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Gerburg Jahnke beim Zeltfestival Ruhr: Darum ist der Auftritt besonders


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Gerburg Jahnke im Interview
"Ich rede nicht mehr ständig übers Vögeln"


05.08.2023Lesedauer: 6 Min.
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Gerburg Jahnke, Moderatorin und Komikerin: Sie bezeichnet ihren Auftritt auf dem Zeltfestival Ruhr als "persönliche Challenge". (Quelle: IMAGO/Malte Ossowski/SVEN SIMON)

Beim Zeltfestival Ruhr steht Gerburg Jahnke mit ihren Gästinnen auf der Bühne. Im Interview spricht sie übers Gendern, Comedy zum Abschalten und das Alter.

Sie gilt als eine der profiliertesten Kabarettistinnen des Ruhrgebiets. Da ist das Zeltfestival Ruhr am Kemnader See für Gerburg Jahnke auch in diesem Jahr wieder quasi ein Heimspiel. Im Interview mit t-online spricht sie darüber, warum der Auftritt in der weißen Zeltstadt am 20. August für sie trotzdem etwas Besonderes ist, was gelungene Unterhaltung ausmacht und warum ihre Brüste zwar kein Thema der Show sind, der eigene Gatte aber schon – Schmunzelfaktor inklusive.

t-online: Frau Jahnke, Sie bezeichnen Ihren Auftritt auf dem Zeltfestival Ruhr gerne als persönliche Challenge. Warum?

Gerburg Jahnke: Wir bespielen beim Zeltfestival jedes Mal – immer in anderen Konstellationen – das größte Zelt. Und es ist schon immer geil, wenn wir die Hütte vollkriegen. Das ist dann eine sehr spezielle Stimmung, da bekommen selbst die abgebrühteren Kolleginnen noch ein Flattern im Herzen. Und woanders. (lacht)

Was macht die spezielle Stimmung aus?

3.000 Zuschauer sind schon eine Menge, dazu gibt's im Zelt diese riesigen Leinwände. Da wird die kleinste Hautunreinheit dem ganzen Publikum gestochen scharf vor Augen geführt. Und die Leute, die diese Aufnahmen backstage live schneiden, haben eine Menge Spaß an diesen Kleinigkeiten. (lacht) Es ist tatsächlich etwas Besonderes. Wir sind ja schon zum achten oder neunten Mal dabei.

"Beim Gendern empfinde ich manchmal sehr viel Bürokratie"

Dann dürfen Sie sich ja schon zu den Stammgästinnen des Zeltfestivals zählen.

Das ist aber schön, dass Sie das so korrekt formulieren. (lacht) Nein, im Ernst, in dieser Hinsicht gendere ich schon. Wenn es um Frauen geht, kann man auch die weibliche Form benutzen. Sonst empfinde ich dabei aber manchmal auch sehr viel Bürokratie, besonders bei den Verwaltungen. Aber das ist ein anderes Thema ...

Dann lassen Sie uns zurückkommen zum Auftritt. Wen hat Frau Jahnke eingeladen, am Kemnader See mit dabei zu sein?

Mit Anka Zink aus Köln ist eine Kabarettistin der alten Schule mit dabei, die auf ganz ironisch-witzige Art politisches Kabarett macht. Aus Hamburg kommt die Singer- und Songwriterin Katie Freudenschuss, aus Berlin Suchtpotenzial – ein Frauenduo, das mit Preisen schon überhäuft wurde. Und Patrizia Moresko, die pure Comedy macht. Und ich bin dann so dazwischen.

Was Herkunft und Genre betrifft, eine sehr heterogene Gruppe – Absicht oder Zufall?

Für eine so große Location musst du sehr unterschiedliche Künstlerinnen im Cast haben. Du willst dein Publikum ständig überraschen, also mischen wir auch die Präsenz der Damen auf der Bühne. Dazu gibt es ganz ausgetüftelte Pläne … (lacht) Außerdem liebe ich es, wenn sich verschiedene Genres mischen. So ist viel Abwechslung 'in the House' – das macht den größten Spaß.

Kabarett, Comedy – wo sehen Sie sich selbst? Irgendwo dazwischen?

Irgendwann hieß alles nur noch Comedy. Und wir nannten uns Comediennes. Ich denke, es ist alles eine Entwicklung. Das Comedy-Genre wurde aus dem englischsprachigen Raum übernommen. Die ersten Versuche, deutsche Comedy zu machen, waren recht hilflos. Inzwischen heißt es bei jedem, der einen Witz erzählt, er mache Comedy. Nun ja … Ich empfinde das, was ich mache, nicht unbedingt als Comedy. Das ist aber auch eine persönliche Einschätzung. Ich bin einfach zu alt für den Scheiß. (lacht) Wie haben Sie es ausgedrückt? Ich bin irgendwo dazwischen, glaube ich.

Jahnke: Mainstream-Comedy verändert sich

Klingt ein bisschen Bedauern durch, dass der alte Kabarettstil vielleicht nicht mehr so gefragt ist?

Jede Zeit hat ihre eigenen Künstler. Und -innen. Das sehen wir auch bei den Autorinnen und Autoren, das sehen wir bei diesen unglaublichen Fernsehformaten. (lacht) Was da inzwischen als Unterhaltung angeboten wird … Wie Leute lachen und worüber sie lachen, das verändert sich im Mainstream. Aber so viele künstlerisch Schaffende es gibt, so viele Genres gibt es eigentlich. Jeder ist da auch sehr persönlich geprägt. Und ganz ehrlich – scheiß was auf die Bezeichnung. Es gibt ganz wunderbare individuelle Entwicklungen, ich genieße das. Und bei uns weiß das Publikum ja auch, dass es einen gemischten Abend sehen wird und lässt sich darauf ein.

