes-Grünen, Emily Büning, sagte, sie könne sich eine Koalition sowohl mit der CDU als auch mit SPD und FDP vorstellen.
Nach einer Analyse der Forschungsgruppe Wahlen war die Wahl auch ein Votum gegen eine Neuauflage der schwarz-gelben Koalition. Die Wähler wünschen sich demnach vor allem ein rot-grünes Bündnis.
Die Abstimmung im bevölkerungsreichsten Bundesland gilt als "kleine Bundestagswahl" und wichtiger Stimmungstest für die Bundespolitik, Kanzler Olaf Scholz (SPD) und den neuen CDU-Oppositionsführer Friedrich Merz. Wahlberechtigt waren 13 Millionen Bürger, etwa ein Fünftel aller Wahlberechtigten in Deutschland.
Rückenwind bedeutet das Ergebnis für die CDU und Parteichef Merz. Er schrieb am Abend auf Twitter: "Die CDU ist zurück, unser nach vorn gerichteter Kurs wurde bestätigt." Für seine CDU ist es der zweite Erfolg nach dem haushohen Wahlsieg in Schleswig-Holstein, der die Serie von Niederlagen im Bund und in mehreren Ländern vor einer Woche beendet hatte.
Wahlsieger Wüst hatte das Amt des Regierungschefs erst im Oktober 2021 von Armin Laschet übernommen, der bei der Bundestagswahl als Kanzlerkandidat der Union gescheitert war. Laschet trat in der Folge auch als CDU-Bundesvorsitzender zurück. Merz stammt ebenfalls aus NRW, er hatte Wüst im Wahlkampf engagiert unterstützt. Der 46-jährige Wüst begann seine Karriere als Generalsekretär der NRW-CDU, 2010 trat er infolge einer Affäre zurück und wurde später Geschäftsführer des nordrhein-westfälischen Zeitungsverlegerverbands. 2017 wurde er dann unter Laschet Landesverkehrsminister.
Als "Stammland" der Sozialdemokratie gilt NRW schon lange nicht mehr. CDU und SPD wechselten sich in den vergangenen Wahlperioden an der Regierung ab, seit 2005 hat kein Regierungsbündnis länger als sieben Jahre durchgehalten. Der heutige SPD-Partei- und Fraktionschef Kutschaty war bis 2017 Landesjustizminister in der rot-grünen Koalition. Unter der Führung des 53-Jährigen, dessen Bekanntheitsgrad an Rhein und Ruhr bis zuletzt eher gering war, rutscht die SPD jetzt noch unter das Ergebnis von 2017, das schon damals mit 31,2 Prozent einen historischen Tiefstand markierte.
Die AfD, vor einer Woche in Schleswig-Holstein erstmals wieder aus einem Landtag rausgeflogen, erleidet auch in NRW Verluste und schafft es wohl knapp in den Landtag. Die Linke, seit zehn Jahren nicht mehr im Landtag vertreten und 2017 nur knapp an der Fünf-Prozent-Hürde-gescheitert, bleibt draußen.
Nach den Hochrechnungen bekäme die CDU im neuen Landtag 77 bis 78 Sitze (2017: 72). Die SPD erhält 58 Mandate (2017: 69). Die Grünen kommen auf 39 bis 40 Sitze (2017: 14), die FDP auf 12 (2017: 28). Auch die AfD zieht mit 12 Abgeordneten in den Landtag ein (2017: 16). Die Wahlbeteiligung lag nach vorläufigen Zahlen von ARD und ZDF bei 56 Prozent. Sollte sich das bestätigen, wäre das die niedrigste seit Jahrzehnten.