"Rave The Planet" Kult-DJ hat Kreislaufprobleme auf eigener Techno-Parade
Mit viel nackter Haut sind bis zu 200.000 Technofans durch die Hauptstadt gezogen. Die erste Bilanz der Einsatzkräfte fiel positiv aus.
Bässe, die in den Magen fahren. Tanzende und jubelnde Massen. Rund 200.000 Menschen haben nach Polizeiangaben am Samstag in Berlin mit Loveparade-Gründer Dr. Motte erneut das Technospektakel "Rave The Planet" gefeiert. Bei strahlendem Sonnenschein und mehr als 30 Grad zeigten viele Menschen auf der Straße des 17. Juni nackte Haut. Manche Frauen hatten obenrum nur einen BH an oder trugen hüftabwärts nicht mehr als einen Tanga, was sogar die Polizei auf den Plan rief. Der Initiator konnte das Fest jedoch nicht besonders genießen.
Bis zuletzt stand die zweite Auflage der Techno-Parade auf der Kippe. Kurz vor dem Start gaben Feuerwehr und Polizei dann aber doch ihr Okay. "Die Innenstadt gehört heute den Raverinnen und Ravern", twitterte die Polizei am Mittag.
Dr. Motte feiert in seinen Geburtstag rein
Dr. Motte, mit bürgerlichem Namen Matthias Roeingh, begrüßte die Raver am Großen Stern. "Unser Motto: Music is the answer. Schön, euch zu sehen!" Während der Veranstaltung klagte Dr. Motte, der am Sonntag seinen 63. Geburtstag feiert, dann über Kreislaufbeschwerden. Ihm falle es jetzt schwer, sich wirklich über die Veranstaltung zu freuen, sagte er der Deutschen Presse-Agentur.
Die Polizei hatte als Genehmigungsbehörde zunächst Bedenken wegen des Sicherheitskonzepts. Dr. Motte und sein Team zitterten bis zuletzt um die Veranstaltung. Erst 36 Stunden vor Beginn konnten sie eine Einsatzleitung eines privaten Sanitätsdienstes finden, wie dessen Sprecher sagte.
Veranstalter brauchen noch Tausende Euro
Das Problem sei auch dank eingegangener Spenden fast gelöst worden. "Uns fehlen noch locker 150.000 Euro", erklärte Dr. Motte aber und rief zu weiteren Spenden auf. Auch mit Blick auf die Katastrophe bei der völlig überfüllten Loveparade anderer Organisatoren 2010 in Duisburg hatten die fehlenden Verträge mit Sanitätsdiensten eine besondere Brisanz. In Duisburg waren 21 Menschen gestorben, mehr als 500 wurden verletzt.
Am Samstag waren in Berlin aus Sicht von Polizei und Feuerwehr aber alle Auflagen erfüllt. "Das hat auf uns einen vernünftigen Eindruck gemacht", sagte ein Feuerwehrsprecher. Etwa 270 Menschen seien als medizinisches Personal vor Ort, die Veranstalter sprachen von 240 Helfern. Die Feuerwehr begleitete die Parade zudem mit eigenen Kräften und koordinierte Notrufe, so der Sprecher. "Bei dem Wetter rechnen wir ohnehin mit einer erhöhten Anzahl von Einsätzen."
Bis zum Abend bezeichnete die Feuerwehr die Lage als entspannt. "Bislang mussten "nur" 12 Personen in Krankenhäuser transportiert werden", twitterte die Feuerwehr. Der Sprecher des privaten Sanitätsdienstes zeigte sich am Abend zufrieden. Die Situation sei deutlich ruhiger als erwartet.
Bis zu 200.000 Raver ziehen durch die Hauptstadt
Die Polizei begleitete die Veranstaltung im Tiergarten zwischen dem Brandenburger Tor und dem Großen Stern nach eigenen Angaben mit rund 1.000 Beamtinnen und Beamten. "Auf und neben den 25 Floats tummeln sich nach unserer Schätzung rund 130.000 mehr oder weniger wippende Menschen", teilte sie rund drei Stunden nach Beginn der Veranstaltung auf Twitter mit. Bis zum Abend wuchs die Zahl nach Angaben eines Polizeisprechers auf 200.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern.
Es habe bislang keine nennenswerten Vorkommnisse gegeben, so der Sprecher. Allerdings stießen Einsatzkräfte wiederholt auf Menschen, die auf Laternen kletterten. "Wie gefährlich das ist, zeigte sich gerade, als eine Demoteilnehmerin herunterstürzte", twitterte die Polizei. Die Frau werde von Sanitätern versorgt. Nach dem Abschluss der Veranstaltung twitterte die Behörde: "Unser Einsatzleiter ist mit dem Einsatzverlauf zufrieden."
Berliner Polizei überrascht mit kurioser Bitte
Wegen des Andrangs war der Bahnhof am Brandenburger Tor zwischenzeitlich nach Polizeiangaben sicherheitshalber geschlossen. U-Bahnen und S-Bahnen hielten nicht mehr dort, hieß es. Später bat die Polizei bei Twitter, nur noch die Zugänge südlich des 17. Juni zu nutzen. Zudem hatten sie ein skurriles Anliegen: "Bitte entkleiden Sie sich nicht." Teilnehmerinnen und Teilnehmer hätten sich beschwert.
Wie die legendären Berliner Techno-Paraden in den 1990er-Jahren war der Umzug als Demonstration angemeldet. Neben der Botschaft, elektronische Musik als immaterielles Kulturerbe anzuerkennen und Technokultur von Förderungen profitieren zu lassen, ist auch Abrüstung eine Kernbotschaft der Veranstalter. "Uns geht's um Clubkultur, um Technokultur, und Technokultur ist friedlich", sagte Sprecherin Ellen Dosch-Roeingh.
Für Berlins Kultursenator Joe Chialo kam mit der Techno-Parade ein Stück Berlin nach Hause. In einem blauen Blumenhemd war er tanzend auf dem Paradewagen der Veranstalter zu sehen – und knüpfte damit an frühere Erlebnisse an. "Ich bin jemand, der schon in den 90er Jahren bei den Loveparades hier in Berlin mit dabei war. Ich kann also aus eigenem Erleben sagen, wie geil das ist, und warum das auch so richtig toll ist", sagte Chialo der Deutschen Presse-Agentur. "Ich feier’ das richtig."
- Nachrichtenagentur dpa