Kongress in Düsseldorf Experte: Gelsenkirchen und Essen sind Machtzentren der Clans
Die Gefahr neuer Gewaltausbrüche zwischen syrischen und libanesischen Clans ist laut eines Experten groß. Der jüngst ausgehandelte "Frieden" werde nicht von langer Dauer sein.
Der Politikwissenschaftler Mahmoud Jaraba hat vor weiteren Gewaltausbrüchen zwischen rivalisierenden Clans gewarnt. "Die Gefahr ist sehr groß", sagte der Experte vom Erlanger Zentrum für Islam und Recht in Europa (EZIRE) am Montag in Düsseldorf. Gelsenkirchen und Essen hätten sich bereits zu Machtzentren der Clans entwickelt. Er warnte davor zuzulassen, dass sich die Clan-Strukturen etablieren.
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Die jüngsten Auseinandersetzungen im Ruhrgebiet hätten zum Teil eine lange Geschichte der Feindschaft syrischer und libanesischer Clans, die zunehmend in Konkurrenz träten. Nicht immer gehe es um kriminelle Geschäftsfelder wie Menschenschleusung und Drogenhandel, sondern manchmal auch um Fragen der Ehre, die dann für Machtdemonstrationen genutzt würden.
"Friede" sei nicht von langer Dauer
Man dürfe sich zudem nicht vom Begriff "Friedensrichter" täuschen lassen: Oft sei die Zahlung einer Summe für die Beilegung eines Konflikts nichts anderes als Schutzgeld. So prognostizierte er dem unlängst mit einem "Friedensrichter" ausgehandelten "Frieden" im Ruhrgebiet keine lange Dauer. Die Konflikte würden bald wieder aufbrechen.
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Sie seien dabei oft sehr dynamisch und gingen via Social Media mit einer internationalen Mobilisierung der Clan-Mitglieder in mehreren europäischen Ländern einher. Die Polizei dürfe nicht zwei oder drei Tage warten, bis der Inhalt von TikTok-Videos aus dem Clan-Milieu übersetzt sei und man erst dann erkenne, was im Gange sei. Es gebe Menschen, die in der jeweiligen Community für ihre kriminellen Machenschaften bekannt seien, aber von der deutschen Justiz bislang völlig unbehelligt seien.
Komplexe Clan-Strukturen
Dabei seien die Clan-Strukturen komplex: Manchmal sei es eher die gemeinsame regionale Herkunft als der großfamiliäre Verbund, der die Menschen verbinde. Dann gebe es Sub-Clans, die sogar verfeindet seien. Manche dieser Sub-Clans seien kaum oder gar nicht, andere wiederum sehr stark in kriminelle Machenschaften verstrickt.
Jaraba sprach auf Einladung des NRW-Innenministeriums bei einem Internationalen Kongress gegen Clan-Kriminalität in Düsseldorf.
Clan-Kriminalität "schottet sich ab"
Laut Bundeskriminalamt ist Clan-Kriminalität Teil der Organisierten Kriminalität (OK): Von 639 OK-Verfahren hatten laut jüngstem Lagebild 46 einen Clan-Hintergrund. In keinem der Fälle werde wegen Bildung und Mitgliedschaft einer kriminellen Vereinigung ermittelt, obwohl diese Strafrechtsnorm dafür vorgesehen sei, sagte Prof. Arndt Sinn (Uni Osnabrück).
- Landeskriminalamt: Lagebild Clankriminalität
Er kritisierte fehlende Strukturermittlungen, räumte zugleich ein, dass Clan-Kriminalität sich extrem abschotte und die Infiltration solcher Vereinigungen schwierig sei. Selbstverständlich sei auch nicht jedes Mitglied eines Clans Mitglied einer etwaigen kriminellen Vereinigung innerhalb des Clans.
Der Begriff Clan-Kriminalität ist umstritten, weil er nach Ansicht von Kritikern Menschen mit Migrationshintergrund aufgrund ihrer Familienzugehörigkeit und Herkunft stigmatisiert und diskriminiert.
- Nachrichtenagentur dpa