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Mord an Marwa El-Sherbini in Dresden: Brutale Tat aus tiefen Hass auf Muslime


15. Todestag von Marwa El-Sherbini
Ein Mord aus tiefem Hass auf Muslime


01.07.2024Lesedauer: 3 Min.
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Marwa El-Sherbini mit Ehemann Elwy Ali Okaz (Archivbild): Er versuchte vergeblich, sie zu retten.Vergrößern des Bildes
Marwa El-Sherbini mit Ehemann Elwy Ali Okaz (Archivbild): Er versuchte vergeblich, sie zu retten. (Quelle: dpa/picture alliance)

Vor 15 Jahren wurde Marwa El-Sherbini in einem Dresdner Gerichtssaal brutal ermordet. Die Umstände werfen bis heute Fragen auf. Wie konnte das passieren?

Sie hatte es fast geschafft. Marwa El-Sherbinis Zeugenaussage im Dresdner Landgericht war beendet, sie war aufgestanden und Richtung Ausgang gelaufen. Da sprang Axel Wiens auf, der Angeklagte. Mit einem Messer mit 18 Zentimeter langer Klinge stach er auf sie ein, minutenlang konnte ihn niemand stoppen. El-Sherbinis Ehemann Elwy Ali Okaz wurde beim Versuch, sie zu retten, lebensgefährlich verletzt. Der dreijährige Sohn musste alles mitansehen.

Der Mord an Marwa El-Sherbini, die zum Tatzeitpunkt schwanger war, jährt sich am Montag zum 15. Mal. Im Park vor dem Landgericht Dresden, der inzwischen nach ihr benannt ist, findet eine Gedenkveranstaltung statt, mit Sachsens Justizministerin Katja Meier und Dresdens Oberbürgermeister Dirk Hilbert. Meier bezeichnet den 1. Juli 2009 als "einen der furchtbarsten Tage in der Geschichte der sächsischen Justiz". Der Mord an El-Sherbini "hinterlässt Wunden, die nie vollständig heilen werden".

El-Sherbini stammte aus Ägypten, aus der Hafenstadt Alexandria. Dort studierte sie Pharmazie, genau wie ihr späterer Ehemann. Nebenher hatte sie noch eine erfolgreiche Sportkarriere. Als Handballerin schaffte sie es bis in die ägyptische Nationalmannschaft. 2003 kam das Ehepaar nach Deutschland, 2005 zogen sie nach Dresden, weil Elwy Ali Okaz am Max-Planck-Institut promovierte. 2006 kam dann der gemeinsame Sohn auf die Welt.

Wegen ihres Kopftuchs als "Terroristin" beleidigt

Marwa El-Sherbini begegnete ihrem späteren Mörder im August 2008 zum ersten Mal. Wiens saß auf einer Schaukel auf einem Dresdner Spielplatz, auf der Schaukel nebenan seine Nichte. El-Sherbini fragte den Mann, ob er die Schaukel frei machen könne, weil ihr kleiner Sohn sie benutzen wollte. Doch Wiens rastete aus. Er beschimpfte die Frau, die ein Kopftuch trug, als "Terroristin", "Islamistin" und "Schlampe". Sie habe in Deutschland nichts verloren, und auch ihr Sohn werde einmal Terrorist werden.

Wegen des Vorfalls erließ die Staatsanwaltschaft einen Strafbefehl gegen Alex Wiens. Weil er Widerspruch gegen diesen einlegte, kam es zum Prozess. Im Widerspruchsschreiben legte Wiens seine rassistischen Überzeugungen offen. "Jeder weiß, dass Islam gefährliche und verrückte Religion ist", schrieb er. Und: "Keiner auf ganzer Welt kann mir vorschreiben, dass ich Feinde in meiner Nähe tolerieren muss."

Auch in einer ersten Verhandlung vor dem Amtsgericht Dresden versuchte der Angeklagte gar nicht, seinen tiefen Rassismus zu verbergen. Reue zeigte er keine, vielmehr sah er sich im Recht, so mit der Frau zu sprechen. Wegen Beleidigung wurde Wiens zu 780 Euro Geldstrafe verurteilt. Dagegen legten sowohl er als auch die Staatsanwaltschaft Berufung ein. Diese wollte wegen seiner Uneinsichtigkeit und seiner rassistischen Äußerungen eine Freiheitsstrafe erreichen.

Keine Sicherheitskontrollen vor dem Gerichtssaal

Beim Berufungsprozess kommt es zu der Katastrophe, bei der man sich auch 15 Jahre später noch fragt, warum niemand sie verhindern konnte. Der Angeklagte Wiens konnte mit einem riesigen Messer im Rucksack in den Gerichtssaal gelangen. Sicherheitskontrollen am Eingang gab es keine. Im Saal saßen auch keine Justizbeamten, als Wiens auf El-Sherbini losging. Richter Tom Maciejewski sagte später, dass es vorher "keinerlei Anhaltspunkte für eine Gefährdung" gegeben habe. Trotz des offen zur Schau getragenen Hasses des Angeklagten.

In blinder Wut stach Wiens erst auf El-Sherbini ein und dann auf ihren Ehemann, der sich schützend vor sie warf. Sein Verteidiger schlug mit einem Stuhl auf den Mann ein, aber auch das konnte ihn nicht von seiner Tat abbringen, die er offensichtlich vorher geplant hatte. Mehr als zwei Minuten vergingen, nachdem der Richter einen Alarmknopf gedrückt hatte, bis ein bewaffneter Polizist den Gerichtssaal erreichte. Dieser schoss in das Handgemenge, traf aber nicht den Täter, sondern den Ehemann. Dieser hatte dem Angreifer gerade das Messer entringen können, weshalb der Polizist ihn für den Angreifer hielt.

Die Tat löste international Entsetzen aus. Zu El-Sherbinis Beisetzung in Alexandria kamen Hunderte Menschen. In Pakistan oder dem Iran gab es große Demonstrationen gegen die Tat und gegen westliche Islamophobie.

Alex Wiens wurde wegen Mordes zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. Ermittlungsverfahren gegen Richter Maciejewski und den Polizisten, der auf den Falschen schoss, wurden eingestellt. Elwy Ali Okaz überlebte knapp und verließ Deutschland gemeinsam mit dem Sohn.

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