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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Obskure Pläne mit Guru Hollywood-Star wollte "Turm der Unbesiegbarkeit" in Berlin bauen
Der verstorbene US-Regisseur David Lynch hat auch in Berlin Spuren hinterlassen. Mit einem Guru wollte er auf dem Teufelsberg eine umstrittene Meditations-Universität bauen.
Es sind kuriose Szenen, die sich 2007 in der Berliner Urania zugetragen haben. Ein Mann namens Emanuel Schiffgens erklärt dem Publikum, dass er zum "Raja" von Deutschland gekrönt worden sei. Er trägt ein weißes Gewand, eine goldene Krone mit einer Sonne darauf und eine riesige Goldkette. Neben ihm sitzt der US-Regisseur David Lynch, eine Ikone des obskuren Kinos. Aber es ist keine Szene aus einem Lynch-Film, die die beiden vorführen. Was sie vortragen, meinen sie offenbar ernst.
Sie würden eine Universität in Berlin errichten, kündigt Lynch an. Sie werde aber anders sein als andere Universitäten. Mithilfe der Technik der Transzendentalen Meditation solle sie "die Tür öffnen zur transzendentalen Erleuchtung". Raja Schiffgens geht noch weiter. "Wir haben heute den Teufelsberg gekauft und werden dort den Turm der Unbesiegbarkeit für Deutschland bauen", sagt er und hält ein Bild eines weißen Turmes mit goldenen Dächern und Fahnen in die Luft. Auf die empörte Bemerkung aus dem Publikum, dass auch Adolf Hitler Deutschland habe unbesiegbar machen wollen, antwortet der Guru: "Ja, aber leider hat er es nicht geschafft, weil er die Technik nicht hatte."
Es folgt ein Pfeifkonzert mit lauten Buhrufen. "Sie sind ein Scharlatan!", ruft eine Frau dem sichtlich verunsicherten Schiffgen entgegen. Lynch tritt ans Rednerpult, um die Situation zu beruhigen. Er verstehe, dass die Worte von Schiffgens etwas ausgelöst hätten. "Aber er ist ein großartiger Mensch, der auf tiefster Ebene etwas für Deutschland tut." Nach der Veranstaltung steigen die beiden in eine weiße Stretch-Limousine und fahren zum Teufelsberg, um dort im Schein von Fackeln symbolisch den Grundstein für ihre Unbesiegbarkeits-Universität zu legen.
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"Eine teilweise streng hierarchisch organisierte Sekte"
Festgehalten hat diese absurden Szenen der Berliner Regisseur David Sieveking in seiner Dokumentation "David wants to Fly". Am Telefon erzählt er t-online, wie er als Filmstudent 2006 sein damals großes Idol Lynch traf. Er habe von Lynch etwas über das Filmemachen lernen wollen. "Aber er hat nur über Meditation gesprochen. Die sei der Schlüssel zu Kreativität und Erfolg."
Lynch meditierte nach eigenen Angaben seit 1973 zweimal täglich. Er folgte der Lehre der Transzendentalen Meditation (TM), die auf den indischen Guru Maharashi Mahesh Yogi zurückgeht, einen Popstar der Mediation, dessen Anhänger auch die Beatles-Mitglieder Paul McCartney und Ringo Starr waren. Bis zu seinem Tod im Jahr 2008 machte Maharashi Millionen mit seinen Lehren.
Sieveking beschloss, die Transzendentale Meditation auszuprobieren und einen Film darüber zu drehen. Während der Dreharbeiten sei er immer kritischer geworden, sagt er. "Das stellte sich als eine teilweise streng hierarchisch organisierte Sekte heraus, die den Leuten das Geld aus der Tasche zieht." Der Guru Maharashi habe – inspiriert von McDonald's – eine Art Franchise-System für Meditationskurse aufgebaut. Der erste Kurs habe 2.500 Dollar gekostet. "Wer weitermachen wollte, musste immer mehr zahlen." Lynch habe dabei als prominentes Testimonial fungiert und sei etwa durch Film-Unis getourt, um Studierende anzuwerben.
"Ich habe mich gefühlt wie in einem David-Lynch-Film"
Anfangs sei Lynch begeistert davon gewesen, dass er einen Film über die TM drehen wollte, sagt Sieveking. Mit der Zeit sei aber auch dem Superstar bewusst geworden, dass es ein kritischer Film werden könnte. Lynch habe zum Beispiel verhindern wollen, dass die Szenen, in denen Raja Emanuel Schiffgens über Hitler redet, im Film landen. Sieveking sei von TM-Seite vorgeworfen worden, von Fernsehsendern instrumentalisiert oder von der katholischen Kirche bezahlt zu werden. Lynch habe später sogar versucht zu verhindern, dass "David wants to Fly" auf der Berlinale gezeigt wird, sagt Sieveking. "Es wurde immer surrealer. Ich habe mich gefühlt wie in einem David-Lynch-Film." Die Berlinale zeigte "David wants to Fly" trotzdem, die von Lynchs Anwälten angedrohte Klage kam nie.
Sieveking glaubt nicht, dass Lynch die Transzendentale Meditation in böser Absicht oder aus finanziellen Interessen propagiert hat. Er habe sicher mehr Geld investiert als verdient. Es sei nichts Neues, dass Superstars besonders empfänglich für Sekten seien. "Wenn du schon ganz oben bist, dann willst du auch auf der Ebene der Weltrettung was erreichen", sagt Sieveking. Lynch sei daher fast als Opfer zu sehen. "Eine Verantwortung hat er aber trotzdem."
Die Pläne für eine Transzendentale Universität auf dem Teufelsberg wurden nie verwirklicht. Eine Baugenehmigung hatten Lynch und Schiffgen nämlich nicht, als sie den Grundstein auf dem Teufelsberg legten. Da der Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf die Genehmigung nicht erteilte, kam auch der mit der Investorengemeinschaft Teufelsberg ausgehandelte Kaufvertrag nie zustande. So thront heute auf dem Trümmerberg im Grunewald kein megalomanischer Turm, sondern immer noch die verfallene Abhörstation der CIA aus dem Kalten Krieg.
- Telefonat mit David Sieveking
- youtube.com: Szene aus der Dokumentation "David wants to Fly" von David Sieveking
- youtube.com: "David Lynch on Transcendental Meditation" von CBS Sunday Morning
- spiegel.de: "Der Lieblingsguru der Hippies"
- deutschlandfunk.de: "Der große yogische Reinfall"
- tagesspiegel.de: "Bezirk mauert gegen David Lynchs Friedens-Uni"