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Juso-Chef kritisiert Koalitionsvertrag von CDU und SPD scharf


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Schwarz-Rot in Berlin
Juso-Chef über Koalitionsvertrag: "Das erschüttert uns"

  • Nils Heidemann
InterviewVon Nils Heidemann

Aktualisiert am 04.04.2023Lesedauer: 4 Min.
Franziska Giffey (SPD) und Kai Wegner (CDU): Die Jusos in Berlin sprechen sich weiter gegen eine Große Koalition aus.Vergrößern des Bildes
Franziska Giffey (SPD) und Kai Wegner (CDU): Die Jusos in Berlin sprechen sich weiter gegen eine Große Koalition aus. (Quelle: Metodi Popow/imago-images-bilder)
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Der Koalitionsvertrag steht, das Mitgliedervotum innerhalb der SPD hat begonnen. Die Berliner Jusos sind weiter vehement gegen Schwarz-Rot in Berlin.

Am Montag haben CDU und SPD unter dem Motto "Das Beste für Berlin" ihren Plan für eine erfolgreiche Hauptstadt vorgestellt. Doch der Koalitionsvertrag kommt nicht bei allen gut an. Insbesondere die jungen Sozialdemokraten halten eine Koalition aus Schwarz-Rot weiterhin für gefährlich. Peter Maaß, Co-Landesvorsitzender der Berliner Jusos, übt im t-online-Interview scharfe Kritik an dem 135-seitigen Vertrag und erklärt, warum er in der Gegenkampagne "YesGroko" innerhalb der Partei keine Gefahr sieht.

t-online: Herr Maaß, hat Sie der Koalitionsvertrag besänftigt?

Peter Maaß: Im Gegenteil. Es hat sich gezeigt, dass wir mit unserer "NoGroko"-Einstellung richtig liegen. Allein mit Blick auf das Thema innere Sicherheit: Ausweitung der Videoüberwachung, Einsatz von Tasern, mehr Staatstrojaner. Das erschüttert uns sehr. Es sind rote Linien, die 2021 bei den Koalitionsverhandlungen noch gar nicht zur Sprache kamen. Wir müssen SPD-Positionen mit einer Lupe suchen.

Sie twitterten diesbezüglich gestern Abend: "Mir wird übel bei diesen Punkten". Dabei war dieser Weg mit Franziska Giffey als ehemalige Law-and-Order-Politikerin doch erwartbar. Sie hatte zudem im Wahlkampf Andeutungen in diese Richtung gemacht.

Als Bürgermeisterin in Neukölln hat sie sicherlich Akzente gesetzt. Ich weiß aber gar nicht, inwiefern sie dafür verantwortlich ist. Die Kritik ist trotzdem berechtigt. Es gibt viele Bürgerrechtler, die diese Einschränkungen der Freiheitsrechte kritisieren. So schaffen wir eine Stadt der Unfreiheit. Als progressiver Sozialdemokrat kann ich das nicht akzeptieren. Der Koalitionsvertrag ist an dieser Stelle ein Bruch an unserer inhaltlichen Überzeugung und des SPD-Wahlprogramms.

Das heißt, die SPD-Spitze hat gegenüber der CDU zurückgesteckt?

Ich kann nur mutmaßen. Inhaltlich war das unter Rot-Grün-Rot anders. Da haben wir das Verbot von Racial Profiling oder die Stärkung der individuellen Freiheitsrechte verankert. Ich hätte mir zum Beispiel einen Fingerzeig in Richtung Rechtsextremismus gewünscht – insbesondere hinsichtlich rechter Strukturen in den Sicherheitsorganen.

Es gibt trotzdem einige Punkte, die der SPD gefallen dürften. Zum Beispiel die gebührenfreie Bildung, das Wahlalter, die Ausbildungsplatzumlage oder der soziale Wohnungsbau.

Mir fehlt die Fantasie, dass das ein großer Wurf sein soll. Wir haben deutlich mehr Prüfaufträge und in weiten Teilen nur eine Verbesserung von Formulierungen. Es gibt insgesamt wenig Stringenz in den Aussagen. Ich will weniger "wir versuchen" und mehr "wir werden es tun". Ein großer Wurf ist das nicht.

