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Bremen "ganz weit abgeschlagen": Jeder dritte von Armut betroffen


Senats-Schwerpunkte "irritierend"
"Ganz weit abgeschlagen": Hier ist jeder Dritte arm

Von t-online, mtt

Aktualisiert am 28.03.2024Lesedauer: 3 Min.
Marktplatz von Bremen (Archivbild): In keinem anderen Bundesland gibt es so viele Arme.Vergrößern des Bildes
Marktplatz von Bremen (Archivbild): In keinem anderen Bundesland gibt es so viele Arme. (Quelle: stock&people/imago-images-bilder)

Trotz sinkender Arbeitslosigkeit bleibt die Armut auf hohem Niveau. In Bremen erreicht sie Rekordniveau.

29,1 Prozent der Menschen in Bremen sind laut dem Armutsbericht 2024 des Paritätischen Wohlfahrtsverbands arm. Der Wert liegt deutlich über dem Bundesschnitt von 16,8 Prozent – und während die Armut in Gesamtdeutschland dem Bericht zufolge zuletzt auf dem ungefähren Niveau des Vorjahres stagnierte, schoss er in Bremen weiter in die Höhe.

"Die Befunde sind erschütternd, doch leider verwundert es kaum, dass Bremen wieder Schlusslicht ist", sagte dazu Birgitt Pfeiffer, Vorständin des Bremer Paritätischen-Landesverbands. "Nach der weltweiten Pandemie und den Krisen durch den Krieg in der Ukraine war es kaum erwartbar, dass sich Bremen in den Armutskennzahlen verbessert."

Dem Paritätischen Wohlfahrtsverband zufolge ist Bremen "ganz weit abgeschlagen". Seit 2006 stieg der Anteil der Armutsbetroffenen im Bundesland um mehr als 40 Prozent, während die bundesweite Armutsquote in diesem Zeitraum "nur" um 20 Prozent wuchs.

In Bremerhaven liegt die Armutsquote dem Bericht zufolge sogar bei 33,0 Prozent. In Bremen selbst sieht es mit 28,3 Prozent allerdings nicht viel besser aus. Die Beobachtung zeige: Deutschland driftet auseinander. Ärmere Bundesländer würden immer ärmer, reiche immer reicher.

Arm trotz Arbeit: Millionen Erwerbstätige unter den Betroffenen

Brisant an der Entwicklung ist unter anderem, dass im gesamten Bundesgebiet zwar sowohl die Arbeitslosenquote als auch die SGB-II-Quote tendenziell sinken, dies aber nicht auf die Armutsquote durchschlägt. Obwohl es mehr Erwerbstätige gibt und weniger Menschen Grundsicherung für Arbeitsuchende (früher Hartz IV, heute Bürgergeld) erhalten, gibt es bundesweit rund 14,2 Millionen Arme.

Das heißt: Arbeit schützt in Deutschland nicht vor Armut. "Mehr als ein Viertel der einkommensarmen Menschen ist erwerbstätig, ein weiteres knappes Viertel ist in Rente und mehr als ein Fünftel sind Kinder", hält der Armutsbericht 2024 dazu fest. Besonders häufig von Armut betroffen sind in Deutschland Alleinerziehende (43,2 Prozent Armutsquote), Personen mit geringer formeller Bildung (39,0 Prozent Armutsquote), Paare mit drei oder mehr Kindern (32,1 Prozent Armutsquote) und Menschen mit Migrationshintergrund (28,1 Prozent Armutsquote).

Der Paritätische Wohlfahrtsverband ruft die Politik zum Handeln auf. Unter anderem fordert der Verband eine Anhebung des Mindestlohns auf 15 Euro, eine einkommens- und bedarfsorientierte Kindergrundsicherung, eine Reform der gesetzlichen Rentenversicherung mit armutsfester Mindestrente und eine konsequente Mietpreisdämpfungspolitik. Das Bürgergeld reiche auch nach der Anhebung zu Jahresbeginn nicht aus, um den Mindestbedarf zu decken.

"Eine gleichere Gesellschaft wäre erheblich resilienter"

Bei der Krisenbewältigung habe die Bundesregierung Fehler gemacht, kritisierte der Verband. Nötig sei es gewesen, die Entlastungspakete auf diejenigen zu konzentrieren, "die durch die Inflation in ihrer Alltagsbewältigung besonders belastet wurden und bei denen von sozialer Not gesprochen werden muss".

Es sei das hohe Maß an Ungleichheit, das Deutschland so anfällig für Krisen mache. Wenn fast die Hälfte der Einwohnerschaft keine nennenswerten Geldreserven habe und jeder fünfte Arbeitnehmer im Niedriglohnsektor tätig sei, würden steigende Lebenshaltungskosten schnell zum armutspolitischen Problem von besonderer Brisanz: "Eine gleichere Gesellschaft ohne oder mit deutlich weniger Armut wäre erheblich resilienter."

Speziell für Bremen forderte der Landesverband des Paritätischen den Ausbau der Kindertagesbetreuung und von Ganztagsschulen, Verbesserung der sprachlichen Bildung, Reformierung von Wohnungsbaupolitik und sozialer Stadtteilentwicklung. Die aktuellen Schwerpunkte des Bremer Senats, nach denen 250 Millionen Euro für ein grünes Stahlwerk und zig Millionen zur Instandsetzung der Glocke beschlossen wurden, seien "irritierend". Landesvorständin Pfeiffer kritisierte: "Hier gleichzeitig zu entscheiden, dass Zweitkräfte in Grundschulen benachteiligter Quartiere nicht mehr finanziert werden, ist überhaupt nicht nachvollziehbar."

Wann gelte ich als arm?

Die im Armutsbericht 2024 veröffentlichten Zahlen beziehen sich auf das Jahr 2022. Es sind die derzeit aktuellsten Daten, die verfügbar sind.

Wer als "arm" gilt, ist laut Mikrozensus nach Haushaltstypen und verfügbarem Nettoeinkommen gestaffelt. Jede Person, die mit ihrem verfügbaren Einkommen unter 60 Prozent des mittleren Einkommens liegt, wird als einkommensarm eingestuft. Ein Single-Haushalt ohne Kinder erreicht die Armutsschwelle demnach bei weniger als 1.186 Euro verfügbarem Einkommen im Monat. Eine Alleinerziehende mit einem Kind unter 14 Jahren gilt als arm, wenn sie weniger als 1.542 Euro monatlich zur Verfügung hat, und ein Paar mit zwei Kindern unter 14 Jahren, wenn das Haushaltsnettoeinkommen unter 2.490 Euro liegt. Zum Haushaltsnettoeinkommen zählen auch sämtliche Transferleistungen wie etwa Wohngeld, Kindergeld oder Kinderzuschlag.

Verwendete Quellen
  • Mit Material der Nachrichtenagentur dpa
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