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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Solingen-Festorganisator spricht Klartext "Ich erwarte jetzt mehr als Wahlkampfbilder"
Philipp Müller stand am Freitag nach dem Anschlag auf der Bühne und brach das Stadtfest in Solingen ab. Nach dem Besuch des Kanzlers fordert er Antworten der Politik.
Als sich Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) unter Ausschluss der Öffentlichkeit mit den Einsatzkräften über den Anschlag am vergangenen Freitagabend unterhält, steht Philipp Müller auf dem Platz am Fronhof, auf dem drei Menschen ihr Leben verloren. Müller ist Mitorganisator des "Festivals der Vielfalt", und er war es, der kurz nach dem Messerangriff das Fest abbrach.
Müller griff am Freitag auf der Bühne zum Mikrofon und bat die Besucher darum, vorsichtig und aufmerksam nach Hause zu gehen. Er habe dank der Erfahrung als Moderator bei seiner Ansage einfach nur funktioniert, auf ein solch schreckliches Szenario vorbereiten könne man sich nicht, sagte Müller am Montag zu t-online. Solingen befinde sich jetzt in Trauer, viele Menschen seien noch immer in Schockstarre. Er befürchte, dass der Vorfall langfristig Wirkung auf die Stadt haben werde.
Dass vom 13. bis 15. September der "Zöppkesmarkt" – es ist der größte Straßentrödelmarkt Nordrhein-Westfalens – im Stadtzentrum Solingens wie geplant stattfinden soll, kann sich Müller zurzeit kaum vorstellen. "Eigentlich sollten wir uns ja von diesen Attentätern nicht unterkriegen lassen. Aber der Markt würde nur mit einer riesigen Wunde stattfinden, weshalb man schon überlegen sollte, einmal auszusetzen", sagt Müller.
Er hätte es gerne gesehen, wenn Kanzler Scholz schon am Samstag nach Solingen gekommen wäre, um seine Anteilnahme auszudrücken. "Aber jetzt ist er ja da, und das ist auch gut so, die Solinger werden das auch zu würdigen wissen." Zusammen mit Scholz waren NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU), die stellvertretende Ministerpräsidentin Mona Neubaur (Grüne), NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) und Solingens Oberbürgermeister Tim Kurzbach (SPD) am Montag am Tatort.
Dass jetzt möglicherweise die AfD von der Attacke in Solingen profitieren könnte, hofft Müller nicht. Er spricht ohnehin schon von einer rechten Bedrohung im Osten Deutschlands, die man nicht unterschätzen solle. Außerdem habe die AfD-Demo "Remigration rettet Leben" am Sonntag in Solingen gezeigt, "was das für geistige Brandstifter sind". Doch vom Besuch des Bundeskanzlers erwarte auch er jetzt mehr als Wahlkampfbilder, sagt Müller.
"Ich fordere ein Signal in Sachen Migration und Messer, und vor allem erwarte ich Antworten: Wie kann es sein, dass jemand, der eigentlich abgeschoben werden soll, nach Solingen kommt und hier drei Menschen tötet?", sagt Organisator Müller. Um in Zukunft Feste wieder feiern zu können, solle man über eine Videoüberwachung nachdenken, um so den Besuchern ein besseres Sicherheitsgefühl zu geben. Auch eine höhere Polizeipräsenz würde er begrüßen.
- Reporter vor Ort