Harte Vorwürfe gegen Journalisten Bericht: Charité-Ärzte – bitteres Zeugnis für die Klinik
Eine interne Umfrage offenbart alarmierende Zustände in Berlins bekanntester Klinik. Bei RTL soll nun eine Reportage zu sehen sein. Die Klinik wehrt sich gegen die Darstellung.
Eine interne Umfrage unter etwa 200 Charité-Ärzten offenbart laut einem Bericht massive Kritik an der Patientenversorgung des Berliner Universitätsklinikums. Mehr als 80 Prozent der Befragten bewerteten die Versorgungsqualität mit den Schulnoten vier, fünf oder sechs. Dies geht aus Recherchen des Magazins Stern und des Fernsehsenders RTL hervor.
Auf die Frage "Wie bewerten Sie die Qualität der Patientenversorgung unter den aktuellen Arbeitsbedingungen?" vergab nur ein einziger Arzt die Note "sehr gut". Dagegen bewerteten 44 Prozent die Situation als "mangelhaft" und acht Prozent sogar als "ungenügend". Weitere 29 Prozent der Befragten stuften die Versorgungsqualität als "ausreichend" ein.
An der Befragung nahmen Mediziner verschiedener Hierarchieebenen und Standorte teil, vom Berufsanfänger bis zur Oberärztin. Die Charité, mit fast 3.300 Betten eine der größten Universitätskliniken Europas, beschäftigt nach eigenen Angaben etwa 23.500 Mitarbeiter, darunter rund 5.700 Ärzte und Forscher. Die renommierte Klinik gehört dem Land Berlin.
Charité wehrt sich mit harten Vorwürfen gegen beteiligte Journalisten
Die Charité widerspricht der Stern-Darstellung. Diese sei "in wesentlichen Punkten ungerechtfertigt", heißt es in einer am Mittag veröffentlichten Erklärung. "Der Artikel unterschlägt maßgebliche Informationen, verallgemeinert unangemessen und ordnet Zusammenhänge teils missverständlich ein."
Außerdem wirft die Charité den Reportern vor, nicht sauber gearbeitet zu haben. In Fällen von einzelnen Patienten hätten die Journalisten der Klinik "keine ausreichende Möglichkeit der Stellungnahme eingeräumt". Man habe mehrfach darauf hingewiesen, dass man nicht von der ärztlichen Schweigepflicht entbunden worden sei. Der Vorwurf an die Journalisten: Sie hätten von den Patienten keine entsprechende "Entbindungserklärung" eingeholt.
Zum Vorwurf, Patienten seien an der Charité nicht in guten ärztlichen Händen, schreibt die Klinik mit Verweis auf unabhängige nationale und internationale Bewertungen der Krankenversorgung: "Auf den Stationen der Charité ist eine Versorgung der Patienten gemäß einschlägigen Richtlinien und medizinischen Notwendigkeiten gewährleistet." Außerdem seien die Charité-Ärzte nicht strukturell überlastet.
Meiste Charité-Studenten würden Klinik nicht weiterempfehlen
Eine zweite Umfrage der Ärztegewerkschaft Marburger Bund unter Medizinstudenten im Praktischen Jahr, von denen die Hälfte an der Charité ausgebildet wurde, ergab den Berichten zufolge ebenfalls besorgniserregende Resultate: Von den befragten Charité-Studierenden würden etwa zwei Drittel die Klinik nicht als Lehrkrankenhaus weiterempfehlen. Im Vergleich dazu waren Praktikanten an anderen Berliner Krankenhäusern deutlich zufriedener – hier würden zwei Drittel ihre jeweilige Klinik weiterempfehlen.
Und: Nur zehn Prozent aller befragten Medizinstudenten im Praktischen Jahr fühlten sich durch diese praktische Ausbildungsphase gut auf den späteren Berufsalltag vorbereitet. Ein Anwalt der Charité sagte den beiden Medien, dass die Umfragen der Klinik nicht bekannt seien – aber ohnehin auch "nicht repräsentativ". Die Klinik werde im Übrigen international regelmäßig zu den besten Krankenhäusern gekürt.
In der Erklärung der Charité hierzu heißt es: "Wir bedauern Einzelfälle, bei denen es in der Vergangenheit punktuell zu Abweichungen von unseren hohen Qualitätsstandards gekommen ist und lernen daraus."
- rtl.de: Vernichtende Kritik! So beurteilen Ärzte der Charité Berlin die eigene Klinik
- charite.de: "Stellungnahme zur Berichterstattung des 'stern'"
- charite.de: Über die Charité