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Ulrike Guérot: Kollege Martin Aust und Bonner Studenten stellen sich gegen sie


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Umstrittene Professorin
Bonner Studenten und Kollege stellen sich gegen Ulrike Guérot


Aktualisiert am 03.12.2022Lesedauer: 3 Min.
Otis Henkel (links) und Ulrike Guérot: Der Pressesprecher des Bonner AStA kritisiert die Professorin scharf.Vergrößern des Bildes
Otis Henkel (links) und Ulrike Guérot: Der Pressesprecher des Bonner AStA kritisiert die Professorin scharf. (Quelle: Malek Sayadi/Peter Hartenfelser/imago-images-bilder)
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Kritik aus der akademischen Heimat: Die Studierenden-Vertretung der Uni Bonn stellt sich gegen Ulrike Guérot – und ein Kollege schreibt einen vernichtenden Aufsatz.

Die Kritik an der Politikwissenschaftlerin Ulrike Guérot reißt nicht ab – und kommt nun auch aus der Uni Bonn, wo sie die Professur für Europapolitik innehat. Nach der Veröffentlichung ihres Buches "Endspiel Europa", in dem sie unter anderem behauptet, die Ukraine habe den Krieg mit Russland "stellvertretend für den Westen begonnen", hatten mehrere Experten Guérot in den vergangenen Monaten heftig kritisiert.

Nun hat sich ein Bonner Fachkollege zu Wort gemeldet: Martin Aust, als Professor für Geschichte und Kultur Osteuropas ausgewiesener Kenner seines Fachs, wirft Guérot und ihrem Co-Autor Hauke Ritz "politische Propagandarede", wie sie "auf Marktplätzen und in Bierzelten gehalten werden könnte" vor. Aust ist über seine Tätigkeit in Bonn hinaus auch Vorsitzender des Verbandes der Osteuropahistoriker.

"Kann man in 'Mein Kampf' nachlesen"

Der auf den ersten Blick wissenschaftlich daherkommende Anmerkungsapparat sei ein "dünner Aufguss von einigen Zeitungsartikeln, Internetseiten und publizistischen Texten", Guérots Werk selbst eine "Absage an die Wissenschaft". Die in dem Buch geäußerte Behauptung, die USA hätten bereits 2008 mit dem Versuch, die Ukraine in die Nato zu bringen, den Konflikt mit Russland eingeleitet, nennt Aust eine "sattsam bekannte Verschwörungsthese".

Das Buch zitiere auch die ehemalige ARD-Korrespondentin Gabriele Krone-Schmalz, deren Büchern er "offenkundige Mängel" attestiert. Mehr zur inzwischen auch juristischen Kontroverse um Krone-Schmalz lesen Sie hier.

Noch deutlicher kommentiert Aust die Behauptung, die USA arbeiteten aktiv an dem Ziel, Frieden zwischen der EU und Russland dauerhaft unmöglich zu machen. Dieses Narrativ sei nicht neu, schreibt Aust: "Adolf Hitler hat diese Geschichte antisemitisch aufgeladen. In größter Ausführlichkeit kann man das in 'Mein Kampf' nachlesen."

Guérots Rücktritt "wäre konsequent"

Ist "Endspiel Europa" ein Versuch, Russland zu verstehen? Nein, meint Aust, wirft dem Autoren-Duo selektive Auswahl von Quellen vor und sagt: "Der Blick in den Abgrund des (...) mörderischen Regimes Putins, der Russland in seiner vierten Präsidentschaft seit 2018 in eine Diktatur verwandelt hat, ist nicht das Hirngespinst westlicher Russophobie, sondern eine Erkenntnis, zu der Journalismus und Zivilgesellschaft in Russland erhebliches beigetragen haben."

Das Buch sei ein "eklatanter Verstoß" gegen wissenschaftliches Ethos, schreibt Aust: "Wenn dies die Freiheit ist, die Ulrike Guérot vorschwebt, wäre es konsequent, von ihrer Professur zurückzutreten, um als freie Publizistin befreit von den Regeln der Wissenschaft jegliche Meinung ungeprüft in die Öffentlichkeit zu tragen."

Doch es ist nicht nur Aust, der sich in Bonn gegen Guérot stellt: Auch der Allgemeine Studierendenausschuss (AStA) wolle sich von der Professorin distanzieren, schreibt Pressesprecher Otis Henkel auf Anfrage von t-online. Bereits im Mai hatte das Studierendenparlament Guérots Aussagen einstimmig missbilligt.

Lehrveranstaltung angeboten, ausgefallen und abgesagt

Ihre Aussagen seien nie rein privater Natur, argumentiert Henkel – Guérot werde auch immer als Professorin der Uni Bonn verstanden. "Wir nehmen positiv zur Kenntnis, dass die Universität Bonn sich grundsätzlich von den Aussagen (...) distanziert. Allerdings halten wir diese Distanzierung für sehr vage und nicht eindeutig genug."

Bei Lippenbekenntnissen dürfe es nicht bleiben. "Wir erwarten, dass die Universität diesen Fall weiterhin untersucht und möglicherweise disziplinarische Schritte einleitet."

Unklar ist indes, ob und wie präsent Guérot selbst an der Uni ist. Anfragen über ihre Bonner Mailadresse werden mit der Bitte quittiert, von diesen in Zukunft doch abzusehen. Als Professorin hat Guérot auch einen Lehrauftrag, doch ihre Vorlesungen und Seminare würden wenig besucht, so Henkel, der selbst Politikwissenschaften studiert: "Ich habe mich gegen ihren Kurs entschieden. Nach meiner Erfahrung bleiben in ihren Veranstaltungen recht viele Plätze frei." Eine Veranstaltung sei in diesem Semester zunächst regulär angeboten worden, dann zweimal ausgefallen – und schließlich komplett gestrichen worden.

Ende November hatte Ulrike Guérot ein wirres Video bei Twitter geteilt. Der Tenor: Versöhnung gebe es mit ihr nicht. Die Uni Bonn selbst hatte bereits nach der Veröffentlichung des Buches Anfang November erklärt, "Äußerungen einzelner Wissenschaftler*innen" stellten "grundsätzlich keine Positionen der Universität Bonn dar". Verdachtsfälle auf Fehlverhalten würden "geprüft und gegebenenfalls sanktioniert". Mehr dazu lesen Sie hier.

Verwendete Quellen
  • Anfrage bei Martin Aust
  • Anfrage beim AStA der Uni Bonn
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