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Extremismus in NRW auf Rekordhoch – Reul: "Extremisten haben sich vereint"


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Verfassungsschutzbericht NRW
"Antisemitismus ist mit seiner hässlichen Fratze zurück"


Aktualisiert am 18.04.2024Lesedauer: 4 Min.
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Ein Polizist bei einer Demo in Köln (Archivbild): Die Bedrohung in NRW ist so hoch wie nie. (Quelle: IMAGO/BEAUTIFUL SPORTS/Buriakov/imago-images-bilder)

NRW-Innenminister Herbert Reul hat am Donnerstag den Verfassungsschutzbericht vorgestellt. Demnach hat der Extremismus in fast allen Bereichen zugenommen.

NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) und der Leiter des nordrhein-westfälischen Verfassungsschutzes, Jürgen Kayser, haben am Donnerstag im Düsseldorfer Landtag den Verfassungsschutzbericht 2023 vorgestellt. Laut Reul sei die Bedrohung für die Demokratie durch Extremismus höher als je zuvor – egal, ob Islamismus, Rechtsextremismus, Linksextremismus oder Spionage. "Das ist eine Entwicklung, die wir sehr ernst nehmen müssen", sagte Reul.

Im Bereich Antisemitismus haben die Sicherheitsbehörden demnach im vergangenen Jahr 547 antisemitische Straftaten registriert – eine deutliche Steigerung um 65 Prozent im Vergleich zum Jahr 2022 (106 Straftaten). In den meisten Fällen ging es um Volksverhetzung (296), Propagandadelikte (72) und Sachbeschädigungen (75).

"Extremisten haben sich vereint"

Bedeutsam für diesen Anstieg sei vor allem der Angriff der Terrororganisation Hamas gegen Israel am 7. Oktober 2023 gewesen. "Aus Sicht des Verfassungsschutzes war dies ein entscheidender Tag für Entwicklungen in unserem Land, die uns sorgen müssen", sagte Reul. Nach Auskunft des Innenministers haben sich Extremisten seither zu Hass und Gewalt gegen Juden vereint.

"Antisemitismus ist mit seiner hässlichen Fratze auf unsere Straßen zurückgekehrt. Extremisten verschiedener ideologischer Prägungen nutzten den Terroranschlag gegen den Staat Israel dazu, ihre Anhänger zu mobilisieren und scharfe Botschaften in noch kürzeren Frequenzen zu senden", sagte Reul.

Weniger Verstöße gegen das Versammlungsgesetz

Aber nicht nur beim Antisemitismus, sondern in fast allen Bereichen – links, rechts, ausländische und religiöse Ideologie – gab es im Jahr 2023 in NRW einen Anstieg der Straftaten. Insgesamt wurden 7.596 politisch motivierte Straftaten erfasst, was im Vergleich zum Vorjahr eine Abnahme um 15 Prozent ist (2022: 8.948).

"Das ist trotzdem kein Grund, um aufzuatmen", so Reul. Er erklärte, dass der Rückgang größtenteils aus weniger Verstößen gegen das Versammlungsgesetz – da weitestgehend keine unangemeldeten Proteste gegen die Corona-Schutzmaßnahmen mehr stattfanden – resultierte. 2023 sei deswegen kein gutes Jahr gewesen. Es gebe eine "neue Qualität der Straftaten", sagte Reul.

Aufklärungsquote bei 41 Prozent

Gewaltdelikte sind um 37 Prozent gestiegen (541). Die Aufklärungsquote lag insgesamt bei rund 41 Prozent (3.110). Damit wurden 335 Delikte mehr als 2022 aufgeklärt. Der Verfassungsschutz beobachtet, dass das Internet weiter eine zunehmende Rolle bei der Radikalisierung spielt. Reul: "Das Internet ist zur Spielwiese der Extremisten und Menschenfänger geworden. Nie war es leichter, Ideologien zu verbreiten, Propaganda für die eigene Sache zu machen und damit unzählige Menschen zu erreichen."

