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Berlin: Cold Case vor Aufklärung? Mutmaßlicher Mörder vor Gericht


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Vermisstenfall in Berlin
Mordprozess nach 25 Jahren: Keine Leiche, viele Fragen


30.09.2024Lesedauer: 4 Min.
Der Angeklagte Andreas E. vor Gericht (links), Foto von Ali Razzouk: E. bestreitet, Razzouk getötet zu haben.Vergrößern des Bildes
Der Angeklagte Andreas E. vor Gericht (links), Foto von Ali Razzouk: E. bestreitet, Razzouk getötet zu haben. (Quelle: Yannick von Eisenhart Rothe/Polizei Berlin/Montage: nl)
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Seit mehr als 25 Jahren ist Ali Razzouk verschwunden. Jetzt steht in Berlin ein Mann vor Gericht, der ihn ermordet haben soll. Er soll die Tat Zeugen gegenüber gestanden haben – allerdings in verschiedenen Versionen.

Vor dem Berliner Landgericht hat am Montag ein besonderer Mordprozess begonnen. Besonders deshalb, weil die vermutete Tat im vorigen Jahrtausend passierte. Und weil nicht sicher ist, dass es den Mord tatsächlich gab. Denn eine Leiche oder auch nur Spuren eines Gewaltverbrechens wurden nie gefunden.

Der damals 26-jährige Libanese Ali Razzouk verschwand am 14. Juli 1999 spurlos, 2001 wurden die Ermittlungen ohne Ergebnis eingestellt. Jahrelang tat sich nichts, bis sich 2018 plötzlich ein Zeuge meldete. Ein Bekannter habe ihm einen Mord gestanden. Und er sollte nicht der einzige bleiben, der das behauptet.

Dieser Bekannte heißt Andreas E. und sitzt heute auf der Anklagebank. E. ist 51 Jahre alt, gelernter Industriemechaniker, derzeit arbeitslos. Er lebt mit seiner Frau und sieben Kindern mittlerweile in Mecklenburg-Vorpommern. Die Staatsanwaltschaft ist überzeugt davon, dass er Razzouk 1999 mit einem Hammer in seinem Auto getötet hat. Oder dass er zumindest dabei war, als ein Dritter mit dem Hammer zuschlug, was er geplant und gewusst haben soll. Das Motiv: E. soll von Razzouk eine Pizzeria in Falkensee gekauft haben. Als am Razzouk am Tag seines Verschwindens nach Falkensee fuhr, um 30.000 Mark von E. abzuholen, soll dieser ihn stattdessen getötet haben. Oder eben töten lassen.

Zeugen berichten von unterschiedlichen Geständnissen

Hier zeigt sich das nächste Dilemma für das Gericht. Denn der Angeklagte soll zwar mehreren Menschen von seiner angeblichen Tat erzählt haben, aber in unterschiedlichen Versionen.

Am ersten Prozesstag sagt eine Polizistin als Zeugin aus, die von Anfang an in diesem Fall ermittelt hat. Es gebe mittlerweile vier Zeugen, die angeben, dass Andreas E. ihnen den Mord gestanden habe, berichtet sie. Den Bekannten, dem er beim abendlichen Bier von der Tat erzählt haben soll und der den Fall 2018 wieder ins Rollen brachte. Einen Freund von Andreas E., der einem Berliner Cafébetreiber davon berichtet haben soll, dass E. ihm die Tat gestanden habe. Eine Frau, die zum Tatzeitpunkt mit Andreas E. verlobt war. Und einen Mithäftling, dem Andreas E. erst in der Untersuchungshaft im Jahr 2019 von dem Mord berichtet haben soll.

Drei der Berichte würden sich ähneln, sagt die Polizistin. In diesen sei Andreas E. jeweils selbst der Täter. Nur seiner damaligen Verlobten soll er erzählt haben, dass er damals im Auto nicht selbst zugeschlagen habe, sondern Hussein M., ein damaliger Geschäftspartner von ihm. Hussein M. war 2019 genau wie Andreas E. festgenommen worden. Das Verfahren gegen M. wurde allerdings mittlerweile aus Mangel an Beweisen eingestellt. Andreas E. wurde nach einigen Monaten ebenfalls wieder aus der U-Haft entlassen, aber trotzdem angeklagt.

"Seine Geschichte passte gut aus unserer Sicht"

Seinem Bekannten soll E. bereits 2017 von seiner Tat erzählt haben, berichtet die Polizistin. Mehr als ein Jahr lang habe dieser jedoch mit sich gerungen, ob er zur Polizei geht, bis er es im September 2018 schließlich tat. "Seine Geschichte passte gut aus unserer Sicht", sagt die Ermittlerin. Er habe Details und Hintergründe zur Tat benennen können. Allerdings soll der Bekannte auch eine Affäre mit der Ehefrau von Andreas E. gehabt haben. Erst als diese ihn schließlich abgewiesen habe, sei er zur Polizei gegangen.

Nach den Aussagen des Bekannten soll Andreas E. auch Details darüber erzählt haben, wie er die Leiche entsorgt haben will. Er habe ein Grab ausgehoben, das jedoch zu klein gewesen sei. Der Kopf des Toten habe noch herausgeschaut. Deshalb habe er diesen mit Ästen und Blättern verdeckt und sei später noch einmal wiedergekommen. Dann habe er den Kopf abgetrennt, mitgenommen und im Garten seiner Eltern vergraben. Das Grundstück der Eltern sei daraufhin umgegraben und durchsucht worden, gefunden habe man aber nichts.

Auch die ehemalige Verlobte berichtete laut der Polizistin davon, dass sie sich erinnere, dass Andreas E. ihr davon erzählt habe, dass er einen menschlichen Kopf im Kofferraum habe. Er habe sich demnach auch übergeben. Der Frau soll er zudem berichtet haben, dass er die Leiche dort begraben habe, "wo wir immer Pilze gesammelt haben". Die Polizei habe das entsprechende Waldstück umgegraben, ebenfalls ohne Fund.

Verteidiger: Verfahren ist nicht rechtmäßig

Der Angeklagte selbst sagt an diesem ersten Prozesstag nichts zu den Vorwürfen. Er lässt lediglich eine knappe Erklärung durch seinen Verteidiger verlesen. "Ich bestreite den erhobenen Vorwurf, Ali Razzouk getötet zu haben", heißt es darin. Außerdem bedaure er, dass er "durch Äußerungen zu dem Verfahren beigetragen habe". Dass er gegenüber anderen behauptet hat, einen Menschen getötet zu haben, bestreitet Andreas E. also nicht.

Der Verteidiger kritisiert, dass bereits die Eröffnung des Verfahrens nicht rechtmäßig sei. "Mindestens einer der geschilderten Tatabläufe muss falsch sein." Aufgrund der vorliegenden Beweismittel könne nicht zweifelsfrei entschieden werden, ob sich eine der Varianten wirklich ereignet habe.

Der Prozess wird am 11. Oktober fortgesetzt. Mit einem Urteil ist erst 2025 zu rechnen.

Verwendete Quellen
  • Reporter vor Ort
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