Sie bleiben also bei Ihrem Wunsch nach "Rot-Grün-Rot". Dabei sagte Franziska Giffey im RBB Inforadio nun erneut, dass das nicht infrage kommt und bei einem Scheitern der Großen Koalition womöglich Schwarz-Grün in Berlin regieren könnte.

Ich glaube nicht, dass das so sicher wäre. Auch die Grünen haben Bauschmerzen mit vielen Punkten der CDU. Wir müssen schauen, ob es nicht doch mit Rot-Grün-Rot funktionieren könnte. Katja Kipping (Linke) hat sich gestern noch dafür ausgesprochen. Ich verstecke mich aber auch nicht vor der Opposition. Klar ist: Nur zu regieren um des Regierens willen, kann nicht der Weg sein. Die Große Koalition sollte der letztmögliche Schritt sein. Wir sollten schauen, was die SPD-Linie ist und wofür wir als Partei stehen wollen.

Gestern ging die Gegenkampagne "YesGroko" online, die 100 teils stadtbekannte SPD-Mitglieder unterschrieben haben. Sie sprechen sich für Schwarz-Rot aus. Sind die Chancen auf ein Nein beim Mitgliedervotum nun gesunken?

Überhaupt nicht. Man muss schauen, welche Personen dahinterstehen. Das sind Personen, die sich bereits in den letzten Wochen für eine Zusammenarbeit mit der CDU ausgesprochen haben. Von daher ist die Kampagne erst mal nichts Aufregendes. Es sind Abgeordnete. Menschen, die im politischen Berlin arbeiten. Die sehen in der GroKo vielleicht auch ein Eigeninteresse, um weiter ihrer Arbeit nachgehen zu können. Unser Anliegen hingegen wird von einer großen Breite der Partei getragen. Von Menschen, die das ehrenamtlich machen und deren Interessen die Zukunft der SPD und Berlins sind.

Macht Sie die Kampagne wirklich gar nicht nervös?

Sie zeigt, dass wir mit der NoGroko-Initiative einen Nerv getroffen haben. Ich glaube, das wird ein spannendes Rennen bis zum Schluss.

Wann haben Sie denn von der Gegenkampagne erfahren?

Die Anzeichen hatten sich verdichtet, aber offiziell habe ich davon erst am Montag erfahren. Es ist erstaunlich, dass manche SPD-Mitglieder schon gestern als Unterzeichner auf dem Papier standen, obwohl sie vor zwei Wochen sagten, erst den Koalitionsvertrag abzuwarten.

Heute ist das Mitgliedervotum gestartet. Vier Kreise in Berlin haben sich bisher offiziell gegen Schwarz-Rot positioniert. Glauben Sie wirklich, dass das reicht?

Uns ist bewusst, dass wir auch scheitern können. Doch es kamen in den vergangenen Wochen so viele auch teils inaktive Mitglieder auf uns zu, die sagen, dass wir als Jusos klasse Arbeit leisten. Diese Leute motivieren mich und Sinem Taşan-Funke, weiterhin Gas zu geben und alles reinzuhauen die letzten zwei Wochen. Wir nicken Dinge nicht einfach ab. Wir zeigen Rückgrat.

Nehmen wir an, Sie scheitern und die GroKo kommt. Was passiert dann?

Wir werden weiter konstruktiv-kritisch als Teil dieser Partei Politik machen.

Und dann nehmen wir an, die GroKo scheitert. Muss es personelle Konsequenzen geben?

Ja, über diese personellen Konsequenzen müssen wir dann reden. Die aktuelle Konstellation wird nicht dazu führen, dass wir Gespräche mit Rot-Grün-Rot führen. Wir müssten uns umorientieren, um diesen Weg zu gehen. Auch der Gang in die Opposition wäre für die jetzt beteiligten Personen wenig denkbar. Allein deshalb wäre der Schritt notwendig. Aber auch aus strategischen Gründen muss man über Namen reden. Damit die SPD eine linke Partei bleibt.

Verwendete Quellen
  • Eigenes Interview mit Peter Maaß (Berliner Juso-Vorsitzender)
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