Große Sorge in Berlin "Wenn Karstadt zumacht, wird's hier wieder wie im Wilden Westen"
In zehn Monaten soll die Karstadt-Filiale in Berlin-Wedding geschlossen werden. Anwohner befürchten die Verrohung des Standortes.
Am Montagnachmittag ist in der Filiale am Leopoldplatz wenig los, Verkaufspersonal muss man daher sehr gezielt suchen. Jüngere Menschen kaufen hier kaum noch ein und auch beim Personal handeltet sich ausschließlich um ältere Damen.
Mit t-online möchte niemand der Verkäufer sprechen. Die wenigen Kunden, die noch im Karstadt an der Müllerstraße einkaufen, sind allerdings Stammkunden und dementsprechend geschockt. War es Nachmittag noch unklar, herrscht jetzt Gewissheit: Auch die Filiale am Leopoldplatz soll zum 31. Januar 2024 schließen, erklärte das Unternehmen auf dpa-Anfrage.
"Wenn Karstadt zumacht, dann fällt hier die letzte bürgerliche Bastion."
Karstadt-Besucherin Katharina
Diese Nachricht trifft Katharina, die mit je einer Krücke in der Hand und einer rosa Maske unter dem Kinn nach einem passenden Parfüm sucht, schwer: "Wenn Karstadt zumacht, dann fällt hier die letzte bürgerliche Bastion. Dann wird es wieder wie im Wilden Westen", so die ältere Dame, die fürchtet, dass sich der Drogenhandel im Wedding dadurch weiter ausbreitet. Sie hofft nun, dass sich wieder ein bürgerliches Geschäft ansiedelt: "Damit hier weiter normale Leute einkaufen, die dem Viertel Halt und Struktur geben."
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Auch Ute Bauer an der Pralinen-Theke sieht in dem Karstadt-Aus in Wedding einen herben Verlust: "Das ist der einzige Laden, wo ich alles an einem Ort bekomme. Wenn das Einkaufszentrum schließt, müsste ich in fünf, sechs Geschäfte rennen", berichtet die Frau mit kurzen grauen Haaren und Rollkoffer enttäuscht. "Das ist hier sowieso schon eine tote Ecke – sonst muss ich zum Ku’damm fahren oder in die Friedrichstraße."
Zumindest bleibe noch eine Gnadenfrist; und auf den möglichen Restpostverkauf freut sie sich auch schon.
Mehr als 5000 Arbeitsplätze betroffen
Was dann allerdings mit den Angestellten passiert, ist noch unklar. Nach Angaben des Gesamtbetriebsrats werden im Zuge der Insolvenzverfahrens "weit über 5000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ihren Arbeitsplatz verlieren". Es würden nicht nur Stellen in den Schließungsfilialen wegfallen. Geplant seien auch Flächenreduzierungen und ein Personalabbau in den verbleibenden Häusern.
Das Unternehmen selbst sprach von mehr als 4000 Betroffenen. Sie sollen das Angebot erhalten, in eine Transfergesellschaft zu wechseln, um sich für eine neue Stelle weiterzuqualifizieren.
"Dies ist ein rabenschwarzer Tag", erklärte der Gesamtbetriebsrat. Dass es so weit gekommen sei, liege nicht nur an der Corona-Pandemie und den Folgen des Ukraine-Krieges, sondern auch an hausgemachten Fehlern. Das Management stehe jetzt in der Verantwortung, der verbleibenden Belegschaft eine längerfristige berufliche Zukunft zu garantieren.
- Reporter vor Ort
- Mit Material der dpa