Berliner Gastro-Szene in der Krise "The Grand" stellt Restaurantbetrieb ein
Das Restaurant "The Grand" stellt seinen Restaurantbetrieb ein. Doch ganz verschwindet das Lokal nicht aus der Berliner Gastronomieszene.
"The Grand" in Berlin-Mitte ändert sein Konzept. Das Restaurant ist ab diesem Monat nicht mehr für Gäste geöffnet, stattdessen setzen die Betreiber nur noch auf angemeldete Veranstaltungen wie Firmenfeiern und Jubiläen. Zuerst hatte die "Berliner Morgenpost" darüber berichtet. Die Organisation und Durchführung übernimmt die Agentur "24/7 Event", die bereits die Eventlocations "Spindler & Klatt" in Kreuzberg sowie das "Haus Ungarn" in Mitte betreibt.
"Corona und die Entwicklungen in den vergangenen Jahren haben leider zu einer immer schwierigeren wirtschaftlichen Situation des 'The Grand' geführt", sagt Jeremias Stüer, der bei der Agentur "24/7 Event" den Bereich Creation & Design leitet. Steigende Personalkosten, Inflation und die Wiedereinführung der Mehrwertsteuer von 19 Prozent zwangen die Inhaber schließlich dazu, den Restaurantbetrieb im "The Grand" aufzugeben.
Es werde ohnehin immer schwieriger, ein Restaurant zu betreiben, so Stüer. Die klassische Bedienung am Tisch bringe angesichts der hohen Ausgaben nur geringe Margen. Gerade die gehobene Gastronomie könne nicht an Personal und Qualität sparen.
Unverständnis für Mehrwertsteuer-Erhöhung
Lange hatten die Gastronomen gehofft, dass die Politik die Mehrwertsteuer für die Gastronomie bei sieben statt der wieder eingeführten 19 Prozent belassen und damit eine große Frustration in der Branche verhindern würde. "Weiterhin herrscht hier Unklarheit, warum politische Akteure hier nicht die richtigen Schritte eingeleitet haben", so Stüer.
Der Abschied vom Restaurantbetrieb fiel schwer, doch von der Umwandlung des rund 1.000 Quadratmeter großen Hauses in eine Eventlocation versprechen sich die Betreiber viele Vorteile. "Wir erhoffen uns eine bessere Planbarkeit aufseiten der Kosten bei gleichzeitig breiter gefächerten Eventformaten und einer zunehmend höheren Auslastung", erklärt Jeremias Stüer.
Das große Gastro-Sterben
Während "The Grand" die Mittel besitzt, sein Konzept zu ändern, mussten in der Vergangenheit andere Inhaber von Restaurants, Bars oder Kneipen ihr Geschäft komplett aufgeben. Nach fast 20 Jahren musste unter anderem die Kiezkneipe "Stadtklause" am Anhalter Bahnhof schließen. Auch "Höher's Eck" in Prenzlauer Berg kapitulierte, ebenso wie die "Minibar" in Kreuzberg, das "Kastanienwäldchen" in Reinickendorf sowie die Schwulenkneipe "Toms Bar" in Schöneberg.
Die Krise spüren auch die gehobenen Restaurants in Berlin. Das Fine-Dining-Restaurant "TheNoName" machte Ende 2023 seine Pforten dicht. Darauf folgten das Sternerestaurant "Cordo" und die Restaurant-Weinbar "SodaZitron". Dylan Watson-Brawn kündigte bereits an, sein Ein-Sterne-Restaurant "Ernst" zum Ende dieses Jahres zu schließen.
"Fine Dining ist nicht das, was die Menschen aktuell wollen. Sie wollen durchaus hochwertig und gesund essen, aber zu einem günstigen Preis", sagte Watson-Brawn dem Feinschmecker-Magazin "Falstaff".
Jonathan Kartenberg ist Chef der Fine-Dining-Lokale "Irma La Douce" in Mitte und "Eins44" in Neukölln. Er gibt eine düstere Prognose zu der Zukunft der Gastroszene in der Hauptstadt ab. "Es werden noch mehr Restaurants schließen", vermutet er im "Falstaff". Ein oder mehrere Michelin-Sterne garantieren heutzutage nicht mehr, dass das Lokal jeden Abend ausgebucht sei. Inhaber müssen heute kreativ werden, ihre Konzepte verändern und sich intensiv mit ihrer wirtschaftlichen Aufstellung beschäftigen, so Kartenberg.
Gastro-Insolvenzen um zwölf Prozent gestiegen
All die Leidenschaft hilft jedoch nichts, wenn die Gäste ausbleiben. Thomas Lengfelder, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Hotel- und Gaststättenverband e. V., stellt in Berlin einen neuen Trend fest. Unter der Woche würden die Menschen in der Hauptstadt weniger essen gehen, vor allem in der gehobenen Gastronomie, sagte er im Interview mit dem "RBB". Außerdem hätten es Restaurants, Bars und Kneipen außerhalb touristischer Hotspots schwer, Gäste anzulocken. Dennoch seien Menschen in Großstädten, wie Berlin eher dazu bereit, die gestiegene Preise zu bezahlen. In ländlichen Regionen sähe das ganz anders aus.
Im bundesweiten Vergleich sind Berlin und Brandenburg, was Insolvenzen in der Gastronomie betrifft, aber noch glimpflich davon gekommen. Nach Recherchen des "RBB" sind die Insolvenzen in der Region 2023 im Vergleich zum Vorjahr um zwölf Prozent gestiegen. In Schleswig-Holstein stiegen die Insolvenzen in der Gastronomie um 65 Prozent, in Sachsen um 53 Prozent und in Hamburg um 38 Prozent an.
Wie eine Studie von Creditreform zeigt, hat im Jahr 2023 jedes zehnte deutsche Unternehmen in der Gastronomie aufgegeben. "Die gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen sind für das Gastgewerbe derzeit alles andere als günstig", sagt Patrik-Ludwig Hantzsch, Leiter der Creditreform-Wirtschaftsforschung. Die Folgen der Coronakrise, die Inflation und die wieder angehobene Mehrwertsteuer zwangen viele Gastrobetriebe in die Knie.
- Schriftliche Antwort von Jeremias Stüer, B.A. Leitung Creation & Design
- morgenpost.de: "'The Grand' setzt nur noch auf Veranstaltungen"