Insbesondere im Bereich des Islamismus nimmt der Verfassungsschutz rege Aktivitäten von sogenannten Hasspredigern wahr. Dies kann zu einer Stärkung der salafistischen Szene und ihrer Anhängerzahlen führen und bereitet den Boden für die Radikalisierung von Kindern und Jugendlichen. Bekannte Gesichter der Szene wie Pierre Vogel und Sven Lau spielen laut Jürgen Kayser weiterhin eine Rolle. "Der Islamismus ist wieder auf dem Vormarsch. Dem gilt es, mit der ganzen Härte und Konsequenz des Rechtsstaats entgegenzutreten", so Reul.

"Zeigt, wo die Post abgeht"

Auch Straftaten werden zunehmend im Netz begangen. Im Verfassungsschutzbericht 2023 wurde zum ersten Mal gesondert der Bereich "Tatmittel Internet" aufgeführt. Mit mehr als 70 Prozent gab es einen erheblichen Anstieg der Taten, die im Netz stattfanden. 1.859 Fälle wurden registriert (2022: 1.091). "Das zeigt, wo die Post abgeht", sagte Reul. Bei knapp 400 Straftaten, die im Internet passierten, handelte es sich um Hasskriminalität von rechts.

3.549 Straftaten haben die Verfassungsschützer im Bereich Rechtsextremismus erfasst (2022: 3.453). Etwa 77 Prozent der Straftaten waren Propagandadelikte und Volksverhetzung. 116 Gewaltdelikte im Bereich Rechtsextremismus wurden erfasst (2022: 117). Reul betonte, dass er froh sei, dass der Verfassungsschutz die Jugendorganisation der AfD Nordrhein-Westfalen in den Blick genommen hat. "Wer sein eigenes – das rechtsextremistische – Regelwerk vorzieht, ist Demokratiefeind. Uns muss bewusst sein, dass der Rechtsextremismus spalten will. Mit seiner menschenverachtenden Ideologie ist er schleichendes Gift für unsere Gesellschaft", so der Minister.

Weiter zählte der Verfassungsschutz im vergangenen Jahr 1.097 Straftaten, die dem Linksextremismus zuzuordnen sind (2022: 824): ein Anstieg um 33 Prozent. Es müsse, so Reul, aber berücksichtigt werden, dass die meisten Straftaten (396) im Zusammenhang mit den Protesten während der Räumung von Lützerath passierten.

Spionage und Cyberangriffe eine weitere große Gefahr

Insgesamt wurden 305 Straftaten mit Bezug zu religiöser Ideologie erfasst. Zum Vorjahr ist das ein Anstieg um mehr als 400 Prozent (2022: 60). Die gestiegenen Fallzahlen hingen unmittelbar mit der Zuspitzung des Nahost-Konflikts seit den Terroranschlägen gegen den Staat Israel zusammen. In den meisten Fällen handelte es sich um Sachbeschädigung und Volksverhetzung.

Spionage und Cyberangriffe stellen laut Reul eine weitere große Gefahr für die Demokratie dar. Die Bedrohungen erreichten NRW hybrid als Desinformation und Propaganda, in Form von Spionage, durch Cyberangriffe auf die kritische Infrastruktur, durch Staatsterrorismus und durch illegale Technologiebeschaffung. Die Nachrichtendienste aus Russland, China und dem Iran waren und sind dabei die Hauptakteure.

Auch Eltern sind bei der Aufklärung gefordert

Abschließend sagte der Innenminister, dass die Herausforderungen zugenommen hätten. Der Verfassungsschutz werde die Entwicklungen in allen Extremismusbereichen weiter intensiv im Blick behalten. Sorgen bereiten ihm, dass die Täter immer jünger werden – sei es beim Islamismus oder von rechts. Aufklärung könne über die Schulen erfolgen, aber vor allem seien die Eltern gefordert, "auch einmal über die Schulter der Kinder zu schauen, um zu gucken, was die auf ihren Handys zu machen".

Denn heutzutage brauche man nur noch ein Handy, um über Plattformen wie TikTok etwa im Bereich Islamismus radikalisiert zu werden. "Eine Moschee ist nicht mehr nötig", sagt der Leiter des Verfassungsschutzes NRW, Jürgen Kayser.

Verwendete Quellen
  • Presseinformation zum Verfassungsschutzbericht 2023
  • Reporter vor Ort
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