Gericht "in vielfacher Weise angelogen" Mann zu Unrecht angehalten und gefesselt: Polizisten verurteilt
![ARCHIV - 03.06.2024, Berlin: Ein Schild weist auf das Landgericht Berlin an der Fassade zum Kriminalgericht Moabit in der Turmstraße hin. (zu dpa: «Polizisten wegen ungerechtfertigter Kontrolle verurteilt») Foto: Jens Kalaene/dpa ARCHIV - 03.06.2024, Berlin: Ein Schild weist auf das Landgericht Berlin an der Fassade zum Kriminalgericht Moabit in der Turmstraße hin. (zu dpa: «Polizisten wegen ungerechtfertigter Kontrolle verurteilt») Foto: Jens Kalaene/dpa](https://images.t-online.de/2025/02/8Lddchn9ftZ5/0x255:2048x1152/fit-in/1920x0/ein-schild-am-landgericht-berlin-hinter-den-mauern-des-kriminalgerichts-moabit-in-der-turmstrasse-sind-zwei-polizisten-verurteilt-worden.jpg)
Ein Autofahrer wird mit Blaulicht gestoppt. Die nächtliche Kontrolle führt zu schweren Vorwürfen gegen zwei Berliner Beamte. Von einem Raubüberfall geht die Anklage aus. Das Gericht sieht es anders.
Zwei Berliner Polizisten sind in einem Prozess um eine nächtliche Verkehrskontrolle zu jeweils neun Monaten Haft auf Bewährung verurteilt worden. Das Berliner Landgericht sprach die Beamten der gemeinschaftlichen Nötigung im besonders schweren Fall sowie der Freiheitsberaubung schuldig. Eine von der Staatsanwaltschaft angeklagte Raubtat sei allerdings nicht festgestellt worden, sagte der Vorsitzende Richter Michael Mattern. "In zwanzig Verhandlungstagen ist jeder Stein umgedreht worden, viele Fragen sind offengeblieben."
Die Staatsanwaltschaft hatte den 49 und 45 Jahre alten Angeklagten vorgeworfen, im Juli 2023 einen Autofahrer auf der Berliner Stadtautobahn mit Blaulicht und Polizeikelle gestoppt und den 63-Jährigen bei einer vorgetäuschten Kontrolle ausgeraubt zu haben. Sie hätten den Mann mit Handschellen gefesselt, seinen Wagen durchsucht und einen Rucksack mit 55.000 bis 60.000 Euro erbeutet.
Fest stehe, dass der Autofahrer unter Einsatz von Blaulicht angehalten worden sei, hieß es weiter im Urteil. Die befreundeten Angeklagten seien unterwegs gewesen, weil es in der Ehe des 45-Jährigen massive Probleme gegeben habe, "im Auto wurde ständig telefoniert, die Stimmung war aufgewühlt". Weil der 63-Jährige aus ihrer Sicht auffällig langsam gefahren sei, hätten sie ihn nach ihrer Darstellung gestoppt.
Gericht: Kontrolle war nicht gerechtfertigt
Aus Sicht des Gerichts sei die Kontrolle nicht gerechtfertigt gewesen. Der 63-Jährige habe sein Fahrzeug verlassen und sich in den Polizeiwagen setzen müssen. Die Angeklagten aber hätten "nichts getan, was in irgendeiner Form das Geschehen hätte nachvollziehbar machen können". So sei keine Halterabfrage erfolgt. Der Autofahrer verbrachte nach seiner Aussage etwa 30 Minuten im Polizeifahrzeug. "Es war eine lange Zeit für eine Verkehrskontrolle, bei der nichts festgestellt wurde", so der Richter.
Für eine Raubtat aber gebe es keine Beweise. Es sei nicht nachgewiesen worden, dass Geld in die Taschen des 63-Jährigen und dann in die Taschen der Angeklagten geflossen sei. Den Angaben des 63-Jährigen zu Geld in seinem Fahrzeug sei nicht zu folgen. Das Gericht sei "in vielfacher Weise angelogen worden – von mehreren Seiten", sagte Mattern. Es bleibe nach fünfmonatigem Prozess ein "riesiges Fragezeichen, warum das Fahrzeug angehalten wurde".
Die Staatsanwältin hatte auf einen Schuldspruch wegen schweren Raubes, gefährlicher Körperverletzung und Freiheitsberaubung plädiert. Sie beantragte Haftstrafen von sechs Jahren und zwei Monaten beziehungsweise sechs Jahren. Die Verteidiger hatten jeweils auf Freispruch plädiert. "Der ganze Vorgang ist völlig frei erfunden", sagte einer der Anwälte. Das Urteil ist bisher nicht rechtskräftig.
- Nachrichtenagentur dpa