Was kritisieren Sie an der TV-Unterhaltung?

Wenn ich mir angucke, was unter dem Begriff Unterhaltung auch im öffentlich-rechtlichen Fernsehen angeboten wird, muss ich ehrlich sagen: Da ist ganz schön viel Schrott dabei. Und in den Privatsendern sowieso. Wenn ich mir gestandene Männer mit komischen Frisuren und komischen Schwänzen angucken muss, wie sie diskutieren, warum die eine oder andere Frau nicht sofort auf sie abfährt – das übersteigt meine Toleranzschwelle. Wobei ich da nur durchzappe und nicht hängen bleibe, um dieses kleine Wortspiel mal zu benutzen … (lacht) Aber es gibt eine Menge dieser Sendungen. Und du kannst das nicht mal Tabubruch nennen, das war früher schließlich mal eine kreative Leistung. Heute finde ich das nur noch absurd. Und ich fühle mich davon überhaupt nicht unterhalten.

Wie ordnen Sie Ihren Auftritt beim Zeltfestival ein – als reine Unterhaltung oder sehen Sie auch einen gesellschaftlichen oder politischen Auftrag?

Ich genieße es sehr, wenn der Abend beides anbietet. Anka Zink etwa gehört zu den Künstlerinnen, die es schaffen, politische Inhalte mit reiner Unterhaltung zusammenzubringen. Dabei geht es weniger um die Namen der ganzen Damen und Herren aus der Politik, sondern um Zustände. Ich selbst muss meine Themen allmählich etwas variieren – altersbedingt.

Das Alter gibt die Themen vor?

Ich bin jetzt weit über 60, da rede ich nicht mehr ständig übers Vögeln. Das hat sich auch in meiner Lebenswirklichkeit verändert. Also rede ich über andere Dinge. Ich nehme allerdings zur Kenntnis, dass junge Comediennes sehr viel über ihre Brüste und ihre Menstruation sprechen. Was mich betrifft: An das eine erinnere ich mich nicht mehr und auf das andere möchte ich die Aufmerksamkeit nicht lenken. (lacht)

Was sind Ihre Themen?

Ich fange an, mich über Altersdiskriminierung aufzuregen. Wenn du heute nicht ausreichend digital bist, wirst du von bestimmten Strukturen einfach ausgeschlossen. Ich rege mich auf über künstliche Intelligenz – das ganze Gedöns. Ich rege mich auch auf über Freiheitsbegriffe, wenn sie besetzt sind mit den Worten "Tempolimit – nein" und "So viel Fleisch wie möglich essen". Und darüber, dass Menschen heute an allen Ecken und Enden urteilen müssen und starr werden in ihrem Denken. Und über so viel Hass, Häme und Unverständnis in den sozialen Medien. Das kann man durchaus alles in den Bereich Gesellschaftskritik einordnen. Aber natürlich muss ich auch immer darüber berichten, wie der Zustand des Mannes im Garten ist. Diese Geschichte hat sich komplett verselbstständigt und ist jetzt eine feste Größe im Programm. (lacht) Ein kleiner Bericht ist also zwingend der Gattenhaltung geschuldet.

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Damenabende sind Selbstläufer geworden

Apropos Mann: Sie stehen auch am Kemnader See wieder mit anderen Frauen auf der Bühne. Gibt es die Überlegung, die Runde mal um männliche Protagonisten zu erweitern?

Ich habe zuletzt auch Touren nur mit alten, weisen Männern gemacht. Beim ersten Mal waren Schmickler, Eckenga und Knebel mit dabei, beim zweiten Mal Schmickler, Eckenga und Stoppok. Wir hatten totalen Spaß, die Stimmung war wunderbar – auch backstage. Die Jungs sind alle sehr nett und fügen sich ohne große Diskussion den Plänen. Und die Pläne mache immer ich. (lacht)

Also muss Frau Jahnke nicht zwingend Gästinnen einladen?

Am Anfang war es schon Konzept, mit anderen Frauen aufzutreten. Wir haben rund eineinhalb Jahre gebraucht, bis wir uns mit unserem Liveprogramm durchgesetzt haben. Irgendwann sind diese Damenabende dann ein Selbstläufer geworden. Jetzt ist die Idee dahinter zum Teil auch das Fördern von Kolleginnen. Wir haben oft junge Frauen dabei, die am Anfang ihrer Laufbahn stehen und denen es guttut, sich vor einem größeren Publikum zeigen zu können.

Haben es junge Künstlerinnen immer noch schwerer als ihre männlichen Kollegen?

Es ist sehr viel besser geworden. Es gibt im Fernsehen oder auf der Bühne immer noch Shows mit einer Alibi-Frau, aber es wird immer weniger. Es gibt einfach immer mehr gute Comediennes und Kabarettistinnen. Vor ein paar Jahren hieß es von Veranstaltern teilweise noch: Ich würde ja gerne mal eine Frau einladen, aber es gibt ja keine guten. Das war bei mir dann kurz vor der Schlägerei. Inzwischen ist das anders. Aber bis man eine Fifty-fifty-Beteiligung auch in den Medien erreicht hat, das dauert noch ein bisschen.

Vielen Dank für das Gespräch.

Verwendete Quellen
  • Gespräch mit Gerburg Jahnke
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